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Streik der klugen Köpfe

Beim Streik der US-Drehbuchautoren geht um das viele Geld, das Sender und Produzenten mit neuen Formen einer Verwertungskette verdienen, die früher nur aus Kino, Video, Pay-TV und Fernsehen bestand. Seit einigen Jahren nun wurde sie um die Wunderscheibe DVD und kürzlich auch durch Internet Downloads erweitert. Während der Umsatz auf DVD meist viel höher ist als bei der reinen Kinoauswertung, bekommen die Autoren etwa 4 Cent pro verkaufter DVD.

Von Jörg Taszman |
    In Deutschland erregte die Hartnäckigkeit einer kleinen Lokführergewerkschaft seit Monaten die Gemüter. Noch verwunderter sind derzeit Amerikaner, die zum ersten Mal wegen eines Streiks auf die große Gala der "Golden Globes" verzichten müssen. Das ist nach der Oscarverleihung die wichtigste Veranstaltung der Film- und Entertainmentbranche.

    Die USA gelten allgemein als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, als das Mekka des westlichen Kapitalismus. Streiks, die das gesamte Land lahmlegen, kennt man dort nicht. Und doch sind einige Gewerkschaften in gewissen Branchen sehr mächtig, wie der monatelange Streik der WGA "Writers Guild of America" beweist. Der WGA steht die noch viel mächtigere Produzentenvereinigung "Alliance of Motion Picture and Television Producers" AMPTP gegenüber, der im übrigen auch die großen Hollywoodstudios wie Warner Brothers, 20th Century Fox oder Disney angehören.

    Es geht um das viele Geld, das Sender und Produzenten mit neuen Formen einer Verwertungskette verdienen, die früher nur aus Kino, Video, Pay-TV und Fernsehen bestand, seit einigen Jahren aber um die Wunderscheibe DVD und kürzlich auch durch Internet Downloads erweitert wurde. Während der Umsatz auf DVD meist viel höher ist als bei der reinen Kinoauswertung, und sich auch TV- Serien wie "24" oder "Desperate Housewives" millionenfach verkaufen, bekommen die Autoren nur in etwa 4 Cent pro verkaufter DVD.

    Natürlich stellt sich zunächst die Frage: Wie können Drehbuchautoren, von denen einige Topverdiener mit Gagen im siebenstelligen Bereich sind, so einfach streiken? Die WGA vertritt ebenso unbekannte Gag-Schreiber für die Late Night Shows der großen Networks wie Autoren oder Script Doktoren, die im Abspann oft nicht einmal genannt werden. Die wenigen überdurchschnittlich gut bezahlten Stars der Branche geraten nun ins Rampenlicht ,so wie Akiva Goldman, der Oscarpreisträger von "A Beautiful Mind" der seit langem auch als Produzent tätig ist und derzeit mit dem Hollywoodhit "I am Legend" mit Will Smith einen weltweiten Kassenknüller landete. Anfang der vergangenen Woche, kurz vor der Absage der Golden Globe-Verleihung, äußerte sich Akiva Goldman in Berlin zum Streik der Autoren.

    "Der Autorenstreik ist verheerend für alle in Hollywood, aber der Streik ist auch notwendig. Copyright und die Bezahlung für das Streaming von Medien sind völlig durcheinander geraten. Da ist ein Geldfluss, der von Shows und Films kommt, die ins Internet gestellt werden. Und von diesem Geld bekommen die Autoren nichts ab. Die Technologien verändern sich sehr schnell. Und in naher Zukunft schreibt man für einen Film, und dieser Film wird jedem PC oder I phone 24 Stunden am Tag zugänglich gemacht. Jeder kann sich das dann so oft anschauen, wie er will. Für die Ehre, das geschrieben zu haben, erhält man dann einmalig einen Scheck über 250 Dollar. Dafür haben wir kein Verständnis. Es geht also um einen bitteren Streit über noch nicht allzu viel Geld heute, weil es Streaming derzeit kaum gibt, aber es wird eine Rieseneinnahmequelle in der Zukunft sein. "

    Unter dem Streik hat bisher vor allem das Fernsehen gelitten. Die aktuellen Staffeln von "Desperate Housewives" oder "24" wurden unterbrochen oder abgesagt. Sehr schnell betroffen waren die Talkshows und Comedy Sendungen, die zwei Monate lang nur Wiederholungen sendeten oder ganz ausfielen. Am 2.Januar konnte dann die Autorengewerkschaft einen ersten, kleinen Triumph feiern. Der CBS Late Night- Talker David Letterman ging wieder auf Sendung. Seine Produktionsfirma "Worldwide Pants" hatte sich mit der WGA geeinigt. Letterman selbst zeigte sich mit Vollbart und in bester Laune. Den Streik nutzten er und seine Autoren zu viel Selbstironie.

