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Streit in Spanien
Kirche soll Steuern zahlen

Leere Kassen wegen der Kirche? Elf Milliarden Euro hat der spanische Staat 2015 der Kirche geschenkt, mit Subventionen und durch Steuerbefreiung, sagen Laizisten. Vor allem linke Politiker wollen die Privilegien der Kirche jetzt abschaffen – eine Rache für die Rolle der Kirche in der Franco-Diktatur?

Von Brigitte Kramer |
    Ein Besucher der Saarbrücker Stiftskirche steckt einige Münzen in den Klingelbeutel.
    In Spanien "spendet" der Staat elf Milliarden Euro im Jahr an die Kirche, kritisieren Laizisten (picture alliance / dpa / Werner Baum)
    Valencia, Spaniens drittgrößte Stadt. Seit den Kommunalwahlen im Mai 2015 weht ein neuer Wind: 24 Jahre lang hat die konservative PP-Partei in Valencia regiert. Nun ist eine Linkskoalition ins Rathaus eingezogen. Sie will vieles ändern – zum Beispiel das althergebrachte Verhältnis von Kirche und Politik.
    Die katholische Kirche bezahlt keine Grundsteuer, weder für Kathedralen, Kirchen, Klöster, noch für Priesterwohnungen, Schulen, Internate – und auch nicht für Garagenplätze, Geschäftsräume, Hotels oder Wohnungen, die sie verpachtet oder vermietet hat.
    "Mittelalterliche Privilegien"
    In Valencia besitzt die Erzdiözese laut Grundstücksregister über 1.200 Gebäude, von denen sie nur rund 150 religiös nutzt. Rund drei Millionen Euro gehen Valencia jedes Jahr verloren, weil die Kirche keine Grundsteuer zahlen muss. Ramon Vilar ist Stadtrat für Finanzen. Er spricht von "mittelalterlichen Privilegien":
    "In Valencia haben wir zum Beispiel eine katholische Universität. Ich finde es grundsätzlich gut, dass es private und öffentliche Bildungseinrichtungen gibt, solange sie im freien Wettbewerb antreten, also mit Chancengleichheit. Es gibt hier aber auch andere Privatuniversitäten von weltlichen Trägern, und die müssen schon Steuern bezahlen."
    Ebenfalls von der Grundsteuer befreit: die berühmte maurische Säulenhalle in der Mezquita-Kathedrale von Cordoba
    Ebenfalls von der Grundsteuer befreit: die berühmte maurische Säulenhalle in der Mezquita-Kathedrale von Cordoba ( imago / blickwinkel)
    Der Stadtrat fordert: Steuerbefreiung für Gotteshäuser ja, für gewerblich genutzte Immobilien nein. "Man darf das nicht als Maßnahme gegen die Kirche verstehen", sagt Ramon Vilar. "Es geht mir um steuerliche Gleichberechtigung und Gleichheit der Bürger. Das ist im europäischen Vertrag festgelegt, den Spanien nicht erfüllt. Ich finde das einfach nicht mehr zeitgemäß."
    Staat schenkt Kirche elf Milliarden Euro
    Die rechtliche Grundlage für die Steuerfreiheit ist das Konkordat zwischen dem Vatikan und dem spanischen Staat, unterzeichnet 1979, nach fast 40 Jahren nationalkatholischer Diktatur. Die neue, demokratische Verfassung hatte kurz zuvor die Trennung von Kirche und Staat festgelegt, doch im Konkordat wird sie abgeschwächt: Der katholischen Kirche werden weiterhin finanzielle Unterstützung durch den Staat und Steuerbefreiung zugesagt.
    2015 waren das elf Milliarden Euro, wie die Vereinigung Laizistisches Spanien errechnet hat. Linke Stadtregierungen in Barcelona, Madrid oder Granada wollen die Trennung zwischen Kirche und Staat nun endlich umsetzen – und mit der Steuerfrage anfangen. Ein großes Vorhaben, sagt Ramon Vilar, Stadtrat in Valencia:
    "Wir werden dem spanischen Städtetag den Vorschlag unterbreiten und ihn dort diskutieren. Den sollten dann möglichst alle unterzeichnen. Dann stellen wir das vermutlich im ersten Quartal 2017 der Regierung vor und stellen das Thema im Abgeordnetenhaus zur Debatte."
