Archiv

Strategien gegen Antisemitismus im Fußball
Klare Haltung der Vereine und Verbände gefordert

Hakenkreuze auf dem Trainingsplatz, Anfeindungen gegen Juden: Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit mahnte bei einer Tagung in Frankfurt, den antisemitischen Hass im Fußball nicht zu bagatellisieren. Nötig sei eine klare Haltung von Sport, Justiz und der Mehrheit der Gesellschaft.

Von Ludger Fittkau |
Daniel Cohn-Bendit während einer Tagung in Frankfurt
Eine klare Haltung der Vereinsführungen und Verbände ist die wichtigste Strategie gegen Antisemitismus im Fußball. Das ist ein zentrales Ergebnis einer Tagung zum Thema, die beim DOSB in Frankfurt am Main stattfand (Deutschlandradio / Ludger Fittkau)
Frankfurt-Riedberg ist ein neues Stadtviertel in der Mainmetropole. Der Stadtteil wächst noch – bis zum nächsten Jahr sollen dort rund 15.000 Menschen in 6.000 Wohnungen und Häusern leben. Der SC Riedberg, eine Neugründung wie das Viertel selbst, wächst genauso wie der junge Stadtteil. Das erzählt Alex Markert, der vor acht Jahren zu den Gründern des Klubs gehörte:
"Die Jungs und Mädchen zusammen sind mittlerweile Hessens größter Fußballverein, da sind wir auch richtig stolz drauf."
Anti-Diskriminierungsleitbild in der Vereinssatzung
Doch bereits vor der ersten Ligasaison musste der SC Riedberg einem Trainer kündigen, weil dieser bei einer antisemitisch motivierten Schlägerei in einer Männermannschaft nicht entschlossen eingriff und den Fall bagatellisierte. Der neue Klub holte sich Beratung beim DFB und zog aus dem Vorfall Konsequenzen, schildert Alex Markert. Man entwickelte ein Anti-Diskriminierungsleitbild und schrieb es in die Vereinssatzung:
"Dort steht einfach explizit – jetzt nicht in blumiger Sprache auch nicht hochphilosophisch, sondern dort steht drin, dass eben 'Du dumme Judensau' keine akzeptiere Anrede bei uns ist. Das Schwulenhetze bei uns nicht stattfindet. Und das ist mittlerweile Teil der Satzung geworden und jedes neue Mitglied bekommt das ausgehändigt und hat sich auch entsprechend dran zu halten. Weil hinten dran steht dann auch: Wer sich nicht dran hält, ist bei uns nicht willkommen und dann gibt es Sanktionen. Das heißt dann eben Trainingsausschluss, das heißt Mannschafts-Ausschluss und in letzter Konsequenz dann eben Ausschluss aus dem Verein."
Auswärtsspiele bleiben problematisch
Axel Markert bekommt für diese Haltung des SC Riedberg Zustimmung von der Konferenz mit dem Thema "Strategien gegen Antisemitismus" im Fußball, die in dieser Woche beim Deutschen Olympischen Sportbund in Frankfurt am Main stattfand. Dennoch sei mit der klaren Satzung alleine das Problem vor allem bei Auswärtsspielen nicht gelöst, räumt Markert ein:
"Wir haben auch Mitspieler jüdischen Glaubens bei uns, wir haben Israeliten bei uns dabei, auch arabischstämmige Israeliten, also das Problem ist schon vielschichtig, aber es tritt schon immer wieder auf."
Cohn-Bendit: antisemitischen Hass im Fußball nicht bagatellisieren
Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit ist Ehrenvorsitzender des Frankfurter Fußballvereins "FC Gudesding". Weil sich sein Sohn Bela und er für den Verein engagieren, gilt er als jüdischer Club. Mit der Folge, dass auch schon mal der Rasen des Trainingsplatzes mit einen Hakenkreuz beschmiert wird. Daniel Cohn-Bendit mahnte bei der Konferenz an, den antisemitischen Hass im Fußball nicht zu bagatellisieren:
"Wenn die Fans der Offenbacher Kickers, diese berühmten Sprüche gegenüber den Eintracht-Fans, dass sie keine U-Bahn nach Offenbach wollen, sondern nach Auschwitz, dann wissen sie genau, was sie sagen. Oder: Wenn die Fans von Feyenoord Rotterdam gegenüber Ajax Amsterdam – Ajax wird in Holland gesehen als der Judenclub – dann immer so klappern, ganz laut. Das ist das Klappern der Gaskammern. Gas auf, Gas zu! Das alles gibt es und die wissen doch genau, was sie machen!"
Sport, Justiz und Gesellschaft sind gefordert
In solchen Fällen, betont Daniel-Cohn-Bendit, helfe nur eine entschlossene Haltung von Sport, Justiz und der gesellschaftlichen Mehrheit insgesamt. Vereinsführungen, die dabei nicht mitziehen, müssen auch durch den DFB sanktioniert werden, fordert der Politiker. Auch Meron Mendel, der Leiter der Bildungsstätte Anne-Frank in Frankfurt am Main machte bei der Konferenz klar, wo die Grenzen der Toleranz liegen müssen:
"Ein Fall, der bei uns in der Bildungsstätte gelandet ist: Ein Amateur-Verein, ein migrantischer Verein, der Vorstand dieses Vereins, hatte auf der Facebook-Seite des Vereins seiner Mannschaft gepostet – in Klammern, er war selber hauptamtlicher Versicherungsunternehmer – und dann postet er: Schließt keine Verträge bei der jüdischen Allianz, sondern nur bei uns. Ich sage jetzt nicht, für welche Versicherung er gearbeitet hat."
Meron Mendel, Leiter der Jugendbegegnungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main (Hessen), aufgenommen am 15.01.2014.
Meron Mendel, Leiter der Jugendbegegnungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main (dpa / Daniel Reinhardt)
Antisemiten nehmen gerne Opferrolle ein
Als Strafe habe der Fußballverband den Vereinsvorstand verpflichtet, mit den Mitarbeitern der Anne-Frank-Bildungsstätte über Antisemitismus zu diskutieren. Ohne durchschlagenden Erfolg, bilanziert Meron Mendel. Denn Antisemiten nehmen allzu gerne eine Opferrolle ein, auch in diesem Fall:
"Weil die Vorstellung, dass die Juden hinter den Kulissen die ganze Welt regieren, wurde dadurch bestätigt. Das war der Beweis dafür! Guckt mal, wir wurden dafür bestraft."
Mit solchen Vereinsführungen helfen am Ende Dialoge nicht weiter- da nütze schließlich nur der Verbandsauschluss.
Der jüdische Sportverband "Makkabi" mit seinen 38 Ortsvereinen in Deutschland setzt jedoch auf Dialog mit Kindern und Jugendlichen, die mit antisemitischen Sprüchen auf dem Sportplatz aufgefallen sind. Denn dabei werden oft gedankenlos Ältere nachgeahmt.
Gespräche können da eher helfen als Strafen. Auch bei den Profivereinen setzt Makkabi Deutschland eher auf Lob statt auf Sanktionen. Demnächst will er man 1. FC Nürnberg mit einem Preis für seine engagierte Haltung gegen Diskriminierung auszeichnen. Peter Fischer, der Präsident von Eintracht Frankfurt, hat den Preis des jüdischen Sportverbandes schon bekommen.