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Streit statt Vergebung und Gemeinschaft

Frankreichs Muslime sind am Ende des diesjährigen Ramadan gespalten. Eine radikalisierte Jugend und interne Querelen machen auf der einen Seite Schwierigkeiten, vonseiten der Politik sorgen das strenge Burka-Verbot und das geplante Laizitätsgesetz für Ärger.

Von Ursula Welter |
    Am Eingang der Großen Moschee von Paris wird für das "Id al Fitr" gesammelt, das Fest des Fastenbrechens. 5 Euro sind Pflicht für jedes Familienoberhaupt, der Bezahlmodus ist am Haupteingang erklärt.

    Wann wird gefeiert? "Das wissen wir spätestens Mittwoch, vielleicht auch erst Donnerstag", raunt der dunkelhäutige Pförtner im langen weißen Kaftan. Mit einem breiten Grinsen zieht er weiter Schürzen und Tücher aus dem Pappkarton am Boden, reicht sie den Touristinnen, deren Kleidung für zu leicht befunden wird.

    Der Mann im prächtigen Eingangsbereich der Großen Moschee weiß natürlich auch, dass der Ramadan 2013 für Frankreichs Muslime ein Fehlstart war. Dass es Streit gab um das Datum. Hinter ihm öffnet sich der Blick auf den Innenhof, weißer Marmor, prächtige Mosaike, das Grün des Islam, Palmen mitten in Paris.
    Der islamische Dachverband CFCM hatte, zum ersten Mal, das Datum für den Beginn des Ramadan Monate im Voraus festgelegt und verkündet. Der 9. Juli sollte es sein. So mancher hatte schon mit dem Fasten begonnen, da hieß es, Kommando zurück, wir beginnen erst am 10.

    "Ich habe meinen Ramadan begonnen, wenn man mir dann sagt, du hast dich geirrt, mache ich daraus keine Affäre."

    … aber wütend ist dieser Besucher der Moschee heute noch über das Hin und Her zu Beginn der Fastenzeit:

    "Was die Muslime schockiert hat, ist die Tatsache, dass das Datum seit zwei Monaten im Kalender stand und damit die Muslime gespalten wurden."

    Denn andernorts begann das Fasten am 10. Juli, auch deshalb musste der muslimische Dachverband im letzten Moment einlenken.

    Die Mehrheit der Gläubigen habe dem Ramadan-Start in anderen Ländern, vor allem in Saudi-Arabien folgen wollen, erklärte der Rektor der Großen Moschee von Paris, Dalil Boubakeur, kleinlaut.

    Manche muslimische Gruppierungen fühlten sich verschaukelt, der Neumond sei schließlich der Neumond. Im Internet kursierten Aufrufe, den ungeliebten Dachverband endlich abzuschaffen, jede Moschee solle sich selbst organisieren.

    Seit seiner Gründung ist der CFCM von Rivalitäten geprägt, algerisch beeinflusste Gruppierungen hier, marokkanische dort, Verbände mit Nähe zur Muslimbruderschaft darunter. Ein Machtkampf wird auch diesmal, hinter dem Streit um das Datum vermutet.

    "Die größte Herausforderung, die wir meistern müssen, ist die des Durstes, des Wassers,"

    ... sagte Dalil Boubakeur bei anderer Gelegenheit über die Fastenzeit, wissend, dass dies nicht seine größte Sorge ist. Der freundliche ältere Herr, der sich stets viel Zeit für Besucher nimmt, gilt vielen Muslimen als Beweis für verkrustete Strukturen. Boubakeur war unlängst erneut zum Präsidenten des Dachverbandes ernannt worden, nach langem, internen Streit der verschiedenen algerisch- und marokkanisch-geprägten Fraktionen. Frankreichs Medien sehen in Boubakeur gerne den Vertreter des gemäßigten Islam in Frankreich, aber an seinem Einfluss gibt es Zweifel, Islamexperten sagen, es fehle ihm an Kontakt zur jungen, aufgebrachten Basis, die sich in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten zunehmend radikalisiere.

    Innenminister Manuell Valls hat während des Ramadan Moscheen besucht, die Große Moschee in Paris, auch die in Lyon.

    "Ich bin froh, dass es eine allgemeine Repräsentanz des Islam in Frankreich gibt, einen Dachverband. Ich übersehe die interne Debatte nicht, aber die Regierung, auch die Kommunen, brauchen einen Ansprechpartner."

    Die Muslime auf der anderen Seite sind froh, dass der Minister sich Zeit nimmt.

    "Es gibt mehr und mehr Übergriffe in Frankreich gegen Moscheen",

    … beklagt der Rektor der Moschee in Lyon.

    "Wer eine Religion attackiert, attackiert die Republik","

    versuchte der Innenminister die Muslime vor wenigen Tagen zu beruhigen. Diesmal in einer kleinen Moschee im Departement Seine-et-Marne, auf deren Mauern gerade Hakenkreuze geschmiert worden waren.

    Offene Angriffe auf die Moscheen, eine starke rechtsradikale Partei, wie den Front National, und auf der anderen Seite eine zunehmend aufgebrachte Stimmung in den Vorstädten, wo die Jugendarbeitslosigkeit teils 40 Prozent beträgt.

    Zuletzt brannten Autos, als die Polizei eine Burka-Trägerin kontrollierte, Ganzkörperschleier waren unter konservativer Führung in Frankreich verboten worden. Aber auch die Sozialisten kommen an der Debatte nicht vorbei: Der "Hohe Integrationsrat Frankreichs", der die Regierung für die geplante Neufassung des "Laizitätsgesetzes" berät, hat gerade empfohlen, das Tragen des Schleiers nicht nur, wie 2004 geschehen, an den Schulen, sondern auch an den Universitäten zu verbieten. Dort gebe es zunehmend Fälle von Bekehrungseifer, es bildeten sich Parallelgesellschaften an den Hochschulen, heißt es. "Diskriminierend" nannte diesen Vorschlag daraufhin der Dachverband der Muslime. Wie die Sozialisten dem Konflikt begegnen wollen, wird sich nach der politischen Sommerpause zeigen.

    Im Rathaus von Paris wird derweil die in Frankreich geltende strikte Trennung von Staat und Religion weit ausgelegt. Auch in diesem Jahr lud der sozialistische Bürgermeister zum "Fastenfest" ein.

    ""So ein Ramadan-Abend im Rathaus, das ist keine Messe",

    verteidigt sich Bertrand Delanoe,

    "das ist ein Moment der Gemeinsamkeit, der Familien, gleich welcher Religion."

    Diese Überschrift hätten sich die Gläubigen in der Großen Moschee von Paris auch gewünscht. Statt Streit um Anfang und Ende der Fastenzeit:

    "Mit der Polemik haben wir ein wenig das eigentliche Ziel aus den Augen verloren. Dass das ein Monat des Verzeihens, der Gemeinschaft, des Festes sein sollte."