Gewerkschaften
Weniger arbeiten fürs gleiche Geld

Die Gewerkschaft deutscher Lokführer will mehr Geld und eine Arbeitszeitverkürzung für ihre Mitarbeiter durchsetzen. Auch die Stahlindustrie fordert solche Arbeitszeitverkürzungen. Dabei nennen die Gewerkschaften unterschiedliche Gründe.

    Menschenleer ist ein Bahnsteig im Hauptbahnhof Hannover am frühen Morgen.
    Kein Zugverkehr in Hannover: Die Gewerkschaft der Lokführer streikt für kürzere Arbeitszeiten und mehr Lohn. (picture alliance / dpa / Moritz Frankenberg)
    Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und die IG Metall fordern in ihren derzeitigen Tarifverhandlungen Arbeitszeitverkürzungen für ihre Angestellten. Über einen 20-stündigen Warnstreik will die GDL laut ihrem Chef Claus Weselsky die Bahn zum Einlenken bewegen. Bahnsprecher Achim Stauß spricht von einer „Zumutung“. Der Arbeitskampf sei „völlig überzogen und unnötig“.
    In der nordwestdeutschen und ostdeutschen Stahlindustrie läuft derzeit die erste Tarifverhandlungsrunde. Am 23. November soll eine zweite stattfinden, am 30. November endet die Friedenspflicht, danach sind Warnstreiks zulässig.

    Inhalt

    Was fordert die GDL?

    Zwischen der Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) laufen Tarifgespräche. Der Knackpunkt in dieser Tarifrunde ist die Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich für Schichtarbeit von 38,5 auf 35 Stunden.
    Dieses Thema ist der GDL besonders wichtig, so Gewerkschaftschef Klaus Weselsky. Bei den anderen Forderungen (Gehaltserhöhung, steuerfreie Inflationsprämie) ist die Bahn der GDL bereits ein Stück weit entgegengekommen, aber über die Arbeitszeit will sie gar nicht reden.
    Das wäre der Einstieg in eine Vier-Tage-Woche. Viele Beschäftigte der Bahn arbeiten in Schichtdiensten bei der Steuerung oder Begleitung der Züge. Die Dienste dauern länger als sieben oder acht Stunden und lassen sich daher nach Ansicht der GDL gut auf vier Arbeitstage verteilen.
    In diesem Modell hätten die Mitarbeiter drei Tage Pause – „auch freitags gehören Vati und Mutti mir“, könnte man dann in Abwandlung des Slogans der DGB-Gewerkschaften von 1956 sagen. Damals sollte die heute übliche Fünf-Tage-Woche durchgesetzt werden.
    Die GDL argumentiert, dass die Schichtdienste bei der Bahn durch die Vier-Tage-Woche attraktiver gemacht würden. Außerdem würde die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden verbessert.

    Was sagt die Deutsche Bahn?

    Das Unternehmen bietet in einem ersten Angebot elf Prozent mehr Lohn und eine Inflationsprämie von bis zu 2850 Euro bei einer Laufzeit von 32 Monaten. Über die Vier-Tage-Woche will die Bahn nicht verhandeln.
    Der staatseigene Konzern argumentiert mit fehlenden Fachkräften. Im Fall einer Arbeitszeitverkürzung müsste die Bahn laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) 10.000 neue Beschäftigte einstellen. Diese würde der Arbeitsmarkt nicht hergeben. Das IW ist ein Verein, in dem rund 100 Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände in Deutschland sowie Einzelunternehmen Mitglieder sind.
    Schon heute fehlen der Bahn 3.700 Lokführerinnen und Lokführer. In keinem anderen Bahnberuf ist die Fachkräftelücke so groß. Im Servicebereich der Bahn fehlen laut der IW-Studie 640 Fachkräfte, bei der Wartung rund 400, im Bereich der Eisenbahn-Überwachung konnten 1.800 Stellen nicht besetzt werden.

    Wie ist die Ausgangslage in der Stahlindustrie?

    Ein Stahlarbeiter im Schutzanzug am Hochofen.
    Die IG Metall fordert 32 Wochenstunden bei vollem Entgeltausgleich. (picture alliance / Rupert Oberhäuser)
    Die IG Metall fordert in der aktuellen Tarifrunde für die Stahlindustrie 8,5 Prozent mehr Geld und ebenfalls eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Der Arbeitgeberverband Stahl lehnt das ab.
    In der Stahlindustrie beträgt die Arbeitszeit aktuell 35 Wochenstunden. Für die IG Metall wäre die angestrebte Arbeitszeitverkürzung "der Einstieg in die Vier-Tage-Woche, die dadurch in vielen Bereichen möglich wird“, so Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW und führt auf Gewerkschaftsseite die Verhandlungen in der nordwestdeutschen Stahlindustrie.

    Warum fordern die Beschäftigten kürzere Arbeitszeiten?

    GDL-Chef Weselsky verteidigt die Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung so: Bei der Deutschen Bahn fehlten Arbeitskräfte, „da müssen wir das Schichtsystem attraktiver machen“.
    Die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner sagt, man wolle die Arbeit verteilen. Durch die Umstellung auf neue Technologien werde es in der Branche 2025/2026 voraussichtlich zu viele Arbeitskräfte geben.
    Mit der bezahlten Arbeitszeitverkürzung wolle man die Aufgaben auf mehr Schultern verteilen und die Möglichkeit schaffen, dass die Stahlunternehmen alle Beschäftigten halten könnten, so die IG-Metall-Vorsitzende. Gleichzeitig sei die wirtschaftliche Entwicklung in der Stahlindustrie gut. Die Beschäftigten hingegen stünden aufgrund der Inflation unter finanziellem Druck.
    „Die Kolleginnen und Kollegen in den Stahlbetrieben erwarten völlig zu Recht einen Ausgleich für die rasant gestiegenen Lebenshaltungskosten. Jeden Tag spüren die Beschäftigten die anhaltende Inflation beim Einkaufen, Tanken oder der Urlaubsbuchung“, unterstreicht Dirk Schulze, IG Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen.

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