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Streetart
Credibility in der Bundeskunsthalle Bonn

Graffiti sind inzwischen museumsreif geworden. Das Graffiti & Street Art Festival in der Bundeskunsthalle Bonn hat 14 Künstler ihre Werke an die Wände sprühen lassen. Allerdings nicht die Wände des Museums, sondern auf die Reste der gerade abgebauten Lagerfeld-Ausstellung.

Von Sabine Oelze |
    Luftaufnahme der Bundeskunsthalle und des Hauses der Geschichte in Bonn
    Luftaufnahme der Bundeskunsthalle und des Hauses der Geschichte in Bonn (picture alliance / dpa / Thomas Muncke)
    "Ich arbeite Details aus, die zu einem Raster gehören und dieses Raster soll mittels einer Schattierung so aussehen als würde es über der Wand hängen, als ob es schwebt. So der Trompe l'Oeil-Gedanke."
    Il-Jin Atem Choi, weißes T-Shirt, schwarze Jeans, sprüht nicht, er zeichnet mit der Spraydose: diagonale, waagerechte und senkrechte schwarze Linien. Noch ist sein Raster auf der betongrauen Wand nicht fertig. Es erinnert an ein Op-Art-Werk, das mit der Wahrnehmung des Betrachters spielt, kein typisches Graffiti, also. Il-Jin Atem Choi ist kein Streetart-Künstler, der heimlich an Wände sprüht.
    "Ich bin nicht so das kriminelle Genie. Muss man ja nicht sein, aber könnte man auch. Hätte ich nichts gegen."
    Sprühen auf den Überresten der Karl-Lagerfeld-Ausstellung
    Hall of Fame heißt der öffentliche Raum, in dem Street-Art-Künstler legal arbeiten dürfen. Die Bundeskunsthalle gibt für das Festival nicht ihre heiligen weißen Wände frei, sondern stellt die Überreste der Karl-Lagerfeld-Ausstellung zur freien Verfügung. Der Pariser Modezar präsentierte hier in einer Boulevardatmosphäre Streetart-Mode. Nach der Mode kommt nun die Street Art selbst. Das Verblüffende: Der Besucher fühlt sich tatsächlich wie auf einer echten Straße. Allen Gretzki, einer von zwei Kuratoren des Festivals:
    "Es ist Sichtbeton, sieht aus wie echter Beton und auch die Künstler haben erst nach zehn Minuten gemerkt, das ist ja Folie, das ist bedruckte Fototapete."
    So verwandelt sich die Fake-Kulisse in der Bundeskunsthalle zur Hall of Fame auf Zeit. Allerdings geht der anarchische Aspekt der Street Art verloren. Gratis, öffentlich, für alle zugänglich wird sie nicht präsentiert. Besucher müssen Eintritt zahlen. Street Art im Museum. Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
    "Es ist kein Widerspruch, wenn man es authentisch hält. Wir machen nicht nur Bildchen, die gerahmt sind an der Wand, wir machen hier echtes Graffiti. Wir lassen an den Wänden sprühen", sagt Allen Gretzki.
    Writer und Muralists
    Die Kuratoren haben sich auf zwei Genres der Straßenkunst konzentriert: die Writer und die Muralists:
    "Die Writer sind die Stylewriter, die Buchstaben gestalten, das kommt aus dem Graffitibereich, das Writing, das Schreiben. Die Streetartists sind nicht nur die, die nur Schablonen machen, die malen mit Pinsel und Farbe und sind dann die Muralists."
    Beim neunköpfigen Franzosen-Kollektiv "Jean Spezial" ist die Zuordnung nicht so einfach. Nicolas Baromme steht mit Pinsel und Klebeband in der Hand hoch oben auf der Leiter.
    "Ich bin gerade dabei einen Strohhalm zu malen, der in einem Cocktailglas steht. Oben ist der Strohhalm weiß, aber wenn er in dem blauen Getränk steht, ändert sich seine Farbe. Das bereite ich gerade vor."
    Die Mitglieder von "Jean spezial" arbeiten wie Illustratoren. In der Bonner Kunsthalle sprühen und malen sie Gegenstände wie Vasen, Cocktailgläser und Vorhänge an die Wand.
    Nach zehn Tagen verschwindet die Kunst wieder
    Dass ihr Werk in zehn Tagen wieder verschwindet, stört sie nicht. Streetart ist ein kurzlebiges Geschäft, sagt Nicolas Baromme. Auch er sieht sich nicht als Rebell, der den Kick des Illegalen sucht.
    "Ich habe noch nie Graffiti auf Züge gesprüht. Das interessiert mich nicht. Für mich sind das hier große Gemälde, aber eben auf der Wand. Dass wir Street Art im Museum machen, stört mich nicht, aber ich verstehe, dass einige das kritisch finden."
    Die Spanierin Aida Gomez genießt es, die Wand für sich allein zu haben. Sie zählt zu den "Writern". Seit Tagen malt sie Buchstaben an die Wände der Bundeskunsthalle.
    "Das Spiel heißt: Buchstabensalat. Die Besucher müssen aus den Buchstaben Wörter zusammensetzen: Da steht Essen, Familie, Schokolade. Aber es tauchen auch Wörter auf, die ich gar nicht beabsichtigt habe."
    Street Art ist im Mainstream angekommen. Viele Sprayer scheinen mit Subversion und Subkultur nicht mehr so viel am Hut zu haben. Dafür sorgen sie für Street Credibility in den Museen.