    "Übrigens Ladies and Gentlemen. Sie sehen die "Late Show”, die einzige Show mit Witzen, die von Autoren geschrieben werden, die der Gewerkschaft angehören ... Also, um sie auf den aktuellen Stand zu bringen, da ist ein Autorenstreik der WGA im Gange, der dazu führte, dass wir 2 Monate lang nicht auf Sendung waren. Nun denken Sie bestimmt. So ein Mist wird geschrieben ?? Ja! Aber hier ist der Deal. Wegen des Streiks werden wohl viele Preisverleihungen nicht stattfinden können. Ja so ist das. Also da kommt richtig was Gutes bei heraus."

    Der Autorenstreik ist nicht der erste in Hollywood. Der letzte - im Jahr 1988 - kostete damals 500 Millionen Dollar und dauerte 22 Wochen. Die Animositäten zwischen Produzenten, Hollywoodstudios und Drehbuchautoren begannen jedoch bereits zu Beginn der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Solange die Filme noch stumm waren, also ohne Dialoge, sondern nur mit Zwischentafeln auskamen, brauchte man in Hollywood keine Dialogschreiber. Experimente mit dem Tonfilm hatte es immer wieder gegeben, aber das Publikum wollte lange Zeit lieber einen gutgemachten Stummfilm sehen, als schlechte Tonqualität, die so oft auch noch asynchron abgespielt wurde. Die sogenannten Majors, also Warner Brothers und MGM, glaubten nicht an den Durchbruch des Tonfilms bis 1927 im Oktober "Der Jazzsänger" erschien mit dem populären Al Jolson in der Hauptrolle.

    "Der Jazzsänger" war eine Mischform aus Stumm- und Tonfilm. Dialoge gab es noch nicht, dafür aber einen durchgehenden Musiksoundtrack, der nicht wie üblich von einem Filmorchester oder Pianisten live eingespielt wurde, sondern von einer Schallplatte lief. Nur wenn Al Jolson sang und kurz davor oder danach ein paar Worte sagte, hörte man seine Stimme, aber allein das war eine Revolution. Es dauerte nur wenige Monate und der Stummfilm war tot. Nach zwei Jahren hatte das Publikum jedoch genug von den vielen Musicals und wollte richtige "Talkies".

    Jetzt hatten die Studios ein Problem, und sie engagierten die New Yorker Autoren vom Broadway, die Dialoge schreiben konnten. Da die Filme wegen der riesigen und lauten Kameras und Tonaufnahmegeräte wieder statischer wurden und es die vielen Kamerafahrten und Schnitte nicht mehr gab, kam es immer mehr auf gut geschriebene Dialoge an.

    Die Studiobosse der Westküste wie Jack Warner, Louis B. Mayer oder Irvin Thalberg kamen jedoch mit den als linksliberalen und kompliziert verschrieenen New Yorker Autoren nicht klar. Marc Norman, der als Autor für "Shakespeare in Love" einen Oscar erhielt, veröffentlichte im Oktober 2007 das Sachbuch: "What happens next: A History of American Screenwriting". Dort beschreibt er, wie schlecht Drehbuchschreiber lange Zeit behandelt wurden.

    "Es war eine Hochzeit, die auf dem falschen Fuß begann. Ein Autor in New York zu sein, das bedeutete etwas in der damaligen Zeit. Aber in Hollywood war das vollkommen unwichtig. Sie wurden alle gut bezahlt, aber die Film-Mogule sahen zwischen ihren Drehbuchautoren und Zimmermann, der für sie die Filmbauten und Dekorationen entwarf keinen wirklichen Unterschied."

    Erste Konflikte gab es bereits 1933 und 1934. Louis B. Mayer vom Studio MGM zwang seine Mitarbeiter, 50 Prozent weniger Gage zu akzeptieren, und sein Produktionsleiter Irvin Thalberg bedrohte streikwillige Autoren mit folgenden Worten:

    Wenn ihr diesen Streik wirklich fortführt, werde ich das Studio schließen, die Tore mit Schlössern sichern und das ist dann das Ende von MGM Produktionen. Und ihr alle, ihr Schreiber und Autoren, seid diejenigen, die dafür verantwortlich sind.
    So wurden erste Schlachten von den Studios gewonnen und den Autoren sogar eine eigene Interessenvertretung verwehrt. Der Tonfilm brachte aber mehrere Veränderungen mit sich. Viele Stars aus der Stummfilmzeit hatten einfach nicht die Stimme, um weiter Erfolg zu haben. Aus Europa stammende Darsteller kämpften mit ihrem starken Akzent, Komiker wie Buster Keaton gerieten in Vergessenheit.

