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Streit über Grundrente
Wie die Koalition konstruktiv arbeiten will

Sachlich und respektvoll - so zeigen sich die Regierungspartner nach dem Koalitionsausschuss. Gestritten wird nicht mehr über persönliche Befindlichkeiten, dafür über Inhalte: Weiterhin gibt es keine Einigung über die Grundrente. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer signalisiert jedoch einen Ausweg.

Von Ann-Kathrin Büüsker |
    Scholz und Merkel vor der Kabinettssitzung in Berlin am 6. Februar 2019
    Union und SPD streiten im Koalitionsausschuss - allerdings über Sachthemen, nicht mehr über Befindlichkeiten (imago/photothek, Florian Scholz)
    Am Tag danach sind alle Seiten bemüht zu zeigen, dass man jetzt wieder besser zusammen arbeiten will. Über Inhalte reden, statt über persönliche Konflikte.
    "Nachdem wir im letzten Jahr doch viele Koalitionsausschüsse hatten, die eher einen Showdowncharakter haben, war es gut, dass man jetzt mal aufs Jahr geblickt hat und vernünftig die Dinge klärt", so SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil heute Morgen im Deutschlandfunk. Eigentlich hatten die Teilnehmenden nach der Sitzung Stillschweigen vereinbart – dennoch trat heute zunächst CSU-Chef Markus Söder vor die ZDF-Kameras, um den guten Diskussionscharakter zu betonen:
    "Ich glaube, es ist auch so ein Orientierungsgremium."
    Und dann CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer im Fernsehsender der Welt:
    "Ja, es war eine vollkommen undramatische, sehr konstruktive Arbeitssitzung."
    Dissens in Sachen Grundrente
    Die Betonung von so viel Harmonie kann und soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass es inhaltlichen Dissens gibt. Es ist die Grundrente, die die Koalitionspartner entzweit. Das Konzept der SPD sieht vor, dass Beitragszahler nach 35 Jahren Arbeitstätigkeit ohne Bedürftigkeitsprüfung eine Grundrente beziehen können. Die Union macht die Prüfung der Bedürftigkeit allerdings mit Verweis auf den Koalitionsvertrag zur Bedingung. Dies betonten Kramp-Karrenbauer und Söder nach dem Koalitionsausschuss noch einmal.
    Ziel des Vorschlags von Arbeitsminister Hubertus Heil ist es, Lebensleistung anzuerkennen und Altersarmut zu bekämpfen, so SPD-Generalsekretär Klingbeil im Deutschlandfunk:
    "Und wenn jemand 35 Jahre etwas geleistet hat, dann muss er sich drauf verlassen können, dass er oder sie in Würde alt werden kann und dafür hat Hubertus Heil jetzt einen Weg vorgeschlagen, den er als zuständiger Minister jetzt konkretisieren wird, die Gespräche darüber gehen weiter, aber ich bin mir sicher, dass man mit guten Argumenten auch die Union noch überzeugen können wird."
    Einigung nicht ausgeschlossen
    Das scheint – bei aller Betonung der Unterschiede der Konzepte, nicht ausgeschlossen. Annegret Kramp-Karrenbauer machte heute deutlich: Auch die CDU will eine Grundrente, sie pocht allerdings weiterhin darauf, dass die Bedürftigkeit der Empfänger geprüft wird:
    "Wir wollen, dass Leistung sich lohnt, wir wollen, dass derjenige, der lange gearbeitet hat, eben am Ende auch mehr hat.
    Kramp-Karrenbauer signalisierte hier jedoch Gesprächsbereitschaft gegenüber Arbeitsminister Heil:
    "Die Möglichkeit bestünde ja auch zum Beispiel darin, dass man noch mal darüber redet, was heißt Bedürftigkeitsprüfung. Wenn er allerdings darauf besteht, dass es überhaupt keine Bedürftigkeitsprüfung geben sollte, dann glaube ich wird eine Einigung eher schwer."
    Wohneigentum schonen
    Sowohl Kramp-Karrenbauer, als auch CSU-Chef Markus Söder, die ja beide erstmals beim Treffen des Koalitionsausschusses dabei waren, stellten bei der Bekämpfung von Altersarmut das Wohneigentum in den Mittelpunkt. Dies könnte im Falle von Bedürftigkeit von Unterstützungsleistungen stärker geschont und eben nicht angerechnet werden, erläuterte Söder:
    "Viele ältere Menschen, die haben ein selbst genutztes, kleines Heim. Haben lange dafür gespart, ihr Leben lang. Haben jetzt vielleicht nicht die große Rente und haben Angst, dass dieses Heim jetzt quasi verpfändet werden muss. Ich glaube diese Angst muss man nehmen, um das Ganze gerecht zu machen."
    Der Streit über die Grundrente wird die Regierungskoalition also in den kommenden Monaten auf Trab halten. Er bietet aber auch die Möglichkeit für die Parteien sich inhaltlich voneinander abzugrenzen. Nun ist zunächst Arbeitsminister Heil am Zug ein detailliertes Konzept auszuarbeiten.
    Der Koalitionsausschuss soll in Zukunft häufiger tagen - auch um die Unions-Parteichefs Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder, die ja weder Teil der Bundesregierung noch des Bundestages sind, in die politischen Entscheidungsprozesse einzubinden.