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Strategien gegen Rechtsextremismus
Zwei Behörden an einem Strang

Den Druck auf die Szene erhöhen, Hassbotschaften im Internet intensiver verfolgen: im Kampf gegen Rechtsextremismus will das Bundesamt für Verfassungsschutz mit anderen Behörden - vor allem mit dem Bundeskriminalamt - enger zusammenarbeiten. Große Verfahren sollen von den Ländern übernommen werden.

Von Gudula Geuther |
Ein Mitglied von Wodans Erben zeigt ein keltisches Kreuz, das mit weißer Vormachtstellung in Verbindung gebracht wird und in Deutschland als verboten gilt. Die rechtsradikale Gruppe patrouillierte am 12. Oktober durch München
Das keltische Kreuz am Oberarm eine Mitglieds der vom Verfassungsschutz überwachten Wodans-Erben-Bürgerwehr (dpa Zuma, Sachelle Babbar)
Al-Capone-Strategie nennt man es im Verfassungsschutz: So wie der Gangsterboss irgendwann wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, so will auch der Inlandsgeheimdienst mit anderen Behörden zusammenarbeiten, um rechtsextreme Gruppierungen doch noch zu treffen. Das mag auch hier der Tipp an die Finanzbehörden sein nach einem lukrativen Rechtsrockkonzert oder Devotionalienhandel. Vor allem aber will das Bundesamt für Verfassungsschutz mit dem Bundeskriminalamt an einem Strang ziehen. Mit dem Blick auf die, die man kennt, so der Chef des Inlandsnachrichtendienstes Thomas Haldenwang, und mit dem Blick ins Netz.
"Dass wir also maßgebliche Plattformen im Internet intensiver beobachten können, aber auch einzelne Akteure, von denen wir annehmen, dass von denen eine Gefahr ausgeht, wollen wir künftig systematischer beobachten."
Portrait von Thomas Haldenwang
Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (imago stock&people)
Nachholbedarf im Phänomenbereich Rechts
Wer wie gefährlich ist, das versuchen die Behörden bei Islamisten schon lange festzustellen, sich um die schwersten Fälle besonders zu kümmern. Für Rechtsextremisten sollen erst noch Maßstäbe entwickelt werden. Bis dahin wollen sich die Behörden zumindest diejenigen gemeinsam ansehen, die sie kennen. Fast 700 Gefährder führen die Kriminalämter im islamistischen Bereich. Ganze 43 sind es im Phänomenbereich Rechts.
"Ich gehe davon aus, dass die Zahl steigen wird", sagt BKA-Präsident Holger Münch voraus. Er will den Druck auf die Szene erhöhen, will große Verfahren von den Ländern übernehmen. Und er will, dass Hassbotschaften im Internet öfter verfolgt werden – und nicht nur gelöscht. Eine Zentralstelle soll es dafür geben.
"Am besten mit einer Rechtsänderung, dass die Diensteanbieter verpflichtet werden, strafbares Material, was sie heute schon prüfen und löschen, auch auszuleiten mit den Bestandsdaten, so dass wir eine effektive Strafverfolgung auch draufsetzen können."
Das ist umstritten – allerdings wohl weniger in der Koalition. Das CDU-Präsidium forderte es gestern, Justizministerin Christine Lambrecht von der SPD hat den Vorstoß schon früher angekündigt. Sehr viel strittiger sind die Online-Durchsuchung und die so genannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung, die der Verfassungsschutz fordert und die Bundesinnenminister Horst Seehofer ihm geben will. Für Unmut sogar in der eigenen Partei sorgte Horst Seehofer mit noch einer anderen Formulierung. Er wolle Gaming-Plattformen näher in den Blick nehmen.
"Man muss genau hinschauen, ob es noch ein Computerspiel ist, eine Simulation, oder eine verdeckte Planung für einen Anschlag."
Kriminielle auch in der Gamer-Szene
Man lasse sich nicht mit einem Satz kaputtmachen, was in Deutschland alles für die Games-Förderung gemacht worden sei, soll die zuständige Staatsministerin Dorothee Bär geschimpft haben.
"Nein, es geht hier nicht um Gamer, um Menschen die spielen", betonte auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Die sollten nicht kriminalisiert werden, betont auch Holger Münch. Aber: Je mehr in anderen Foren gelöscht werde, desto mehr wichen Kriminelle in solche Plattformen aus.
"Das darf jetzt nicht zu dem Schluss führen, dass man sagt: In der Gamer-Szene wachsen Kriminelle heran. Aber sie haben eine so große Szene, dass sie eben auch Kriminelle haben. Und wir müssen eben auch diese Foren dann mit in den Blick nehmen – weil auch hier natürlich dann Material ausgetauscht wird, weil hier kommuniziert wird."
Was er sich vorgenommen hat, kann teils bald umgesetzt werden, teils Jahre dauern. Und dann?
"Wir müssen sehen, dass wir wahrscheinlich immer einen blinden Fleck behalten werden, weil wir fast 50 Prozent der Täter im rechten Spektrum haben, die vorher nicht polizeibekannt gewesen sind."
Mit Blick auf die neuen Pläne und den Täter von Halle sagt Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang:
"Ob das jetzt in diesem Fall hätte funktionieren können, da bewege ich mich im Bereich der Spekulation."