"Dürfen wir noch mal bei Euch gucken, wie Ihr lernt? Einmal ganz kurz."
Schulleiter Gerd Kühn steckt den Kopf durch die Tür, und zwölf kleine Augenpaare blicken ihn neugierig an. Doch die Kinder lassen sich nicht lange ablenken und konzentrieren sich schnell wieder auf ihre Mathe-Aufgabe: Obst auf kleinen Kärtchen zählen und so das Einmaleins lernen.
"Spitze, und jetzt guckst Du Dir das nächste Bild an. Als Erstes überlegst Du Dir, wie heißt die Plus-Aufgabe?"
Lehrerin Birgit Jupke kniet vor dem Pult der neunjährigen Sandra und lobt und ermuntert sie. Die Comenius-Förderschule in Leverkusen kümmert sich individuell um jedes Kind. 35 Lehrer sind für 145 Kinder da – ein Betreuungsangebot, von dem viele Schulen nur träumen können. Die Schüler haben Sprach- oder Konzentrationsprobleme, oder sie werden speziell in ihrer emotionalen und sozialen Entwicklung gefördert. Unterstützen, loben, motivieren – das ist das A und O, sagt Schulleiter Gerd Kühn:
"Der erste Erfolg, den wir dann haben, das ist, dass Eltern, die ihre Kinder bei uns angemeldet haben, wenn die uns dann nach ein, zwei Wochen berichten, Mensch, der steht morgens auf… da habe ich ihn vorher nicht aus dem Bett bekommen. Das ist schon ein Indikator dafür, dass wir hier erst mal bei den Schulneulingen auf dem richtigen Weg sind."
Doch das bewährte Förderschulsystem und dessen gesamte Existenz sehen viele Verbände, Eltern und Lehrer in Gefahr, denn verpflichtet durch eine UN-Konvention will die rot-grüne Landesregierung in NRW im nächsten Jahr einen Rechtsanspruch für behinderte Kinder auf Unterricht in normalen Regelschulen einführen. An sich eine gute Idee, sagt Schulleiter Kühn, aber mit der bisherigen Planung ist er unzufrieden:
"Ich stelle fest, dass sich viele allgemeine Schulen allein gelassen fühlen. Da wird gesagt, Ihr müsst Fortbildungen machen. Aber man muss immer überlegen, wenn man gar keine Vorstellung hat, was man eigentlich braucht an Fortbildungen, dann ist das etwas schwierig."
Zudem vermissen viele Lehrer verbindliche Qualitätsstandards für den inklusiven Unterricht, und die Kommunen fürchten angesichts eines so fundamentalen Eingriffs in das Schulsystem auf den Kosten sitzen zu bleiben: Der Städtetag NRW droht bereits mit einer Klage. Derweil wurde der Gesetzentwurf bei einer Experten-Anhörung kürzlich im Düsseldorfer Landtag förmlich zerpflückt. Dort versuchte Grünen-Schulministerin Sylvia Löhrmann heute Mittag nun die Wogen zu glätten – sie verlas zur Rechtfertigung einen Elternbrief, in dem eine Mutter die positiven Erfahrungen ihres Sohnes an einer inklusiven Schule beschreibt:
"Inzwischen nutzt er häufig allein öffentliche Verkehrsmittel als autistisches Kind und kommt immer super zu Hause an. Die Mutter beschreibt weiter, dass das Kind in der sozialen Gemeinschaft lebt und alleine zurecht kommt. Das ist der Weg. Es gibt Schwierigkeiten, sie sind aber steuerbar, wir gemeinsam sollten dieser Weg in NRW begleiten."
Es war eine hitzige Debatte im Landtag – zwar bekennen sich alle fünf Fraktionen offen zur Inklusion, aber die Umsetzung sei katastrophal, meint die CDU genauso wie der FDP-Abgeordnete Joachim Stamp:
"Wenn wir das hier problematisieren, dann deshalb, weil wir in unseren Wahlkreisen angesprochen werden von Eltern, die unter Tränen auf uns zukommen, die Sorge haben, dass Förderschulen aufgelöst werden, dass Förderorte, wo Kinder, die es am nötigsten brauchen, einen geschützten Raum haben, in Schulen jetzt kommen sollen, die nicht darauf vorbereitet sind, und das treibt uns um. Wir haben den Eindruck, Sie wollen hier blind etwas durchpreschen, wo Sie die Kinder auf der Strecke lassen."
Derzeit haben nur 6,7 Prozent der Kinder in Primar- und Sekundarstufe I einen sonderpädagogischen Förderbedarf in Nordrhein-Westfalen. Ihnen und den Eltern verspricht die Landesregierung eine angemessene Umsetzung der Inklusion. Von einer kompletten Abschaffung der Förderschulen als Sparmaßnahme könne nicht die Rede sein, so heißt es immer wieder. Von solchen Szenarien hält auch Förderschulleiter Gerd Kühn aus Leverkusen rein gar nichts:
"Es wird immer Kinder geben, die in diesem Förderschulsystem besser aufgehoben sind. Auf der anderen Seite: Es gibt ja viele Kinder, von denen ich denke, die müssen nicht zwingend hier sein. Die können auch unter anderen Bedingungen an einer Regelschule gefördert werden."
Wie diese Bedingungen aussehen, darüber wird der Landtag in Nordrhein-Westfalen spätestens nach der Sommerpause weiter debattieren, möglicherweise auch weiter streiten.
