"Wir dürfen ja nicht vergessen, woher Street Art kommt. Die kommt von Graffiti. Und Graffiti – vielleicht auch eine Parallele – war auch eine Art Rebellion."
Und ist es immer noch. Wenn auch nicht mehr ganz so brandneu, in der Aussage und in der Ästhetik. Auch Toni Spyra soll angeblich mal, als Teenager im Ruhrgebiet, irgendwo illegal Wände getaggt haben. Wer fragt noch danach? Old School – New School: Aus Graffiti wurde Street Art.
"Street Art beruht ja einfach darauf, dass es on Point ist. Dass die Leute das sofort verstehen, dass sie keinen Galeristen oder Künstler brauchen, der denen das erklärt."
Und das schreit geradezu danach, von Toni Spyra karikiert zu werden. Wir sehen: einen Kandelaber, schön aufpoliert - silbrig glänzend mit drei Kerzenarmen, der ganz gut zu einem festlich gedeckten Tisch passt. Wir denken uns eine Puccini-Arie dazu und wären in einem Pasta-Werbespot. Doch die drei Kerzen - in schalem Pommes-Gelb gehalten - formen diesen signifikanten Buchstaben "M", das Logo des Schnellrestaurants mit dem miserablen Image. Fast Food – Slow Food: Hier beißt sich allemal etwas.
"Eigentlich steht bei mir am Anfang jeder Arbeit irgendein Problem, klingt traurig, weil die Sachen alle recht humorvoll sind, aber zugrunde liegt immer ein Problem."
Wohl auch der Typ Künstler, bei dem das Glas immer eher halb leer ist, denn halb voll: vom gebauten Kalauer bis zum in Szene gesetzten philosophischen Abgrund. Eine Spielplatz-Wippe hat er zum Duchamps'schen Ready-Made gemacht. Daran ist eine Schwimmbad-Leiter angebracht. Nach dem Aufstieg kippt das Ganze selbstverständlich jäh ab ins Nichts. So ist das mit der Schwerkraft. Und dass damit – wenn zwei Treppen ganz paradox aufeinander zulaufen, oder wenn ein schwerer Boxtraininingssack statt einer Schaukel an einer Kinderspielplatz-Schaukel hängt – immer auch soziale Abstiege, Aufstiege gemeint sind, liegt auf der Hand.
"Da hab ich mich auch mit der Gewaltproblematik auf Schulhöfen auseinandergesetzt. Die ursprüngliche Schaukel, das ist Leichtigkeit, man wird angeschubst, man schwingt hin und her, es hat was von kindlicher Leichtigkeit und Spielen. Und ich hab´s durch was Massives, was Aggressives ersetzt: ein Boxsack, der für Aggressivität steht, für Training, für Durchsetzung."
Spitzen gegen die Ellbogen-Gesellschaft. Aber andererseits: ohne Biss geht auch nicht viel! Symptomatisch für die Arbeiten von Toni Spyra: Sie sind mehrdeutig, kommen uns einentags so und anderentags so vor, wenn wir an ihnen vorbei laufen. Kunst für alle in einem demokratisierten Kunstbetrieb, Visionen seit Wolf Vostell und Joseph Beuys um 1970, eine weitere Tradition, die Spyra oft einbaut. Old School – New School:. Es gebe da aber schon einen Unterschied von damals zu heute:
"Ich glaube aber auch, dass der Trend durch das Internet kommt, weil viele Leute partizipieren können, durch Fotos, durch soziale Netzwerke. Das ist eine Kunst, da kann sich jeder anschließen, jeder kann kuratieren, jeder kann einen Blog führen."
Von der Bildsprache her eignen sich Toni Spyras Werke nachgerade ideal dazu, als kommentierwürdige Sinnbilder durch die sozialen Netzwerke gehypt zu werden. Wo auch die meisten Aufnahmen seiner Kunstwerke zu finden sind. Er selbst bleibt inkognito. Allenfalls etwas Ausschnitthaftes mit einer Mütze – also wieder diese vermummt-verschleierte Graffiti-Existenz - finden wir als Foto von ihm im Netz. Willst du gelten? Mach Dich selten! Das gehöre schon auch zu einem Street Art Gesamtkunstwerk dazu, meint Toni Spyra. Wir können, sollen denken: Wer ist dieser Typ mit den witzigen Installationen?