    Gesellschaftliche Position der Kirche wird angegriffen
    Vorrangig geht es um Steuerbefreiung, tatsächlich aber auch um die Position der spanischen Kirche in der Gesellschaft. Was sagt die spanische Bischofskonferenz dazu? Jose Gabriel Vera ist ihr Sprecher:
    "Ich halte es für legitim, dass die Städte und Gemeinden wissen wollen, welche Rolle die Kirche in ihrer Gesellschaft spielt. Das kann man wirtschaftlich messen, wenn Sie so wollen durch die Grundsteuer, die sie nicht kassieren, oder man kann es gesellschaftlich sehen und den sozialen Dienst errechnen, den die Kirche leistet. Alle Einrichtungen, die einen Dienst an der Gesellschaft leisten, sind da von der Grundsteuer befreit, wo sie ihrer Tätigkeit nachgehen: Botschaften, Gewerkschaften, politische Parteien, NGOs – und eben auch die Kirche."
    Doch auch dort, wo sie ihrer Tätigkeit nicht nachgeht und teils hohe Einnahmen erzielt, ist die Kirche steuerbefreit. Jose Gabriel Vera verneint das zunächst: "Das stimmt so nicht, die Kirche ist nur da steuerbefreit, wo sie pastorale Aufgaben erfüllt, nicht da, wo sie ihre Räume kommerziell nutzt."
    Streit um die Grundsteuer
    Nach dem Interview nimmt er noch einmal per E-Mail Stellung. Er differenziert: "Für die Räume, die die Kirche nicht selbst gewerblich nutzt, muss der Mieter die Grundsteuer bezahlen. Über die konkrete Situation in einzelnen Diözesen hat die Bischofskonferenz keine Kenntnis."
    Das jedoch bezweifelt der Sozialist Ramon Vilar: "Das ist falsch. Die Grundsteuer muss der Besitzer bezahlen. Er kann das vielleicht im Mietvertrag anders regeln, aber grundsätzlich wird der Eigentümer mit der Grundsteuer belastet."
    Dialogbereiter in diesem Thema ist Vilars Parteikollege Carlos García de Andoin. Der Politologe und Theologe gehört zur christlichen Gruppierung in der sozialistischen Partei. Er unterstellt den Kritikern der Steuerbefreiung anti-kirchliche Absichten:
    "Ehrlich gesagt glaube ich, dass bei vielen Verteidigern des Laizismus handfeste Kirchenfeindlichkeit dahinter steckt. Ihr einziges Ziel ist es, die Macht der Kirche zu mindern. Das kommt ganz klar vom Nationalkatholizismus der Franco-Zeit. Aber abgesehen davon sehe ich oft diese aggressive Haltung, die dahin führen soll, die Religion aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Und das halte ich für undemokratisch."
    Laizismus oder Kirchenfeindlichkeit?
    Tatsächlich geht der Angriff auf die Steuerbefreiung der Kirche mit anderen Neuerungen einher. Jose Gabriel Vera von der Bischofskonferenz:
    "Hier in Madrid haben wir jedes Jahr eine Krippe auf dem Puerta del Sol-Platz, im Zentrum der Stadt. Dieses Jahr stellt das Rathaus sie nicht auf. Na gut. Ich finde, das schadet unseren Traditionen aus einem falsch verstandenen Laizismus heraus, weil manche das Bedürfnis haben, öffentliche Zeichen von Religiosität verschwinden zu lassen. Das ist gegen die Menschenrechte. Den Glauben öffentlich auszudrücken, das verletzt doch nicht die Überzeugungen anderer! "
    Die Einstellung zur Kirche spaltet die Spanier. Laizismus, das ist bei vielen gleichbedeutend mit Kirchenfeindlichkeit, vor allem bei Angehörigen ehemaliger Franco-Opfer. Sie werfen der Kirche ihre repressive Rolle während 40 Jahren nationalkatholischer Diktatur vor.
    Auf dem Weg zu einem "integrierenden Laizismus"?
    Mit einer öffentlichen Stellungnahme, einer Anerkennung der Opfer könnte sich Spaniens Kirche vermutlich viele Sympathien zurückholen. Letztlich geht es also darum, aufeinander zuzugehen – bei Themen wie der Steuerbefreiung, aber auch generell. Der Sozialist und Christ Carlos García de Andoin ist zuversichtlich:
    "Viele Gläubige wie ich befürworten die Trennung von Kirche und Staat. Sie ist auf jeden Fall der beste Rahmen für Religionsfreiheit und friedliches Zusammenleben. Jeder kann seine Überzeugungen pflegen, ohne Privilegien. Ich hoffe, dass wir da vorankommen, auf dem Weg zu einem integrierenden Laizismus, sodass in der gesellschaftlichen Diskussion jeder eine Stimme hat."