    Nur Charlie Chaplin kämpfte noch über ein Jahrzehnt gegen den Ton und Dialogfilm. "Lichter der Großstadt" und "Moderne Zeiten" kamen fast völlig ohne Dialoge aus. Chaplin setzte jedoch bewusst auf Geräusche und Musik. 1940 war es dann endlich soweit. In seinem Meisterwerk "Der große Diktator" redete Chaplin zum ersten Mal auf der Leinwand: als Diktator Adenoid Hynkel persiflierte er Adolf Hitler.

    Ein Jahr nach "Der große Diktator" akzeptierten die Hollywoodbosse dann mitten im Krieg endlich eine Interessenvertretung der Drehbuchautoren. Zu Beginn des Kalten Krieges brachen jedoch alte Vorurteile wieder auf, und in der berüchtigten Mc Carthy Ära ,als jeder Linke und Liberale in Hollywood "unamerikanischer Aktivitäten" beschuldigt wurde und schwarze Listen kursierten, litten in erster Linie die Drehbuchschreiber unter Berufsverbot. Autoren haben sich aber auch immer wieder unbeliebt gemacht, gelten als schwierig, und narzisstisch.

    Vor allem aus Europa stammende Filmschaffende staunen immer wieder, wie restriktiv die "union rules", also die verbindlichen Regeln der Filmgewerkschaften, ausgelegt werden. Der deutsche Kameramann Michael Ballhaus war gezwungen, in all seinen Hollywoodproduktionen auf einen Schwenker zurück zu greifen, der die Kamera bewegt, während der "Director of Photography" zu Deutsch "Chefkameramann" in erster Linie das Licht setzt. Bei den Filmen von Rainer Werner Fassbinder hatte er selbstverständlich das Licht gesetzt und die Kamera selber bewegt. In den USA verbieten das die Gewerkschaften. Roman Polanski hatte es bei seiner Arbeit an seinem erfolgreichsten Film "Chinatown" besonders schwer mit seinem Drehbuchautoren Robert Towne, der schon damals einer der bestbezahlten Schreiber in Hollywood war. Ironisch meinte Polanski, er habe "um jede Zeile kämpfen müssen, als habe man sie in Marmor geschlagen."

    Es ist eine Art Kulturkampf, der zwischen den Autoren und den Studiobossen und Angestellten immer wieder erbittert geführt wird. Legendär ist, dass Drehbücher nicht nur über drei, vier oder fünf Phasen hindurch immer wieder überarbeitet werden, sondern dass oft mehrere Autoren engagiert werden oder auch sogenannte Scriptdoktoren, die dann ein Drehbuch oft völlig umschreiben. Wie instinktlos und einzig auf den Profit schielend man häufig mit Drehbüchern umgeht, hat Autoren immer wieder verbittert.

    Darum ging es vor allem im großen Streik 1988. Während die historischen Filmmogule wie Jack Warner noch kinobesessen waren, gerieten die Studios seit Beginn der 80er Jahre in die Hände von Riesenkonzernen wie Coca Cola, General Electric, oder Gulf and Western. Film verkam immer mehr zur Ware und die Autoren wollten ihren Anteil am großen Geschäft. Nicht jeder hat jedoch die großen Ideale. In Robert Altmans modernem Filmklassiker "The Player" kommt ein Drehbuchautor zu einem Produzenten und prostituiert sich regelrecht, wenn er seine Fortsetzung von "Die Reifeprüfung" vorstellt. Alle Stars von damals sollen natürlich wieder mit dabei sein wie Dustin Hofmann und Anne Bancroft die Mutter der Braut, die nun allerdings einen Herzinfarkt erlitten habe. Der von Tim Robbins als eiskalter Yuppie gespielte Produzent nickt gelangweilt und fragt nur. "Ist das auch komisch?"

    Auch der aktuelle Konflikt wird erbittert geführt. Auf der Homepage der Vereinigung der Produzenten AMPTP läuft ein Ticker, der vorrechnet, dass der Streik habe bis gestern bereits über 335 Millionen Dollar gekostet habe. Fotos von Ärzten, Chirurgen oder Piloten tragen die Unterschrift: Sie verdienen weniger als ein durchschnittlicher Autor der WGA. Wütend ist man bei den Studios darüber, dass United Artists mit dem neuen, starken Mann Tom Cruise und die Weinstein Brüder, die einst Quentin Tarrantino entdeckten, mit ihren Ministudios ein Interimsabkommen mit der WGA unterzeichnet haben, dass es möglich macht, an aktuellen Produktionen weiterzuarbeiten.

