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Streit im Verlagshaus Suhrkamp

Kein anderes deutsches Verlagshaus wurde so vielen großen Autoren zur geistigen Heimat wie Suhrkamp. Gründungsvater ist der norddeutsche Bauernsohn Peter Suhrkamp. Die Gesellschafter der heutigen Verlagsgruppe streiten derzeit vor dem Landgericht Frankfurt. Es geht um nichts weniger als die Zukunft des Verlages.

Von Jürgen König | 12.02.2013
    "Der Mensch lebt durch den Kopf
    Der Kopf reicht ihm nicht aus
    Versuch es nur; von deinem Kopf
    Lebt höchstens eine Laus.

    Denn für dieses Leben
    Ist der Mensch nicht schlau genug
    Niemals merkt er eben
    Allen Lug und Trug."

    Bertolt Brecht, Hermann Hesse, Samuel Beckett, Max Frisch, Uwe Johnson, Ingeborg Bachmann, Wolfgang Koeppen, Ernst Bloch, Theodor W. Adorno, Thomas Bernhard, Peter Handke, Martin Walser, Jürgen Habermas, Niklas Luhmann – kein anderes deutsches Verlagshaus wurde so vielen großen Autoren zur geistigen Heimat – wie Suhrkamp.

    Peter Suhrkamp stammte aus einem Dorf. Im niedersächsischen Kirchhatten bei Oldenburg wurde er 1891 geboren, sein Vater war Bauer. Doch der Sohn wollte nicht Bauer werden, er besuchte das Lehrerseminar in Hannover, mit 20 Jahren schon wurde er Volksschullehrer. Wurde freiwillig Soldat, studierte nach dem Ersten Weltkrieg Germanistik, wurde Dramaturg und Regisseur am Landestheater Darmstadt. Ging zurück in den Lehrerberuf, wurde pädagogischer Leiter der Freien Schulgemeinde Wickersdorf. Gab den Lehrerberuf auf und ging nach Berlin, 1930: erst zu Ullstein, zwei Jahre später zum S.-Fischer-Verlag, wurde Herausgeber der Zeitschrift "Die Neue Rundschau", im nächsten Jahr schon gehörte er dem Verlagsvorstand an.

    "Ich glaube, dass es eine Begabung bei mir gibt, die Begabung, das, was auf Blättern geschrieben da ist, auf einem ganzen Konvolut von Blättern, in eine plastische Gestalt zu übersetzen, in die Buchgestalt."

    Der Verleger Samuel Fischer stirbt 1934. Sein Nachfolger Gottfried Bermann Fischer geht mit einem Teil der Autorenrechte nach Wien; Peter Suhrkamp versucht, als neuer Leiter des S. Fischer Verlages in Berlin weiterzumachen - mit den Werken nicht verbotener Autoren, für ihn der wichtigste wird: Hermann Hesse.

    "Seltsam, im Nebel zu wandern!
    Einsam ist jeder Busch und Stein,
    Kein Baum sieht den andern,
    Jeder ist allein."

    1942 zwingen die Nazis Peter Suhrkamp, den Verlag umzubenennen; "Suhrkamp Verlag vorm. S. Fischer" heißt er nun, bald wird der Name des jüdischen Gründers ganz getilgt. 1944 wird Suhrkamp von der Gestapo verhaftet; wird gefoltert, aus der "Schutzhaft" im Konzentrationslager Sachsenhausen wird er, schwer lungenkrank, im Februar 1945 entlassen, nachdem sich u.a. Gerhart Hauptmann für ihn eingesetzt hatte. Peter Suhrkamp macht sofort weiter, doch die rechtliche Lage des geteilten Verlags bleibt ungeklärt. Einer seiner Lehrlinge war: der heutige Verleger Klaus Wagenbach.

    "Ich hab‘ den alten Suhrkamp erlebt, und das war ein äußerst eindrucksvoller Mann. Ganz mager, er hatte ‘ne KZ-Einbuchtung mühsam überlebt..., sehr deutsch, sehr protestantisch! - der war so was von norddeutsch, das ging einem ein bisschen auf die Nerven, aber ganz ernsthaft, gescheit, freundlich... Der hat einmal den Geschäftsführer des Suhrkamp-Verlages draußen warten lassen, weil er dem Lehrling erklären wollte – 1950! – wie ein Verlag funktioniert! Da musste der Geschäftsführer warten, Lehrling war wichtiger! Er war ein guter Pädagoge, will ich damit sagen."

