"Zurücktreten, zurücktreten" fordern wütende Bewohner der ungarischen Ortschaft Gyöngyöspáta von ihrem Bürgermeister. Die Demonstranten sind Angehörige der Roma-Minderheit – der Bürgermeister Mitglied der rechtsextremen Jobbik-Partei.
In einem Telefongespräch mit einem Partei-Genossen hatte der rechtsextreme Bürgermeister im Frühjahr darüber philosophiert, wie sich eine bürgerkriegsähnliche Konfrontation zwischen Mehrheitsungarn und Roma-Minderheit heraufbeschwören und politisch nutzen ließe. Das Gespräch war abgehört worden und gelangte an die Öffentlichkeit. Derartig haarsträubende Vorfälle sind in Ungarn keine Besonderheit mehr: Der Hass auf Roma habe vielerorts gefährliche Ausmaße angenommen und sich bereits bis weit in die Gesellschaft hineingefressen, konstatiert Gabor Daroczi von der "Roma-Versitas Foundation", einer ungarischen Menschenrechtsorganisation:
"Das ist eine aktuelle Folge der öffentlichen politischen Diskussionen. Die Leute meinen, das ist in Ordnung, so zu reden. Selbst Leute, die Verantwortung tragen für das friedliche Zusammenleben in einem Dorf. Sie denken darüber nach, wie einfach es ist, Zwietracht zu säen."
Die rechtsextreme Jobbik Partei schürt gezielt Ängste vor Ungarns größter Minderheit und sät regelrechten Hass, weil sie davon profitiert: Sogenannte "kriminelle Zigeuner" sind ihr politisches Hauptthema. Tatsächlich verüben Roma überdurchschnittlich oft Straftaten, was aber an ihrer sozialen Situation liegt – und nicht an ihren Genen, wie selbst gebildete Ungarn ernsthaft glauben. Über 90 Prozent der Roma sind heute arbeitslos, ein Großteil lebt in Elendssiedlungen – isoliert von der Mehrheitsbevölkerung. Die Mehrheit werde selbst seit Jahren von Existenzängsten geplagt und nehme die oft katastrophalen Verhältnisse in den Roma-Ghettos kaum noch wahr, sagt Agnes Daroczi von der Dachorganisation der ungarischen Roma-Nichtregierungsorganisationen:
"Der Zustand der Infrastruktur ist sehr schlecht, die Arbeitsplätze sind sehr weit entfernt, der Ausbildungsstand ist sehr niedrig und schlecht, weil zwei Drittel der Romakinder in eigenen Schulen unterrichtet werden. Können Sie sich vorstellen, dass im 20. Jahrhundert die Mehrheit der Roma Kinder noch nicht einmal die Schule abschließen?
Anders als die Rechtsextremen, möchte die rechtsnationale Regierung von Viktor Orbán die in Ungarn sogenannte Roma-Frage endlich konstruktiv in den Griff bekommen. Sie hat dafür eine sogenannte Nationale Roma-Strategie ausgearbeitet. Dieses politische Programm beinhaltet einen umfangreichen Maßnahmenkatalog, er reicht von Arbeitsbeschaffung über verbesserte Bildung bis hin zur Verbesserung der Wohnsituation. Die bereits im letzten Jahres verabschiedete Roma-Strategie fand europaweit viel Zuspruch. Trotzdem sehen die ungarischen, NGO’s, also Nicht-Regierungsorganisationen die Roma-Politik der Regierung kritisch. Agnes Daroczi:
"Die Romaorganisationen, die lokalen und die landesweiten NGO´s sind nicht in den politischen Entscheidungsprozess eingebunden. Wir sind weder bei der Planung, bei der Umsetzung, noch bei der Kontrolle dabei - und dabei glauben wir, dass wir in einer Demokratie leben."
Die Fidesz-Regierung verhandelt bisher nur mit Roma-Vertretern ihrer eigenen Partei. Sie werden von einem Großteil der Roma lediglich als "Vorzeige-Zigeuner" gesehen und haben wenig Rückhalt außerhalb ihrer Partei. Den Nicht-Regierungsorganisationen hat die Regierung dagegen die finanzielle Unterstützung entzogen. Immer mehr Roma-NGOs und ihre Hilfsprojekte stehen nun vor dem Aus. Auch die EU-Gelder könnten das nicht verhindern, erklärt die langjährige Roma Aktivistin Daroczi
"Das Geld für die Projekte fließt erst nach einem erfolgreichen Abschluss. Aber welche Nicht-Regierungsorganisation kann das durchhalten?"
Ein weiteres Problem der neuen Roma-Strategie: Längst nicht alle in der fast allmächtigen Regierungspartei Fidesz ziehen an einem Strang. Zum Beispiel bei der Roma-Kultur. Das Regierungsprogramm schreibt der Kultur-Förderung ausdrücklich eine große Bedeutung zu, gerade um das Negativ-Image der Roma zu verbessern. Trotzdem will nun ein Fidesz-Bezirksbürgermeister die einzig landesweit bedeutende Kultur-Einrichtung für Roma, das sogenannte Roma-Parlament im 8. Budapester Stadtbezirk schließen. Das sei kein Zufall, so Jenö Zsigó, der Leiter des Institutes.
"Ich glaube, das ist ein Symbol für die derzeitige Politik in Ungarn."
