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Streit in Schweden
Die Stadt Vellinge will das Betteln verbieten

Kleiner Ort, große Aufregung: Die Stadt Vellinge hat Schwedens erstes Bettelverbot auf den Weg gebracht. Viele Städte und Gemeinden würden gerne nachziehen. Doch die rot-grüne Regierung in Stockholm ist dagegen.

Von Carsten Schmiester |
    Auf einem Gehweg sitzt ein Mann in einer Decke. Vor ihm steht ein Becher. Ein Passant geht vorbei.
    "Bettelei ist Teil unseres Alltags geworden, und das sollte meiner Meinung nach nicht so sein", sagt Carina Wutzler, Vorsitzende des Kommunalrats in Vellinge. (dpa / picture alliance / Paul Zinken)
    Vellinge liegt etwas südlich von Malmö, hat nur gut 6.000 Einwohner, macht aber gerade ganz große Politik: Innenpolitik. Es geht um ein im traditionell liberalen Schweden besonders heißes Eisen.
    "Bettelei ist Teil unseres Alltags geworden, und das sollte meiner Meinung nach nicht so sein", sagt Carina Wutzler, Vorsitzende des Kommunalrats in Vellinge. Sie gehört den konservativen Moderaten an. Zusammen mit Liberalen und rechtspopulistischen Schwedendemokraten haben sie mit zehn gegen drei Stimmen die Einführung "bettelfreier Zonen" beschlossen und dazu eine verschärfte Campingsatzung, die mutmaßliche Bettler fernhalten soll. Ein Tabubruch. Betteln ist in Schweden ebenso weit verbreitet wie legal. Bisher hat nur eine Gemeinde, Sala im Nordwesten Stockholms, versucht, es auf öffentlichen Plätzen zu verbieten. Das war 2011, und - vergeblich! Zu pauschal, war damals die Kritik der Juristen. Deshalb soll es in Vellinge nur einige "Zonen" ohne Bettler geben. Damit hoffen sie, durchzukommen: erst bei der Stadtratssitzung in einem Monat, dann beim Landkreis – und am Ende wohl vor Gericht. Denn das, was die Mehrheit in Vellinge will, wird von der rot-grünen Minderheitsregierung in Stockholm abgelehnt. Die setzt auf einen Mittelweg: kein Verbot, aber auch kein "Weiter so", hatte Justizminister Morgan Johansson erklärt:
    "Drei Dinge werden wir nicht hinnehmen: dass Bettler von anderen ausgenutzt werden, dass Hunderte dieser Wohnlager auf öffentlichem oder privatem Boden entstehen, und wir werden es nicht zulassen, dass Bettler beschimpft oder geschlagen werden."
    Übersehen? Geld geben?
    Konkret ist es schon seit zwei Jahren möglich, Kindern von – wie es offiziell heißt – "sozial gefährdeten EU-Bürgern" den Schulunterricht zu verweigern. Die Schweden wurden öffentlich aufgerufen, ihr Geld lieber Hilfsorganisationen zu geben. Und die Regierung versucht, das Hauptherkunftsland der Bettler, Rumänien, in die Pflicht zu nehmen. Der konservativen Opposition im Land geht das aber nicht weit genug. Sie will das Bettelverbot, während viele Menschen in den Städten vorerst weiter Geld geben oder die Bettler übersehen oder ihren Frust online herauslassen. Im Netz geht es immer härter zur Sache, hat das Magazin "Expo" herausgefunden, das sich gegen Rassismus stellt und über gewaltsame Übergriffe auf bettelnde EU-Einwanderer berichtet, sagte "Expo"-Reporter Anders Dalsbro im schwedischen Rundfunk:
    "Diese armen Einwanderer sind brutaler Gewalt ausgesetzt; sie werden beleidigt und bedroht. Und dazu wird in sozialen Medien auch noch offen aufgerufen, von Leuten, die mit dieser Entmenschlichung immer neuer Gewalt Tür und Tor öffnen."
    Ein Bettelverbot würde da nicht helfen, argumentiert die Regierung, im Gegenteil: Bettler würden kriminalisiert. Aber nur noch ein Viertel der Bevölkerung sieht das auch so; in einer aktuellen Umfrage war die Hälfte dagegen ganz klar für ein Verbot. Und das wird kommen, da ist sich Carina Wutzler, die Politikerin aus Vellinge, ganz sicher. Wir werden siegen, sagt sie, spätestens vor Gericht. Carina Wutzler:
    "Andere werden uns dann folgen, und ich bin davon überzeugt, dass man auch auf nationaler Ebene Druck machen wird. Denn die Kommunen brauchen dringend Klarheit, was die Bettelfrage angeht."