    Erst 1950 kommt es zur außergerichtlichen Einigung zwischen Gottfried Bermann Fischer und Peter Suhrkamp - der nun seinen eigenen Verlag führt. Die von ihm betreuten Autoren können wählen, an welchen Verlag ihre Rechte gehen sollen – die Mehrheit der Autoren entscheidet sich für Suhrkamp. Wieder wird Hermann Hesse zur zentralen Figur, der Peter Suhrkamp ermutigt und die Verbindung zur Schweizer Familie Reinhart herstellt: den Geldgebern des neuen Verlages. Aus dieser Konstellation wird der Konflikt entstehen, der morgen - im Streit zwischen dem Unternehmer Hans Barlach, der inzwischen über die Reinhart-Anteile verfügt und Ulla Berkewicz von der Unseld-Familienstiftung - vor dem Landgericht Frankfurt einen weiteren Höhepunkt finden könnte.

    Mit seinem Verlag zog Peter Suhrkamp von Berlin nach Frankfurt am Main. Aus dem Lehrer war ein Verleger geworden, als Verleger indes dachte er immer auch wie ein Pädagoge. Was Max Tau 1950 in seiner Dankesrede für den ersten Friedenspreis des deutschen Buchhandels sagte, dürfte Peter Suhrkamp aus dem Herzen gesprochen haben.

    "Was aber können die Verleger tun? Von hier aus geht der Ruf an alle jungen Menschen aller Nation: Wir möchten so gerne, dass die Jugend zu den Gelehrten ihres Landes geht, um zu erfahren, welche Werte das Leben hat."

    Damit "die Jugend zu den Gelehrten" kommt, gründet Peter Suhrkamp 1951 die "Bibliothek Suhrkamp" - kleine, gebundene Bände, in denen die ihm wichtigen Autoren zu Wort kommen sollen. Die Ausstattung ist sachlich, schmucklos.

    "Wir alle sind bemüht, ein solide ausgestattetes Buch zu bringen, das nach unserer Ansicht den heutigen Möglichkeiten und der allgemeinen Wirtschaftssituation entspricht. Wir erleben nur leider auf sehr vielen Gebieten, dass das Publikum wieder verführt wird, zu einem Standard zu kommen, den wir zu anderen Zeiten uns leisten konnten, den wir uns aber heute praktisch nicht leisten können. Daran liegt es auch, meine ich, wenn heute literarisch nicht sehr wertvolle Bücher, die großartig ausgestattet sind, eher gekauft werden als literarisch wertvolle."

    Mit seinem Verlag wollte Peter Suhrkamp das durch den Nationalsozialismus auch geistig verwüstete Deutschland mit neuem Leben füllen; wollte an aufklärerische Traditionen anknüpfen und auch: Helfen, die Klassiker neu zu entdecken. 1959 starb Peter Suhrkamp, sein Nachfolger wurde Siegfried Unseld.

    "Und der junge Unseld, der war ein ganz anderer Typ. Der war... der war forsch! Und voller Initiative!"

    Siegfried Unseld hatte über Hermann Hesse promoviert, hatte schon 1951 als Werbeleiter im Verlag begonnen, war dann Lektor geworden. Ein glänzender Geschäftsmann ist Siegfried Unseld auch: Drei Jahre nach Amtsantritt kommt er mit der Idee einer Taschenbuchreihe, was vielen Suhrkamp-Autoren nach verdächtiger "Massenkultur" klingt, Max Frisch fragt brieflich an, ob es "Suhrkamp demnächst auch in Dosen oder gar als Brotaufstrich" geben werde.

    "Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ich diese Idee dieser Reihe gegen Autoren durchsetzen musste. Es gibt also ein Foto, wo wir im Hause von Martin Walser am Bodensee im Garten... diese Runde mit Uwe Johnson, mit Martin Walser, mit Hans Magnus Enzensberger, Walter Boehlich, Karl Markus Michel: Sie waren alle eigentlich dagegen, dass der Suhrkamp-Verlag das machen sollte. Und erst nach zweitägigen Debatten hat dann Walser bestimmt, 'also nun, wenn er sich ruinieren will, dann soll er das machen…'"

    Siegfried Unseld lässt sich nicht beirren. Vor allem Studenten will er kritische Theorie nahebringen und zeitgenössische Literatur. Max Frisch zum Beispiel:

    "Ich probiere Geschichten an wie Kleider."

