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Streik der Erzieher
Was tun, wenn die Kita dicht macht?

Hunderttausende Eltern müssen sich von Freitag an auf unbefristete Streiks in den kommunalen Kitas einrichten. Viele Mütter und Väter stehen deshalb jetzt vielleicht über Wochen ohne eine dringend benötigte Kinderbetreuung da. Allerdings gibt es Alternativen - von der Tagesmutter bis zum unbezahlten Urlaub.

Von Jörg Sauerwein |
    Kita-Mitarbeiter in München stellen sich auf Plakaten dar als "Familienfriedensretterin", "Traumabewältiger", "Gewaltopferschützerin" u.a.
    Wegen Warnstreiks der Erzieherinnen an kommunalen Kitas bleiben ab Freitag viele Kitas erst mal zu. (imago / Michael Westermann)
    Kirsten Kimmich ist in Eile. Gerade hat sie ihre beiden drei und fünf Jahre alten Söhne in eine Troisdorfer Kita in der Nähe von Bonn gebracht. Jetzt muss sie zur Arbeit nach Frankfurt. Die anstehenden Streiks sind für sie und ihren Mann "eine Katastrophe. Wir sind beide vollzeitbeschäftigt und haben momentan noch keine Ahnung, wohin mit den Kindern."
    Paragraf 616 im Bürgerlichen Gesetzbuch könnte da eigentlich helfen. Denn der sieht vor, dass Eltern bei persönlichen Verhinderungsgründen für einige Tage zu Hause bleiben können. Das ist das kranke Kind, das betreut werden muss, könnte aber durchaus auch ein Streik sein, bestätigt der Bonner Fachanwalt für Arbeitsrecht Thomas Regh:
    "Aber Vorsicht! Diese Vorschrift gilt nur für einen vorübergehenden Zeitraum und auch nicht für alle Arbeitnehmer. Diese Vorschrift kann auch im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden und auch tarifvertragliche Regelungen können diesen Anspruch einschränken, beispielsweise auch im Öffentlichen Dienst so geschehen."
    Den Arbeitsvertrag prüfen
    Deshalb die Empfehlung: Mit dem Chef sprechen und den Arbeitsvertrag prüfen. Wobei es allerdings sowieso nur um einige Tage gehen könne, so Regh. Mehrere Wochen müsse der Arbeitgeber niemanden freistellen und wenn er es trotzdem tut, muss er dafür keinen Lohn zahlen. Viele Eltern bekommen momentan den Tipp: Nimm doch eine Tagesmutter. Da allerdings kann die Troisdorfer Tagesmutter Regina Tenhaef nur müde lächeln.
    "Meine Plätze sind alle besetzt. Die Anfragen sind da - aber keine Kapazitäten frei. Und ich kenne auch keinen hier in der näheren Umgebung, die noch Kapazitäten haben."
    Und selbst wenn noch ein paar Plätze frei sind: Im benachbarten Köln können zum Beispiel nur rund 2.000 Kinder in Kita-Notdiensten betreut werden - von insgesamt knapp 17.000, die in den 230 städtischen Kitas untergebracht sind. So viele Tagesmütter gibt es gar nicht. Was also tun? Urlaub nehmen?
    "Einzelne Tage sicherlich möglich, aber ich habe vor Kurzem erst angefangen nach drei Jahren Elternzeit wieder zu arbeiten. Wenn ich da jetzt ankomme, ich brauche über längere Zeit Urlaub, werden die mir wahrscheinlich auch was anderes erzählen."
    Trotzdem können Urlaubstage eine Lösung sein, rät der Arbeitsrechtler Thomas Regh. Selbst, wenn der Chef erst mal sagt: Urlaub, das passt gerade gar nicht.
    "Denn auch der Arbeitgeber hat ja die Pflicht, auch die Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Auch er muss unter Umständen organisatorische Maßnahmen treffen, um dem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers nachzukommen. Das heißt, hier wird man unter Umständen eine Lösung finden können, indem beispielsweise zunächst ein paar Tage gewährt werden."
    Kein rechtlicher Anspruch auf unbezahlten Urlaub
    Auch unbezahlter Urlaub kann eine Lösung sein, einen rechtlichen Anspruch darauf hat man allerdings nicht - genauso wenig darauf, die Kinder mit zur Arbeit zu nehmen. Auch hier kann der Arbeitgeber schlicht "Nein" sagen. Bei Katharina Kaschulla würde das sowieso nicht funktionieren. Sie ist freie Hebamme und ihr Mann ist ebenfalls selbstständig. Bei allem Verständnis für die Erzieherinnen ärgert sie sich, dass sie für ihre zwei Söhne fast 300 Euro für Kita und Mittagessen bezahlt und dafür jetzt keine Leistung bekommt.
    "Die hätte ich auch gerne wieder. Weil die Leistung ist nicht erbracht. Und wenn ich nicht arbeiten gehe, verdiene ich auch kein Geld. Und ich werde in der Zeit, wo meine Kinder zu Hause sind, nicht so arbeiten können, wie ich sonst arbeiten würde, und das heißt für jeden Hausbesuch, den ich nicht leiste, eine ganze Menge weniger Geld."
    Peter Sonnet, Sprecher der Stadt Troisdorf, dämpft da allerdings schon jetzt die Erwartungen:
    "Da gibt es keine Möglichkeit, Geld zu erstatten bei diesen Kita-Beiträgen. Das wäre für die Stadt ein großer Verlust. Also das können wir uns eigentlich nicht leisten."
    Ähnlich sehen das auch andere Kommunen. Einen juristischen Anspruch auf eine teilweise Rückerstattung der Kita-Beiträge habe man erst, wenn die Kitas mindestens 24 Tage am Stück schließen, heißt es zum Beispiel von der Stadt Köln. Allerdings gebe es Überlegungen, den Rat der Stadt beschließen zu lassen, je nach Streikdauer zumindest einen Teil der Beiträge zurückzuzahlen. Jede Kommune entscheidet da auch nach Kassenlage. Anders ist die Lage beim Geld für das Frühstück oder Mittagessen. Das ist vertraglich meistens extra geregelt und Eltern können das Geld für die nicht erbrachten Leistungen nach den Streiks zurückfordern.