Schulleiter Gerd Kühn steckt den Kopf durch die Tür, und zwölf kleine Augenpaare blicken ihn neugierig an. Doch die Kinder lassen sich nicht lange ablenken und konzentrieren sich schnell wieder auf ihre Mathe-Aufgabe: Obst auf kleinen Kärtchen zählen und so das Einmaleins lernen.
"Spitze, und jetzt guckst Du Dir das nächste Bild an. Als Erstes überlegst Du Dir, wie heißt die Plus-Aufgabe?"
Lehrerin Birgit Jupke kniet vor dem Pult der neunjährigen Sandra und lobt und ermuntert sie. Die Comenius-Förderschule in Leverkusen kümmert sich individuell um jedes Kind. 35 Lehrer sind für 145 Kinder da – ein Betreuungsangebot, von dem viele Schulen nur träumen können. Die Schüler haben Sprach- oder Konzentrationsprobleme, oder sie werden speziell in ihrer emotionalen und sozialen Entwicklung gefördert. Unterstützen, loben, motivieren – das ist das A und O, sagt Schulleiter Gerd Kühn:
"Der erste Erfolg, den wir dann haben, das ist, dass Eltern, die ihre Kinder bei uns angemeldet haben, wenn die uns dann nach ein, zwei Wochen berichten, Mensch, der steht morgens auf… da habe ich ihn vorher nicht aus dem Bett bekommen. Das ist schon ein Indikator dafür, dass wir hier erst mal bei den Schulneulingen auf dem richtigen Weg sind."
Doch das bewährte Förderschulsystem und dessen gesamte Existenz sehen viele Verbände, Eltern und Lehrer in Gefahr, denn verpflichtet durch eine UN-Konvention will die rot-grüne Landesregierung in NRW im nächsten Jahr einen Rechtsanspruch für behinderte Kinder auf Unterricht in normalen Regelschulen einführen. An sich eine gute Idee, sagt Schulleiter Kühn, aber mit der bisherigen Planung ist er unzufrieden:
"Ich stelle fest, dass sich viele allgemeine Schulen allein gelassen fühlen. Da wird gesagt, Ihr müsst Fortbildungen machen. Aber man muss immer überlegen, wenn man gar keine Vorstellung hat, was man eigentlich braucht an Fortbildungen, dann ist das etwas schwierig."
Zudem vermissen viele Lehrer verbindliche Qualitätsstandards für den inklusiven Unterricht, und die Kommunen fürchten angesichts eines so fundamentalen Eingriffs in das Schulsystem auf den Kosten sitzen zu bleiben: Der Städtetag NRW droht bereits mit einer Klage. Derweil wurde der Gesetzentwurf bei einer Experten-Anhörung kürzlich im Düsseldorfer Landtag förmlich zerpflückt. Dort versuchte Grünen-Schulministerin Sylvia Löhrmann heute Mittag nun die Wogen zu glätten – sie verlas zur Rechtfertigung einen Elternbrief, in dem eine Mutter die positiven Erfahrungen ihres Sohnes an einer inklusiven Schule beschreibt:
"Inzwischen nutzt er häufig allein öffentliche Verkehrsmittel als autistisches Kind und kommt immer super zu Hause an. Die Mutter beschreibt weiter, dass das Kind in der sozialen Gemeinschaft lebt und alleine zurecht kommt. Das ist der Weg. Es gibt Schwierigkeiten, sie sind aber steuerbar, wir gemeinsam sollten dieser Weg in NRW begleiten."
Es war eine hitzige Debatte im Landtag – zwar bekennen sich alle fünf Fraktionen offen zur Inklusion, aber die Umsetzung sei katastrophal, meint die CDU genauso wie der FDP-Abgeordnete Joachim Stamp:
"Wenn wir das hier problematisieren, dann deshalb, weil wir in unseren Wahlkreisen angesprochen werden von Eltern, die unter Tränen auf uns zukommen, die Sorge haben, dass Förderschulen aufgelöst werden, dass Förderorte, wo Kinder, die es am nötigsten brauchen, einen geschützten Raum haben, in Schulen jetzt kommen sollen, die nicht darauf vorbereitet sind, und das treibt uns um. Wir haben den Eindruck, Sie wollen hier blind etwas durchpreschen, wo Sie die Kinder auf der Strecke lassen."
Derzeit haben nur 6,7 Prozent der Kinder in Primar- und Sekundarstufe I einen sonderpädagogischen Förderbedarf in Nordrhein-Westfalen. Ihnen und den Eltern verspricht die Landesregierung eine angemessene Umsetzung der Inklusion. Von einer kompletten Abschaffung der Förderschulen als Sparmaßnahme könne nicht die Rede sein, so heißt es immer wieder. Von solchen Szenarien hält auch Förderschulleiter Gerd Kühn aus Leverkusen rein gar nichts:
"Es wird immer Kinder geben, die in diesem Förderschulsystem besser aufgehoben sind. Auf der anderen Seite: Es gibt ja viele Kinder, von denen ich denke, die müssen nicht zwingend hier sein. Die können auch unter anderen Bedingungen an einer Regelschule gefördert werden."
Wie diese Bedingungen aussehen, darüber wird der Landtag in Nordrhein-Westfalen spätestens nach der Sommerpause weiter debattieren, möglicherweise auch weiter streiten.