Seit über elf Jahren können wir Musik bei Spotify streamen. Und obwohl Deutschland ein konservativer Musikmarkt ist – fast 30 Prozent des Umsatzes der Musikindustrie entstehen noch durch CD-Verkäufe – ist auch bei uns das Streaming am umsatzstärksten. 2019 waren es erstmals über 107 Milliarden Abrufe (2018: knapp 80 Milliarden).
Weniger als einen Cent pro 1.000 Streams
Obwohl sich immer wieder Künstlerinnen, Künstler und Bands beschwert haben, dass sie weniger als einen Cent für jeden 1.000sten Stream ihrer Songs bekommen - die Musikindustrie ist sich eigentlich einig, dass das die Rettung war aus der großen Krise, als alle nur noch illegal ihre Musik aus dem Netz gezogen haben. Trotzdem entsteht Widerstand. Aber diesmal stehen nicht die Streaminganbieter im Zentrum der Kritik. Laut FAS haben sich nun Anwälte und Manager von Helene Fischer, Sarah Connor, Rammstein, Die Prinzen, Kelly Family sich an die großen Plattenfirmen gerichtet: Sony, Universal, Warner und BMG. Sie fordern mehr Geld pro Stream.
70 % Fürs Label, davon oft nur 20 % für die Künstlerinnen und Künstler
Eine Helene Fischer wird zwar nicht am Hungertuch nagen. Es geht hier aber um etwas Grundsätzliches: Gerechtigkeit. Die Manager meinen nämlich: Die Plattenfirmen kassieren zu viel vom Streaminggeld. Die Streamingdieste schütten nämlich um die 70 Prozent der Einnahmen an die Labels aus. Und was die mit dem Geld machen, wie viel sie den Prinzen und Connors abgeben, hängt von den Verträgen ab. Wie die aussehen: Weiß man natürlich nicht genau. Nur so viel: Es ist zu wenig, finden die Künstlerinnen und Künstler, laut Spiegel oft nicht mal 20 Prozent.
Bisher haben sich ja Bands und Musikerinnen und Musiker wie Taylor Swift oder Radiohead immer gegen die Streamingdienste gerichtet. Nun sind aber doch die Plattenfirmen "die Bösen". Es macht sich Unmut breit: Diese großen Stars haben ja wahrscheinlich auch noch ältere Verträge, als die Rolle der Plattenfirmen eben noch darin bestand, Musik zu distribuieren. Das war ja enorm teuer, die CDs und Platten zu pressen, in die Läden zu bringen, Werbung zu machen. Heute brauchen die Labels die erfolgreichen Bands vielleicht stärker als andersherum.
Es geht um eine faire Verteilung der Musikindustrie
Da hat sich also einiges angestaut hat und dieses Thema wird uns noch länger beschäftigen. Auch über den Brandbrief der "Altstars" hinaus. Laut FAS hat sich rund um dieses Schreiben schon eine ganze Initiative gegründet, eine Website ist wohl in Planung. Auch international wurde über dieses Schreiben berichtet: Music Business Worldwide berichtet, der britische Guardian auch. Und da zeigt sich: Es geht auch darum, dass Helene Fischer mehr Geld will, aber auch darum, wie fair und transparent wird das umgesetzte Geld der Musikindustrie verteilt. Und was kriegen da auch die noch unbekannteren Künstlerinnen und Künstler ab, die für musikalische Vielfalt sorgen.
Pro Rata oder User Centric?
Da ist man am Ende dann doch wieder bei den Streamingdiensten: Wie diese ihr Geld verteilen, ist enorm kompliziert:
Wenn ich einen Monat lang nur Thundercat höre, dann kommen eben keine 7 Euro, also der Ausschüttungsanteil von meinem Monatsbeitrag bei Thundercat beziehungsweise dem Label an. Jeden Monat wird der korrekte Anteil stattdessen neu nach einem Verteilungsschlüssel ausgerechnet. Pro Rata heißt dieses aktuelle Modell. Wer am meisten gestreamt wird, bekommt am meisten.
Wenn ich einen Monat lang nur Thundercat höre, dann kommen eben keine 7 Euro, also der Ausschüttungsanteil von meinem Monatsbeitrag bei Thundercat beziehungsweise dem Label an. Jeden Monat wird der korrekte Anteil stattdessen neu nach einem Verteilungsschlüssel ausgerechnet. Pro Rata heißt dieses aktuelle Modell. Wer am meisten gestreamt wird, bekommt am meisten.
In der Branche wird viel über die Alternative "User Centric"-Bezahlung gesprochen, an der auch der Streamingdienst Deezer derzeit arbeitet. Dabei geht es darum, dass Thundercat dann eben doch genau meine sieben Euro bekommen würde. Deezer ist aber noch dabei, Labels und Rechteinhaber von diesem System zu überzeugen.
Profitieren am Ende wieder nur die Großen?
Davon würde vor allem auch der Underground profitieren, hofft die Branche. Die Manager und Anwälte fordern nun ein Treffen Mitte Februar. Bisher zeigt sich nur BMG (Bertelsmann) offen, ohne aber einem Treffen Mitte Februar zuzustimmen.* Die geben sich sowieso ziemlich offen und modern. Vermutlich um Künstlerinnen und Künstler anzulocken, indem sie bessere Konditionen bieten. Im Guardian wird auch vermutet: das könnte einen Dominoeffekt geben.
Die Frage ist: für wen? Am Ende nur für die Großen oder werden eben auch die kleineren noch aufstrebenden Künstlerinnen und Künstler was abbekommen.
*Hier wurde die Aussage zur Haltung von BMG klargestellt.