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Streit über Strafzölle
"Kein 'Dirty Deal' unter Druck"

Der SPD-Europapolitiker Bernd Lange ist dagegen, den USA beim Handelsstreit um Strafzölle entgegenzukommen. In bestimmten Bereichen könne man sich zwar bilateral einigen, sagte er im Dlf - aber nicht auf der Ebene von "Abschottungszöllen".

Bernd Lange im Gespräch mit Christiane Kaess |
    EU-Politiker Bernd Lange (SPD) sitzt vor einer EU-Flagge
    Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments (imago / Agencia EFE)
    Christiane Kaess: Der drohende Handelskrieg mit den USA ist für die Europäer erst einmal abgewendet. Die Frage ist nur, wie lange. US-Präsident Trump nimmt die EU von Strafzöllen auf Aluminium und Stahl aus. Vom Tisch ist das Thema damit aber nicht. Bis zum 1. Mai soll weiterverhandelt werden. Aus den USA gehen wir nach Brüssel. Dort sitzen seit gestern die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel zusammen, die von der Nachricht aus Washington in der Nacht mehr oder weniger überrascht wurden.
    Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Bernd Lange von der SPD. Er ist im Europäischen Parlament der Vorsitzende des Ausschusses für internationalen Handel. Guten Tag, Herr Lange.
    Bernd Lange: Guten Tag.
    Wieder auf internationales Handelsrecht zurückkommen
    Kaess: Herr Lange, wie groß ist denn Ihr Vertrauen in Präsident Trump, dass er den Europäern tatsächlich diese sechs Wochen Aufschub jetzt gewähren wird mit der ernsthaften Intention, den Konflikt noch im beiderseitigen Einverständnis zu lösen?
    Lange: Natürlich sehr gering. Wissen Sie, es geht ja hier um Abschottungsmaßnahmen des amerikanischen Stahlmarktes und das hat nichts mit internationalem Handelsrecht zu tun. Insofern kann ich mir auch schwerlich vorstellen, dass seine Denke, er müsste fairere Bedingungen für die amerikanische Industrie erzwingen, erfolgreich sein kann und dass er davon auch wieder ablässt. Nein, wir müssen ihm – und das war auch die Strategie der Europäischen Union bisher – klarmachen: Wir haben ein internationales Handelsrecht und dieses Recht garantiert Sicherheit, und er sollte, bitte schön, da wieder drauf zurückkommen.
    Kaess: Bevor wir da noch ein bisschen weiter in die Tiefe gehen, was da Recht ist und was nicht Recht ist, sagen Sie uns gerade noch, was Sie glauben, warum Trump diesen Aufschub jetzt gewährt hat? Glauben Sie, das hat mit den Drohungen aus der EU zu tun, eventuell Gegenmaßnahmen zu ergreifen?
    Lange: Nein. Ich glaube nicht, dass das mit Drohungen zu tun hat. Das hat mit intensiven Gesprächen zu tun und sicherlich auch mit der Einsicht, dass viele Länder doch in vielen Bereichen Partner der Vereinigten Staaten sind. Und es gibt ja auch in der Tat gemeinsame Interessenslagen und insofern war das, glaube ich, der Grund und nicht irgendwelche Gegenmaßnahmen oder die Drohung damit.
    "Es gibt drei Bereiche, wo man miteinander reden kann"
    Kaess: Aber der Druck ist ja eigentlich nicht weg. Das ist jetzt ein Aufschub für sechs Wochen. Und wir haben es gerade schon im Gespräch mit unserem Kollegen Peter Kapern gehört: Von EU-Seite aus wird das durchaus so interpretiert, als wäre der EU da jetzt der Revolver auf die Brust gesetzt worden. Ist das Erpressung?
    Lange: Nein, das war ja vorher auch schon so. Auch die Verknüpfung dieser Stahl-Abschottungszölle mit Sicherheit oder mit Handelsbilanzdefizit oder anderen Dingen, die ursächlich nichts miteinander zu tun haben, ist absurd und das war Erpressung. Deswegen finde ich richtig, dass wir als Europäer mal gesagt haben, es kann gar keine Verhandlungen geben, sondern höchstens Gespräche mit dem Ziel, zurückzukommen auf internationales Recht. Kein "Dirty Deal" unter Druck.
    Kaess: Aber dennoch. Wenn die EU jetzt bei ihrer Position bleibt, dann verstreichen diese sechs Wochen, ohne dass etwas passiert, und danach werden die Strafzölle wahrscheinlich in Kraft treten, wenn wir Trump richtig verstehen.
