Es kling so gut: "Aus für Geoblocking" liest man heute in einigen Meldungen aus Brüssel. Gemeint ist die weit verbreitete Praxis, Online-Inhalte aus lizenzrechtlichen Gründen nur in jeweils einem Land verfügbar zu machen und in anderen zu sperren. Zumindest in seiner heutigen Form soll damit nach dem Willen der Europäischen Kommission ab den kommenden Jahr EU-weit Schluss sein. Anlass zur Euphorie besteht für User gleichwohl nicht.
Mitnahme auf Reisen
Der Kompromiss sieht nämlich lediglich vor, dass Nutzer künftig etwa im Urlaub, auf Dienstreisen oder bei Studienaufenthalten im EU-Ausland ihre kostenpflichtigen Abonnements bei diesen Anbietern ohne Einschränkung nutzen können. Dies ist bislang in der Tat nicht möglich. Einen Vorschlag zur sogenannten Portabilität, also der Möglichkeit, im Heimatland gebuchte Angebote auch ins Ausland "mitnehmen" zu können, hatte die Kommission bereits im Dezember 2015 vorgelegt. Der Vorstoß ist Teil ihrer Strategie für den "digitalen Binnenmarkt", auf dem auch virtuelle Produkte grenzüberschreitend verfügbar gemacht sein sollen
Kein komplett restriktionsfreier Zugang
Vollständig gefallen ist das Geoblocking damit jedoch keinesweg. Wer etwa von Deutschland aus Filme, Serien oder Musik konsumieren möchte, die hierzulande noch nicht oder gar nicht verfügbar sind - wohl aber beispielsweise in Frankreich, Großbritannien (zumindest für die verbleibende Zeit als EU-Mitglied) oder Italien - wird dies auch weiterhin nicht dürfen. Zwar gibt es Software und andere technische Möglichkeiten, solche Sperren zu umgehen. Damit aber verstoßen Nutzer gegen die Geschäftsbedingungen ihres jeweiligen Streaming-Dienstes.
Neue Hürden gleich mitbeschlossen
Um Missbrauch vorzubeugen, soll laut dem nun gefundenen Kompromiss ein Kontrollmechanismus eingeführt werden. Dazu dürften etwa Bezahl- und Steuerdaten, Post- und IP-Adresse benutzt werden, um das tatsächliche Wohnsitzland feststellen zu können. Anbieter sollen zwei von zehn Prüfkriterien wählen können, um eine "übermäßige" Nutzung ihrer Dienste von Kunden zu verhindern. Eine zeitliche Einschränkung für die zulässige Auslandsnutzung ist aber nach Angaben der EU-Kommission nicht vorgesehen. Nach ihren Angaben verwenden derzeit 49 Prozent der Internetnutzer Streamingdienste. Mit dem Fall der Roaminggebühren werde ein weiterer Anstieg erwartet.
Probleme bei kostenlosen Diensten
Die Einigung bezieht sich zudem in erster Linie auf kommerzielle Angebote. Nach derzeitigem Stand darf der Zugriff auf Inhalte wie Sport oder Krimis in Mediatheken öffentlich-rechtlicher Sender auch weiterhin geblockt werden. Auch der von Nutzern gefürchtete Hinweis auf Videoportalen "Dieses Video ist in Deinem Land nicht verfügbar" bleibt weiterhin möglich, zumal dort auch komplexere urheberrechtliche Regelungen eine Rolle spielen können.
Gemischte Reaktionen
Der Europäische Verbraucherverband BEUC sieht die Einigung als "gute Nachricht" für Verbraucher. "Künstliche Barrieren, die verhindern, online Videos, Musik oder Spiele zu nutzen, widersprechen dem Prinzip des Binnenmarkts." Die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler sprach von einem "großen Gewinn" für die Bürger Europas. Für die Piraten-Parlamentarierin Reda dagegen handelt es sich allenfalls um einen ersten Schritt. Sie kritisiert, dass die Öffnung weiterhin auf das Angebot des Online-Dienstes des Heimatlandes beschränkt bleibt und beharrt auf der Forderung, nach einem vollständigen Ende des Geoblockings, so dass Anbieter ihre Inhalte europaweit zur Verfügung stellen können. Entsprechendes Feedback findet sich auch auf Twitter:
Genauer Zeitplan noch offen
Der jetzt erzielten Einigung müssen auch Europaparlament und Mitgliedsstaaten zustimmen. Möglicherweise gibt die Volksvertretung ihr Votum bereits im April ab. Nach der offiziellen Zustimmung beider Institutionen tritt der Beschluss dann neun Monate nach Erscheinen im Europäischen Amtsblatt in Kraft. Kommt es nicht zu unerwarteten Verzögerungen, könnte dies bereits zum Jahresbeginn 2018 geschehen.