Bunte Gesichter schauen von der Fassade auf die Straße. Die deutsche Street-Art-Künstlerin Bona Berlin sprüht gerade die letzten Details an die Wand. Sie ist eine von 20 Künstlern beim internationalen Street-Art-Festival in Kapstadt. Das Thema in diesem Jahr lautet: "Generation Next."
"Mein Motto ist 'Together we are more', und eigentlich geht es in meinem Bild darum, um Diversität. Aber dann halt trotzdem, dass jeder unterschiedlich ist, jeder was von jemandem anderes lernen kann. Aber dass wir halt trotzdem alle eigentlich auch gleich sind."
Mit Street-Art gegen soziale Übel
Es ist eine Botschaft, die den Südafrikanern vertraut ist – und ein Ideal, das bislang noch nicht erreicht ist. Ebenso wie ein gerechter Zugang zu Bildung, fügt Bongani Mahlati hinzu, ein südafrikanischer Künstler, der um die Ecke an seinem großen Wandbild arbeitet. Es zeigt einen Vater, der seinen Sohn gen Himmel hebt.
"Es gibt viele Probleme in unserer Gesellschaft. Ich spreche vor allem Väter an, die nicht für ihre Kinder da sind. Die Erziehung der Straße überlassen, statt Vorbilder zu sein. Wir müssen unsere Kinder fördern und im übertragenen Sinne emporheben, damit unsere Söhne einmal bessere Männer werden."
Salt River, das Viertel, in dem das Festival stattfindet, ist ein altes Arbeiterviertel. Als die Fabriken in der Gegend dicht machten, zogen Kriminalität und Drogenhandel ein. Street-Art wurde von vielen Bewohnern zunächst mit diesen sozialen Übeln assoziiert, erzählt Alexandre Tilmans, der Gründer der Festivals. "Gegen dieses Image kämpfen wir an. Wir beweisen, dass Street-Art schön und positiv sein kann und dass sie Kunst ist. Seit dem ersten Festival vor drei Jahren beobachten wir, dass diese Botschaft langsam ankommt. Die Leute sind stolz auf die Bilder in ihrer Nachbarschaft und das Interesse, das sie wecken. Die Gegend ist sicherer und sauberer geworden."
Die Anwohner bestimmen mit
Mittlerweile gibt es in fast jeder Straße Street-Art, die immer in Absprache mit den Anwohnern entstanden ist, bestätigt Nadia Agherdine, die seit Jahrzehnten in Salt River lebt. Das sei besonders wichtig. Zum einen angesichts der beginnenden Gentrifizierung, zum anderen vor dem kulturellen Hintergrund des Viertels.
"Es ist eine alte Nachbarschaft, in der zu 80 Prozent Muslime leben. Ich freue mich daher besonders über zwei neue Werke: Einmal die arabische Kalligraphie direkt gegenüber der Moschee. Und über das Bild eines Jungen vor einem Bücherregal. Denn genau an dieser Stelle gab es vor etwa zwanzig Jahren eine mobile Bücherei. Das Bild ist fast prophetisch, denn der Künstler hatte davon keine Ahnung."
Die zunehmende Akzeptanz der Einheimischen erlebt auch Bona Berlin bei ihrer Arbeit. Sie hat nicht nur die Mauer verschönert, sondern auch ein Schrottauto davor - mit dem Segen der Nachbarn.
"Der erste Eindruck war, dass ich hier in der Community wie so ein bunter Vogel, aber total offen und herzlich aufgenommen wurde. Also die Nachbarn kommen immer vorbei und fragen mich, ob ich Tee möchte, oder auf die Kinder aufpassen kann, oder ob die Kinder mit malen dürfen, was total viel Spaß gemacht hat."
Warum gibt es nicht mehr Street-Art am Kap?
Verwundert ist die deutsche Künstlerin darüber, dass ihr in Kapstadt, jenseits der bunten Straßen von Salt River, nur wenig Street-Art begegnet ist. "Also es gibt hier sehr, sehr wenig Graffiti, sehr, sehr wenig Paste-ups, sehr, sehr wenig Taggings. Klassische Streetart ist ja oft auch Paste-ups, also wild plakatierte Poster, die ich zuhause auch super gerne klebe und von denen ich auch ein paar mit habe, sieht man hier halt gar nicht."
Der Grund dafür sind die restriktiven Gesetze am Kap, erklärt Bongani Mahlati, der im, was Street-Art betrifft, liberaleren Johannesburg lebt: "Dort sind wir freier. Selbst die illegalen Sprayer arbeiten tagsüber. Viele Hausbesitzer erlauben uns aber auch, ihre Mauern zu bemalen. Eine Genehmigung von der Stadt braucht man dafür nicht. Anders, als hier in Kapstadt. Seit Jahren gilt hier ein Gesetz, dass Street-Art für illegal erklärt, wenn die Verwaltung sie nicht abgesegnet hat. Das ist Gift für die Szene. Tags und Throw-ups werden sofort wieder übermalt."
Wer erwischt wird, muss hohe Geldstrafen bezahlen. Deshalb musste das Festival für jedes der Bilder die Erlaubnis der Stadt einholen. Aber der Aufwand lohnt sich. Triste Fassaden von Schulen, Geschäften und Wohnhäusern sind nun ein Stück Kunst. Das Viertel lebt auf und wird bunter.