Ratten in der U-Bahn - als Banksy-Streetart sind sie weltweit aufsehenerregend. Ratten mit Mundschutz als Fallschirm, und eine niest einen Farbklecks an die U-Bahntür. Dazu die Songzeile "I got locked down, but I get up again" aus einem Chumbawamba-Song, als Anspielung auf Corona. "Aber für mich hat dieses Werk nicht nur die Aussage: Tragt einen Mundschutz!, sondern es ist auch eine Verbeugung vor Grafitti in der U-Bahn," sagt der Banksy-Experte Ulrich Blanché im Corsogespräch.
Die Banksy-Werke seien vielschichtig und funktionieren für jede Generation anders. Der neue Bildband von Xavier Tapiers "Banksy Provokation", der gerade auf Deutsch erschienen ist, provoziere ihn, da die Texte nicht immer der aktuellen Forschung entsprächen. Deutlich werden dagegen die Hauptthemen von Banksy: etwa die zunehmende Überwachung, der Israel-Konflikt, die Kriegslust der Mächtigen, dargestellt in sehr provokanten, aber vor allem sehr pointierten Bildern.
Anti-Geste gegen das eigene Werk
Aber Banksy habe durchaus schon einmal daneben gegriffen. So sei das bekannte Bild "Girl with balloon", das bei seiner Auktion 2018 zum Teil automatisch zerschreddert wurde, eines seiner schlechtesten Werke, urteilt Ulrich Blanché: "Es gibt Bilder, die sind so weit auslegbar, dass sie sozusagen so tief in den Zuckergußkitsch reingefallen sind, obwohl sie aus einem sehr ernsten Kontext kommen." Im Fall des zerschrederten Aktionsverkaufserfolges gehe es zum Beispiel auf eine Trilogie zurück, die den ersten Irakkrieg anprangere. Banksys Schredderaktion interpretiere er so, dass es die einzige Möglichkeit war, dieses Bild zu retten.
"Es ist auf dem Unteram von Justin Bieber tätowiert oder in einem Film von Woody Allen und wurde dadurch unglaublich bekannt. Aber es ist eigentlich eine tragische Geschichte." Deshalb habe Banksy selbst vor kurzem in Bristol eine Reprise gemacht, wo ein Mädchen einen Ballon mit einer Schleuder zerplatzen ließ. "Was für mich auch eine Anti-Geste gegen das eigene, völlig verkitschte Motiv ist."
Zwischen street credibility und Kunst-Establishment
Als Streetart-Künstler gehöre er zwar längst zum Kunst-Establishment, aber er bespiele den Kunstmarkt als Bühne. "Banksy ist Teil des Kunstmarktes, aber er ist es auch nicht. Banksy ist ein weltbekannter Künstler, der momentan nicht von einer Galerie vertreten wird. Wenn Sie einen Banksy kaufen wollen, kaufen Sie ihn immer second hand." Andereseits schleuse er Gerüchten zufolge seine Werke immer wieder auf den Kunstmarkt ein, wie zum Beispiel das Schimpansen-Parlaments-Gemälde, dass einen Rekordpreis erzielte.
In der Streetart-Szene sei Banksy ein Richtwert, und auch wenn ihm die Szene eigentlich egal sei, gehe es ihm doch um "street credibility". Wichtig sei ihm nicht, die Kunstwelt davon zu überzeugen, dass seine Werke Kunst seien, sondern darum, "die Grafitti-Writer davon zu überzeugen, dass, was er macht, noch Grafitti oder Street Art ist."
Grenzen ausloten
Dass die Banksy-Ratten in der Londoner U-Bahn längst verschwunden sind, zeige die Zwickmühle, in den Banksy die London Transport Authority gebracht habe, weil sie seine Arbeit nicht stehen lassen könne, während sie alle anderen Tagger, Grafitti-Writers und Street Artists entfernen würde. "Genau an dieser Grenze operiert er. Das ist ein Hauptaufgabengebiet von Banksy, nämlich Grenzen auszuloten."
Äußerungen unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Xavier Tapiers: "Banksy Provokation"
Midas Collection, Zürich 2020
232 Seiten, 39 Euro
Midas Collection, Zürich 2020
232 Seiten, 39 Euro