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"Streberschlacht"
Wissenschaft als Kneipenquiz

Die "Streberschlacht" ähnelt dem Kneipenquiz - allerdings sind die Fragen ungleich schwerer, denn hier geht es um waschechte wissenschaftliche Materie. Interessierte Laien und Studenten können ihr Wissen testen - und bekommen am Ende der Fragerunde die Lösungen von echten Wissenschaftlern erklärt.

Von Tobias Krone |
    Ein Schulkind meldet sich im Unterricht mit gestrecktem Zeigefinger, aufgenommen am 19.01.2015 in Dresden (Sachsen). Foto: Thomas Eisenhuth | Verwendung weltweit
    Bei der "Streberschlacht" gewinnt das Team mit den meisten Punkten, aber im Grunde genommen gewinnen natürlich alle, wenn die Wissenschaftler die Fragen auflösen, heißt es. (dpa-Zentralbild / Thomas Eisenhuth)
    Moderatorin: "Ihre Minute startet ... jetzt!"
    Es ertönt ein Gong sowie treibende Countdown-Musik.
    An den Tischen des Kulturraums Degginger in der Regensburger Altstadt stecken sie die Köpfe zusammen: Sechs Teams müssen aus vier möglichen Antworten die wichtigste Eigenschaft eines Regelkreises herausfinden - in 60 Sekunden. Anja Tiede, 21, und Daniel Maurer, 26, liegen mit ihrer Gruppe namens "Junges Gemüse" in Führung. Aber diese Frage ist knifflig - und sorgt für eine Debatte zwischen den Beiden: Ist "Stabilität" wichtiger oder "gutes Nachfolgen der Ist-Größe entsprechend dem gewünschten Verhalten"?
    "Ich würde fast sagen, es ist das gleiche."
    "Nein, nein, nein. Stabilität verändert sich nicht und gutes Nachfolgen ist, wenn Z..."
    "Zwei Sekunden."
    "Entscheidung, Entscheidung."
    "Sagen wir C."
    "Finde ich nicht."
    Wissenschaft popularisieren
    Die Materie - ist etwas speziell, aber schließlich ist das hier auch die "Streberschlacht". Zum Glück sind sowohl Anja als auch Daniel Techniker - auch, wenn die Regelungstechnik-Vorlesung noch vor ihnen liegt. Beide studieren an der Ostbayerischen Technischen Hochschule, kurz OTH, Regensburg. Über Flyer und Facebook sind sie zufällig auf die Veranstaltung gestoßen. Organisiert hat sie Vanessa Krogmann, Pressesprecherin am Haus der Wissenschaft in Braunschweig. Mit der Streberschlacht tourt sie in diesem Jahr durch Deutschland.
    "Die Streberschlacht wurde vor einigen Jahren von einer Praktikantin im Haus der Wissenschaft entwickelt. Und das Vorbild ist ganz klar das Kneipenquiz. Und unser Ziel ist einerseits, dass wir zu unseren wissenschaftlichen Veranstaltungen immer ein breites Publikum einladen können, eine breite Öffentlichkeit einladen und interessieren können. Und zum anderen möchten wir Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen die Möglichkeit geben, ihre Forschung und ihre Forschungseinrichtungen und ihre Themenbereiche vorzustellen."
    Von dieser Möglichkeit macht OTH-Professorin Birgit Rösel dann auch ausgiebig Gebrauch. Sie hat die Aufgaben zur Regelungstechnik konzipiert - und beantwortet sie danach mit ihrer Vorerfahrung aus der Industrie.
    "... und dann bauen Sie diesen Prototypen tausendmal, und dann merken Sie: Manchmal geht's, manchmal geht's nicht."
    Folgerichtig ist für einen Regelkreis Stabilität die wichtigste Eigenschaft. Anja, Daniel und ihre sechsköpfige Gruppe haben richtig getippt.
    "Nice!"
    "Sehr schön."
    "Wir haben vier haben vier Punkte, glaub ich."
    Daniel kennt das Prinzip Kneipenquiz schon. Besucher tun sich zu Teams zusammen und beantworten gemeinsam Fragen. Allerdings nicht so schwierige wie hier.
    "Da geht es halt viel mehr um Gebäudenamen und wie viel Einwohner in welchen Ländern... Es ist nicht so wirklich fachspezifisches Zeug. Da kann jeder mitraten - und hier ist ja wirklich... entweder, du hast ein bisschen Ahnung, oder du bist halt raus."
    Wissensquiz rund um Medizininformatik und Medizininformatik
    Letzteres erleben die Technikstudierenden in einem späteren Frageblock. Hier stellt ein Sozialpsychologe Fragen zu Organisations- und Systemtheorie. Hier müssen sie Punkte lassen. Doch die Mischung macht das Konzept aus, sagt Veranstalterin Vanessa Krogmann. In diesem Jahr hat sie alle Streberschlachten locker um ein Thema drapiert.
    "Wir möchten die Themen der Arbeitswelten der Zukunft, zum Beispiel Digitalisierung, künstliche Intelligenz - aber bei anderen Streberschlachten hatten wir auch um Medizininformatik. Oder es wird in Zukunft auch um Medizininformatikgehen. Also: Wie gingen die Menschen im Mittelalter mit ihrer Arbeitswelt der Zukunft um?"
    Zu diesem Thema stellt Organisationspsychologe Peter Fischer von der Uni Regensburg - neben seinen Quizfragen - spannende Erkenntnisse in den Raum. Zum Beispiel zur Ersetzbarkeit von Ärzten durch Computer.
    "Radiologen wird's bald nicht mehr geben, denn das, was fünf Radiologen in zwei Stunden machen, macht IBM Watson in zwei Minuten."
    Am Ende des Abends wird die Gruppe "Junges Gemüse" Zweiter. Die Studierenden Anja und Daniel ziehen ein positives Fazit.
    "War informativ und es gabe ein bisschen Rätselspaß - das hat schon gepasst."
    "Ja, man hat coole neue Leute kennengelernt. Wir haben uns einfach zusammengesetzt und gesagt: Lass uns ein Team bilden! Das war echt lustig."