    Die ersten 20 Bände der "Edition Suhrkamp" erscheinen am 2. Mai 1963, Brechts "Leben des Galilei" trägt die Nummer eins. In den nächsten zehn Jahren wird die Edition Suhrkamp zum Sprachrohr einer intellektuellen, linken Avantgarde; Jürgen Habermas, Theodor W. Adorno oder Herbert Marcuse prägen die Debatten der Studentenbewegung und mit ihr heutige Soziologen und Philosophen wie Peter Sloterdijk oder Ulrich Beck.

    "Der Suhrkamp Verlag verlegt keine Bücher, sondern Autoren" - nach diesem Wahlspruch macht Siegfried Unseld den Verlag zur festen Institution im geistigen Leben der Bundesrepublik – von der "Suhrkamp-Kultur" spricht der Philosoph George Steiner. Rainer Moritz, der Leiter des Hamburger Literaturhauses:

    "Wenn man den Briefwechsel beispielsweise liest, den Siegfried Unseld mit Peter Handke geführt hat, ein Briefwechsel von 1965 bis 2002, dann kann man genau erkennen, was den Erfolg des Verlages ausgemacht hat: Suhrkamp hat es eben verstanden, ein großes Netz zu spannen, ein intellektuelles Netz zu spannen und sehr, sehr viele Autoren in diese Schublade hineinzutun und vor allem: alle bei Laune zu halten!"

    Ein mutiger Verleger war Siegfried Unseld immer. 1963 hatte er den Insel-Verlag übernommen, 1981 gründete er den Deutschen Klassiker Verlag: Jeweils ausführlich kommentiert erschien eine zwölf-bändige Schiller-Ausgabe, eine 40-bändige Goethe-Edition, von einem "Jahrhundertwerk" schrieb Marcel Reich-Ranicki. 1990 übernahm Unseld 51 Prozent der Anteile des Jüdischen Verlags; setzte gleichzeitig auf junge Autoren wie Rainald Goetz, Ralf Rothmann oder Werner Fritsch. Natürlich nahm Unseld wahr, wie der Markt sich veränderte: Längst gab es auch bei Suhrkamp Bücher mit Bildern auf dem Umschlag, gab es leichter Lesbares wie die Romane von Isabelle Allende. Und – Siegfried Unseld sah auch klar, dass weltweit agierende Buchkonzerne es immer schwerer machen, einen unabhängigen Verlag zu führen. Bei einer Diskussion auf der EXPO 2000 sagte er:

    "Ich war vor Kurzem in New York, und da saßen in sechs verschiedenen Hotels... saßen Vertreter deutscher Verlage, und der Agent, nicht wahr, hat telefonisch mit denen gesprochen, die Herren hatten drei Seiten dieses amerikanischen Buches und sonst ein Exposé des Agenten und danach mussten sie sich entscheiden, und es wurde dann hier versteigert. Das ist eine Sache, die natürlich ganz unschön ist; ich habe, solange ich die Verantwortung im Suhrkamp-Verlag habe, hab‘ ich gesagt: 'Das kommt bei uns nicht vor, blind wird nichts gekauft!' Aber ich sehe ein, dass diese Devise immer schwieriger einzuhalten ist."

    2002 stirbt Siegfried Unseld – und hinterlässt ein kompliziertes Erbe. Mit seinem Sohn Joachim Unseld hatte er sich schon Anfang der 90er-Jahre zerstritten; im Sommer 1991 war Joachim Unseld als Geschäftsführer aus den Verlagen ausgeschieden, hatte aber 20 Prozent der Gesellschaftsanteile behalten. Als Nachfolger kam er für Siegfried Unseld nicht mehr infrage, so gründete er zusammen mit seiner zweiten Ehefrau, der Schriftstellerin Ulla Berkéwicz-Unseld, 1999 die Siegfried und Ulla Unseld-Familienstiftung. Nach Unselds Tod wird Ulla Berkéwicz in die Geschäftsführung des Suhrkamp-Verlags aufgenommen; verlegerischer Geschäftsführer von Suhrkamp und Insel wird Günter Berg, der noch im selben Jahr Aufsehen erregt: mit seiner Entscheidung, Martin Walsers Roman "Tod eines Kritikers" trotz erheblicher Proteste zu drucken.

