Bettina Klein: Der längste Lokführer-Streik, den es je bei der Deutschen Bahn gegeben hat, steht vor der Tür. Der Güterverkehr soll bereits ab heute, 15 Uhr, ruhen. Ab morgen früh dann der Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr, und zwar vier Tage lang flächendeckend bis Montagmorgen.
Mein Kollege Gerd Breker befragte gestern Abend dazu den Fahrgastverband Pro Bahn und dessen Bundessprecher Gerd Aschoff.
Gerd Breker: Im Angesicht des angekündigten Marathon-Streiks, denken Sie beziehungsweise denkt Ihr Verband schon darüber nach, sich umzubenennen?
Gerd Aschoff: Nein. Wir wollen unseren Namen behalten. Wir heißen bewusst "Pro Bahn", ohne kritisch zur Deutschen Bahn zu sein. Wir stehen zu dem Verkehrsmittel und wir würden uns freuen, wenn das die Gewerkschaft der Eisenbahner künftig auch wieder tun würde.
Breker: Das heißt, der Streik der GDL geht aus Ihrer Sicht nicht in Ordnung?
Aschoff: Denken Sie zum Beispiel an eine Situation, dass in einem Automobilwerk gestreikt wird. Nennen wir dieses Automobilwerk, sagen wir mal, A. Und da stellt sich der Streikführer in der Öffentlichkeit vor laufender Kamera hin und sagt, kalt lächelnd: "Wieso? Unsere Autos wissen wir sowieso nicht, ob die toll sind. Kaufen Sie sich doch einfach ein anderes!" Das ist das, was die GDL und Herr Weselsky tun, kalt lächelnd, mehrfach jetzt gesehen, unter dem Motto "Ja was wollt ihr eigentlich unbedingt Bahnfahren, nehmt doch ein anderes Verkehrsmittel". Das ist eine Art von Geschäftsschädigung, die wir als zahlende Fahrgäste wirklich nicht mehr akzeptieren können.
Eine komplizierte Dreiecksbeziehung
Breker: Nun sagt die GDL, dass sie einfach nur mehr Geld und weniger Arbeitszeit für alle ihre Mitglieder will. Das ist doch legitim!
Aschoff: Wenn es darum ginge, dann wäre wahrscheinlich schon längst eine Einigung erfolgt. Aber es ist ja in den vergangenen Wochen deutlich geworden, dass es vor allen Dingen um die Vergrößerung des Einflussbereiches der GDL zu Lasten der anderen großen Gewerkschaft, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft geht, und deshalb ist das so problematisch, was da momentan passiert, weil es eine Dreiecksbeziehung ist, die natürlich, wie man auch aus dem eigenen Leben weiß, manchmal ganz schön schwierig sein kann.
Breker: Die Tarifauseinandersetzung ist inzwischen derart eskaliert, dass es in der Tat so scheint, als ginge es um mehr, als ginge es auch darum zu vermeiden, das Gesicht zu verlieren.
Aschoff: Ja, natürlich geht es darum, und alle Beteiligten müssen auch immer daran denken, dass es ja irgendwann dann mal zu einer wie auch immer gearteten Lösung kommen muss, und dazu spielt die Gesichtswahrung eine große Rolle. Wir haben allerdings den Eindruck, dass inzwischen ja auch die Opposition innerhalb der GDL lauter wird bis hin zum Vorgänger von Herrn Weselsky, der sich ja auch schon mit sehr deutlichen Worten geäußert hat, und von daher, denken wir, wird letztendlich immer eine Lösung am Verhandlungstisch gefunden. Die war ja nach dem, was die Deutsche Bahn erklärt hat, kurz davor. Herr Weselsky hat dann wieder gesagt, das ist alles unzumutbar, und hat gleich wieder mit der Verfassung gewedelt und mit allen möglichen Dingen. Da werden ja sehr harsche Worte gewählt. Wir hoffen aber trotzdem, dass die Streikaktionen nicht noch weiter eskalieren als das, was wir jetzt in den nächsten vier Tagen erleben werden.
Starke Gewerkschaften erwünscht
Breker: Sie haben es gerade angedeutet, Herr Aschoff: Innerhalb der GDL regt sich Widerstand gegen die Politik von Claus Weselsky. Droht da eine Abspaltung? Wünschen Sie sich eine Abspaltung oder eine Entmachtung von Herrn Weselsky?
Aschoff: Nein, das werde ich nicht so deutlich sagen wie sein Vorgänger. Ich bin ein großer Anhänger einer starken Gewerkschaft, und auch wir als Fahrgäste haben immer gesagt, dass wir ein Interesse daran haben, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Bahn fair behandelt werden, und das wird jetzt geschwächt und ist wirklich nicht gut, weder für das Unternehmen, noch die Fahrgäste, aber auch nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Übrigens gibt es eine Menge, die momentan dann wieder Überstunden fahren müssen, um das auszugleichen, was die GDL mit ihrem Streik anrichtet.
Breker: Kann denn da das geplante Gesetz zur Tarifeinheit aus Ihrer Sicht helfen? Wäre das nötig aus Ihrer Sicht?
Aschoff: Ich habe mich immer sehr zurückgehalten, was den Ruf nach dem Gesetzgeber angeht, weil das ist immer nur die zweitbeste Lösung, unter gesetzlichem Zwang letztendlich zu einer wie auch immer gearteten Lösung zu kommen. Ich muss auch daran erinnern, dass dieses Gesetz zwar jetzt im zeitlichen Einklang mit den GDL-Streiks ist, aber ja schon deutlich vorher entwickelt worden ist. Ich würde mir sehr wünschen, wenn es zu einer Lösung käme, die ohne den Gesetzgeber auskommt, weil wie lange wollen wir warten. Wenn im Sommer nächsten Jahres dieses besagte Gesetz verabschiedet und wirksam wird, wenn es denn wirksam wird - es wird ja wahrscheinlich noch in Karlsruhe überprüft werden -, sollen wir so lange noch mit Streiks leben? Das kann ich mir beim besten Willen für den Eisenbahnbetrieb in Deutschland nicht mehr vorstellen.
"Es bedarf eines Vermittlers"
Breker: Was braucht es denn aus Ihrer Sicht, Herr Aschoff? Braucht es so etwas wie einen Vermittler?
Aschoff: Ja! Genau das ist der richtige Vorschlag. Es bedarf ganz offensichtlich eines psychologisch hoch geschulten Vermittlers, Moderators, wie immer man es nennt. Das hat nichts mit einer Schlichtung zu tun, weil das ist ein gesetzliches Verfahren, das definiert ist als am Ende eines Tarifkonflikts stehend. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass die, nennen wir sie ruhig mal, Streithähne jetzt alleine noch zurechtkommen, nachdem sie ja in den vergangenen Tagen auch während der zurückliegenden Streikpause ja versucht haben, zueinanderzukommen. Das ist leider nicht gelungen und da wird es sicherlich jetzt auch Hilfe von außen geben müssen, um endlich den Konflikt zumindest so weit zu lösen, dass Streiks in absehbarer Zeit vermieden werden.
Klein: Gerd Aschoff, der Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn, zu den bevorstehenden Lokführer-Streiks, gestern Abend bei uns im Deutschlandfunk.
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