    Aber auch die WGA hat Ärger mit einigen Mitgliedern. Im Unterschied zu seinem Konkurrenten David Letterman ging Jay Leno von NBC wieder auf Sendung, ohne sich mit der WGA zu einigen. Er behauptet, er schreibe jetzt seine Monologe selbst.

    "Wissen Sie was ich mache? Ich tue wieder das, wie in den Zeiten, als ich anfing, Witze zuschreiben. Ich wecke meine Frau mitten in der Nacht auf und frage sie: Liebling ist das witzig ? Also, wenn dieser Monolog nicht hinhaut, ist meine Frau schuld. Sie sagte, der Witz sei gut."

    Nach diesem Auftritt entbrannte ein heftiger Streit darüber, ob das Gewerkschaftsmitglied Jay Leno das Recht habe, seine Dialoge zu schreiben, oder aber gezwungen sei aus dem Stegreif zu improvisieren.

    Im Kern der Auseinandersetzung steht auch diesmal die Umverteilung der riesigen Gewinne der Unterhaltungs- konzerne, die in den letzten 5 Jahren ihren Gewinn von 8 auf 18 Milliarden Dollar gesteigert haben. Sie wollen die Drehbuchautoren jedoch nur am Gewinn und nicht am Umsatz beteiligen. Und Gewinn ist eine relative Größe. Hollywoodstudios beschäftigen eine ganze Armada von Experten, die noch die größten Hits buchhalterisch zu Flops umrechnen.

    Genau dagegen wehren sich die Vertreter der Gewerkschaft WGA mit ihren 12 000 Mitgliedern. Denn natürlich verdienen die meisten im Vergleich zur Profitsteigerung der letzten Jahre viel weniger als früher. Wirklich etwas bewegen konnten die Autoren jedoch nur, weil sich die Schauspieler mit ihnen solidarisierten. Das führte eben zur Absage der Golden Globes-Verleihung. Akiva Goldman bringt es durchaus selbstironisch auf den Punkt.

    "Autoren sind meistens ruhig, schüchtern, leicht neurotisch und manchmal voll Selbsthass. Schauspieler sind das nicht. Was nun in Hollywood passierte, ist, dass sich die Gewerkschaft der Schauspieler, die "Screen Actors Guilds" SAG, mit der WGA verbunden hat. Um den Autorenstreik zu unterstützen, werden SAG-Schauspieler nicht Streikposten durchbrechen. Autoren können nicht viel tun, um Hollywood zu stoppen. Schauspieler können das jedoch sehr schnell. Wir beobachten grade die mögliche Absage der Golden Globes, und die Oscarverleihung ist ebenfalls bedroht. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf Hollywood. Weil uns die Schauspieler unterstützen, beginnt das Geschäft langsam starke Einbußen hinzunehmen. Das wird hoffentlich die andere Seite am Verhandlungstisch ermutigen, ein besseres Angebot vorzulegen."

    Ein weiterer Grund, warum sich die Schauspieler derart solidarisieren ,liegt gewiss auch darin, dass Stars wie George Clooney, Sean Penn, Matt Damon oder Ben Affleck nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera stehen und für ihre Filme als Regisseure auch die Drehbücher schreiben. So haben es die Produzenten bei diesem Arbeitskampf sehr viel schwerer als noch vor 20 Jahren. Die Absage der Golden Globes war schmerzhaft genug, weil nun für die Oscarsaison nicht mit den Preisen wie gewohnt geworben werden kann. Und fallen auch die Oscars ganz aus, wird es richtig teuer.

    Bald sind auch die großen Hollywoodproduktionen und der Kinosommer und Herbst bedroht. Bisher profitierten die Kinofilme noch vom langen Produktionsvorlauf. Freuen tut man sich bei der Videothekenkette "Blockbuster" und erwartet vom Streik mehr Kunden, die Filme und vor allem Fernsehserien leihen. Aber auch das Internet ist als Konkurrenz mächtig geworden. Vor allem junge Zuschauer, die sowieso dazu neigen, lieber auf den Internetseiten "Youtube" oder "Myspace" zu surfen, könnten dann den großen Networks abhanden kommen oder noch weniger ins Kino gehen.