    "Wir haben vor allem einen Vorwurf, den des Antisemitismus, sehr, sehr, sehr ernst genommen, denn wenn überhaupt ein Vorwurf gegen die Publikation eines Buches im Suhrkamp-Verlag gesprochen hätte, dann der Vorwurf des Antisemitismus. Den sehen wir für entkräftet: Dieses Buch ist nicht antisemitisch, es gibt einen Platz für Martin Walser und diesen neuen Roman im Suhrkamp-Verlag."

    Der in dem Roman karikierte Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki:

    "Der Roman von Walser muss erscheinen, das war klar, ich meinte nur, nicht unbedingt bei Suhrkamp. Nun, da Suhrkamp sich so entschieden hat, möchte ich sagen: Diese Entscheidung ist bedauerlich, aber kein Skandal."

    Im Oktober 2003 übernimmt Ulla Berkéwicz den Vorsitz der Geschäftsführung. Ende 2006 treten zwei Hamburger Unternehmer auf den Plan: Hans Barlach und Claus Großner: Für acht Millionen Euro übernehmen sie - begleitet von juristischen Auseinandersetzungen, da Ulla Unseld-Berkéwicz den Kauf verhindern will – vom Schweizer Unternehmer Andreas Reinhart die Medienholding AG Winterthur. Damit gehören ihnen 29 Prozent der Verlagsanteile. Daraus werden 39 Prozent, als Ende 2009 Joachim Unseld seine Gesellschafteranteile verkauft, die anderen zehn Prozent gehen an die Siegfried und Ulla Unseld-Familienstiftung, der nun 61 Prozent des Unternehmens gehören. Damit wird auch der Weg frei für den Umzug des Frankfurter Traditionsunternehmens – zurück nach Berlin. Ulla Unseld-Berkewicz:

    "Suhrkamp war in den 60er-Jahren, als die politische Frage in unser aller Köpfen war, war Suhrkamp in Frankfurt eine hochpolitisierte Stadt. Jetzt ist eben das Labor in Berlin, und da muss Suhrkamp vor Ort sein."

    Die Mitarbeiter des Verlages lehnen den Umzug mehrheitlich ab, befürchten Stellenstreichungen – wie sich herausstellen wird: zu Recht. Die öffentliche Meinung über Ulla Unseld-Berkéwicz ist geteilt. Als Schriftstellerin hatte sie schon 1982 für ihren Debütband "Josef stirbt", gute Kritiken bekommen. Der Verlegerin Unseld-Berkéwicz warf man vor, sich ohne jede Verlagserfahrung an die Spitze der Geschäftsführung gedrängt zu haben, statt als Vorsitzende der Familienstiftung nur "beratend" zu wirken. Über Intrigen und Machtkämpfe wurde spekuliert; ein prominent besetzter Stiftungsrat um Hans Magnus Enzensberger und Jürgen Habermas trat zurück, Autoren wie Martin Walser, Adolf Muschg und Norbert Gstrein verließen den Verlag, in den Feuilletons machte sich die Sorge um die "Suhrkamp-Kultur" breit. Aber Ulla Unseld-Berkéwicz fand auch Verteidiger, etwa Ivan Nagel, der langjährige Schauspielintendant in Hamburg und Stuttgart über sie:

    "Ulla Berkéwicz hat bei der Eröffnung der Berliner Dépendance des Suhrkamp-Verlages eine sehr bedeutende Rede gehalten, wie sehr gerade diese Verlage, die natürlich immer am Rand der finanziellen Gefährdung leben, weil keine Welttrusts von Milliarden Umsätzen hinter ihnen stehen – wie gerade diese Verlage die Aufgabe haben, das geistig Wichtige zu betonen und nicht den Verkaufsschlager ständig zu suchen. In dieser Hinsicht finde ich die von ihr jetzt gegründete, initiierte Bibliothek der Weltreligionen einen ganz bedeutenden Schritt, ganz im Sinne der Kühnheit und des Geistes von Siegfried Unseld!"