Im Ausland hat Ungarn mit seiner Initiative für eine neue Roma-Strategie viel Zustimmung bekommen. Ob die Ergebnisse das auch rechtfertigen werden, steht noch längst nicht fest.
In einem Telefongespräch mit einem Partei-Genossen hatte der rechtsextreme Bürgermeister im Frühjahr darüber philosophiert, wie sich eine bürgerkriegsähnliche Konfrontation zwischen Mehrheitsungarn und Roma-Minderheit heraufbeschwören und politisch nutzen ließe. Das Gespräch war abgehört worden und gelangte an die Öffentlichkeit. Derartig haarsträubende Vorfälle sind in Ungarn keine Besonderheit mehr: Der Hass auf Roma habe vielerorts gefährliche Ausmaße angenommen und sich bereits bis weit in die Gesellschaft hineingefressen, konstatiert Gabor Daroczi von der "Roma-Versitas Foundation", einer ungarischen Menschenrechtsorganisation:
"Das ist eine aktuelle Folge der öffentlichen politischen Diskussionen. Die Leute meinen, das ist in Ordnung, so zu reden. Selbst Leute, die Verantwortung tragen für das friedliche Zusammenleben in einem Dorf. Sie denken darüber nach, wie einfach es ist, Zwietracht zu säen."
Die rechtsextreme Jobbik Partei schürt gezielt Ängste vor Ungarns größter Minderheit und sät regelrechten Hass, weil sie davon profitiert: Sogenannte "kriminelle Zigeuner" sind ihr politisches Hauptthema. Tatsächlich verüben Roma überdurchschnittlich oft Straftaten, was aber an ihrer sozialen Situation liegt – und nicht an ihren Genen, wie selbst gebildete Ungarn ernsthaft glauben. Über 90 Prozent der Roma sind heute arbeitslos, ein Großteil lebt in Elendssiedlungen – isoliert von der Mehrheitsbevölkerung. Die Mehrheit werde selbst seit Jahren von Existenzängsten geplagt und nehme die oft katastrophalen Verhältnisse in den Roma-Ghettos kaum noch wahr, sagt Agnes Daroczi von der Dachorganisation der ungarischen Roma-Nichtregierungsorganisationen:
"Der Zustand der Infrastruktur ist sehr schlecht, die Arbeitsplätze sind sehr weit entfernt, der Ausbildungsstand ist sehr niedrig und schlecht, weil zwei Drittel der Romakinder in eigenen Schulen unterrichtet werden. Können Sie sich vorstellen, dass im 20. Jahrhundert die Mehrheit der Roma Kinder noch nicht einmal die Schule abschließen?
Anders als die Rechtsextremen, möchte die rechtsnationale Regierung von Viktor Orbán die in Ungarn sogenannte Roma-Frage endlich konstruktiv in den Griff bekommen. Sie hat dafür eine sogenannte Nationale Roma-Strategie ausgearbeitet. Dieses politische Programm beinhaltet einen umfangreichen Maßnahmenkatalog, er reicht von Arbeitsbeschaffung über verbesserte Bildung bis hin zur Verbesserung der Wohnsituation. Die bereits im letzten Jahres verabschiedete Roma-Strategie fand europaweit viel Zuspruch. Trotzdem sehen die ungarischen, NGO’s, also Nicht-Regierungsorganisationen die Roma-Politik der Regierung kritisch. Agnes Daroczi:
"Die Romaorganisationen, die lokalen und die landesweiten NGO´s sind nicht in den politischen Entscheidungsprozess eingebunden. Wir sind weder bei der Planung, bei der Umsetzung, noch bei der Kontrolle dabei - und dabei glauben wir, dass wir in einer Demokratie leben."
Die Fidesz-Regierung verhandelt bisher nur mit Roma-Vertretern ihrer eigenen Partei. Sie werden von einem Großteil der Roma lediglich als "Vorzeige-Zigeuner" gesehen und haben wenig Rückhalt außerhalb ihrer Partei. Den Nicht-Regierungsorganisationen hat die Regierung dagegen die finanzielle Unterstützung entzogen. Immer mehr Roma-NGOs und ihre Hilfsprojekte stehen nun vor dem Aus. Auch die EU-Gelder könnten das nicht verhindern, erklärt die langjährige Roma Aktivistin Daroczi
"Das Geld für die Projekte fließt erst nach einem erfolgreichen Abschluss. Aber welche Nicht-Regierungsorganisation kann das durchhalten?"
Ein weiteres Problem der neuen Roma-Strategie: Längst nicht alle in der fast allmächtigen Regierungspartei Fidesz ziehen an einem Strang. Zum Beispiel bei der Roma-Kultur. Das Regierungsprogramm schreibt der Kultur-Förderung ausdrücklich eine große Bedeutung zu, gerade um das Negativ-Image der Roma zu verbessern. Trotzdem will nun ein Fidesz-Bezirksbürgermeister die einzig landesweit bedeutende Kultur-Einrichtung für Roma, das sogenannte Roma-Parlament im 8. Budapester Stadtbezirk schließen. Das sei kein Zufall, so Jenö Zsigó, der Leiter des Institutes.
"Ich glaube, das ist ein Symbol für die derzeitige Politik in Ungarn."
Im Ausland hat Ungarn mit seiner Initiative für eine neue Roma-Strategie viel Zustimmung bekommen. Ob die Ergebnisse das auch rechtfertigen werden, steht noch längst nicht fest.