    Über die wirtschaftliche Lage des Verlages wird seit Langem heftig spekuliert. Anteilseigner Hans Barlach sieht sie als ungenügend, Ulla Unseld-Berkewicz als gut an. Rainer Moritz vom Literaturhaus Hamburg:

    "Dass der Verlag nicht mehr finanziell so dasteht wie in früheren Zeiten, das hat einfach eine klare Konsequenz daraus, dass die Backlist, die immer ein großer Bestandteil des Suhrkamp-Verlages war – ich erinnere mich an eine Tagung, 1988, wo Herr Groffy, damals Pressechef, erklärt hat, dass man von Hermann Hesse im Jahr 800.000 Exemplare jedes Jahr verkauft – aus der Backlist. Diese Zeiten sind vorbei, das heißt, der Verlag steht vor der ganz simplen Situation, dass er in jedem Halbjahr zwei, drei Top-Bestseller haben muss – und da braucht man dann bloß auf die Bestsellerlisten zu schauen: Was hat Suhrkamp da in den letzten fünf Jahren gehabt im Vergleich zur Gesamtproduktion – und dann kann man sehr schnell darauf kommen, ohne genaue Zahlen zu haben, dass es dem Verlag natürlich nicht besonders gut geht."

    Solchen Ansichten hält man bei Suhrkamp Bücher wie Uwe Tellkamps Roman "Der Turm" entgegen, über eine Million Exemplare habe man davon verkauft. Zum laufenden Verfahren wollen sich weder der Verlag noch Hans Barlach äußern. Seit Ulla Unseld-Berkéwicz ihre private Villa dem Verlag für einzelne Veranstaltungen vermietete – und sie damit indirekt auch dem Minderheitsgesellschafter Barlach auf die Rechnung setzte, ohne ihn aber darüber auch nur zu informieren – seither hat sich die Lage zugespitzt. Hans Barlach klagte vor dem Landgericht Berlin gegen die Geschäftsleitung des Suhrkamp-Verlags wegen Veruntreuung – und gewann. Am 10. Dezember 2012 ordnete das Gericht die Abberufung der Suhrkamp-Geschäftsführung unter Ulla Unseld-Bersekewicz an, die überdies Schadenersatz zu leisten hat. Morgen wird - in einem weiteren Verfahren - über zwei Anträge der beiden Konfliktparteien entschieden, die die jeweils andere Seite aus der Kommanditgesellschaft ausschließen wollen. Für den Fall, dass seinem Antrag nicht stattgegeben werde, kündigte Hans Barlach an, die Auflösung der gesamten Gesellschaft anstreben zu wollen. Auf seinen jüngsten Vorschlag, einen neuen Mehrheitsgesellschafter zu finden, hat der Verlag bisher nicht reagiert. Viele Suhrkamp-Autoren haben sich mittlerweile mit Ulla Unseld-Berkéwicz solidarisiert, sie befürchten eine Zerschlagung des bisherigen Verlagsmodells. Hans Barlach wird vorgeworfen, nur kurzfristig an Rendite, nicht aber an einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des Verlags interessiert zu sein.

    "Man kann das schwer beurteilen, wie weit er letztlich gehen wird. Ganz klar ist - da sind sich alle Beobachter einig: Suhrkamp und Frau Berkéwicz haben Herrn Barlach unterschätzt: Sie haben geglaubt, sie können ihn in die Ecke drängen. Er ist ja auch immer etwas merkwürdig aufgetreten, man hat gemeint, man muss ihn nicht wirklich ernst nehmen als Widersacher, hat ihn, nicht nur in dem berühmten Villenkauf, ausgegrenzt, und das schlägt natürlich jetzt zurück. Da haben die Gerichte Herrn Barlach erst einmal einen Teilerfolg beschert - ich kann mir nicht vorstellen, dass es bis zur letzten Konsequenz kommen wird, das heißt, dass wirklich beide Seiten daran arbeiten, sich gegenseitig auszuschließen. Das wird auch nicht funktionieren – es wird ein Kompromiss gefunden werden müssen. Aber wie der aussieht, das kann man sich im Moment sehr, sehr schwer vorstellen, weil alle Versuche, auch entsprechende Schlichter zu finden, das ist ja in den vergangenen Monaten auch eher im Sande verlaufen."

    Auch Klaus Wagenbach ist verhalten optimistisch:

    "Ich bin überzeugt davon, dass der Suhrkamp-Verlag weiter existieren wird. Das ist ein bedeutender Verlag, der geht nicht einfach unter. Das ist eine falsche Vorstellung."

    "Der Mensch ist gar nicht gut,
    Drum hau ihm auf den Hut!
    Hast du ihm auf den Hut gehaun,
    Dann wird er vielleicht gut.

    Denn für dieses Leben
    Ist der Mensch nicht gut genug.
    Darum haut ihm eben
    Ruhig auf den Hut!"