    Lange: Es gibt drei Bereiche, wo man miteinander reden kann, wo es gemeinsame Interessenslagen gibt. Das eine ist, wie gehen wir mit China um. Da gibt es Dumping und Subventionsbetrug und Probleme mit dem geistigen Eigentum. Darüber kann man reden. Zum zweiten: Es gibt auch global eine Stahlüberproduktion. Im Rahmen der G20 gibt es ein Stahlforum. Das kann man sicherlich noch mal beschleunigen, die Diskussion, um da voranzukommen. Und zum dritten kann man natürlich über Handelsbilanz und Dienstleistungsbilanz reden, aber das ist ein mittelfristiges, längerfristiges Thema.
    "Wir haben keine Handelsbarrieren"
    Kaess: Mit China, was Sie gerade angesprochen haben, da hat Trump ja offenbar schon seinen eigenen Umgang gefunden. Er will jetzt ganz konkret von der EU, dass die sich bewegt und dass die Handelsbarrieren abbaut.
    Lange: Wir haben keine Handelsbarrieren. Wir haben Außenzölle – haben die Vereinigten Staaten auch. Die gelten für alle Länder dieser Erde. Zehn Prozent auf PKW aus den USA, aber auch aus Japan. Genau das gleiche machen die USA. Die haben 25 Prozent Zoll für Pickups und für den VW-Bus.
    Kaess: Aber umgekehrt, wenn ich gerade mal einhaken darf, nur 2,5 Prozent für Autos aus der EU. Das ist natürlich schon ein Unterschied zu den zehn Prozent.
    Lange: Ja, aber das sind die bei der WTO hinterlegten Außenzölle, die für alle gelten. Und da muss man auch sehen: Im Grunde sind die fast alle sehr gering. Es gibt einige Peaks mit besonderen Interessenslagen. Noch mal: Pickups sind die meist verkauften Autos in den USA und die werden mit 25 Prozent bezollt. Oder Schuhe mit über 50 Prozent. Da gibt es Peaks und deswegen kann man auch bilateral im Rahmen eines Handelsvertrages darüber diskutieren. Wenn man die einseitig senkt, dann gelten die wegen der Meistbegünstigung im Rahmen der WTO für alle Außenstaaten.
    Kaess: Sie hören sich jetzt so an, Herr Lange, als würden Sie sich auf Seiten der EU komplett im Recht fühlen, als würde sich da gar nichts tun. Wir hören uns mal an, was Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU heute Morgen bei uns im Programm gesagt hat:
    O-Ton Peter Altmaier: "Wenn aus Sicht der USA Punkte auf den Tisch gelegt werden, wo sie sich unfair behandelt fühlen, werden wir das diskutieren. Umgekehrt werden auch die Europäer Punkte anbringen, wo sie sich ungerecht und unfair behandelt fühlen."
    Kaess: Soweit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. – Was heißt denn das, wir werden diskutieren? Das heißt, die EU wird sich doch irgendwo bewegen?
    Lange: Ich sage mal, das ganze Zollsystem ist ein internationales System. Wir haben ja – und da habe ich auch viel persönliche Lebenszeit investiert – über TTIP diskutiert.
    "Gegenmaßnahmen im Köcher behalten"
    Kaess: Kommt aber nicht.
    Lange: Kommt nicht, und das haben die USA letztendlich scheitern lassen. Darüber hätte man bilateral was machen können. Ansonsten bewegen wir uns im Rahmen der WTO mit 164 Partnern. Da kann man auch viele Fortschritte erreichen, wenn man es will. Aber auch da scheinen im Moment die USA zu blockieren und internationale Vereinbarungen nicht mehr akzeptieren zu wollen und das Recht des Stärkeren durchzusetzen, und da sehe ich kaum Chancen, bilateral was zu erreichen.
    Kaess: Wenn ich mal versuchen kann, das zu interpretieren, was Sie jetzt sagen? Sie sagen, die EU wird sich nicht bewegen. Das heißt, wenn wir vorausblicken, die sechs Wochen werden ungenutzt verstreichen. Man wird vielleicht reden, aber es wird sich nichts ändern, und dann kommen die Strafzölle gegen die EU doch.
    Lange: Wie gesagt, in den drei Punkten kann man miteinander gemeinsame Interessen ausloten und vielleicht Vereinbarungen treffen, die aber auf einer anderen Ebene spielen als diese Abschottungszölle. Nein, ich rechne damit, dass wir unsere Gegenmaßnahmen in der Tat im Köcher behalten müssen.
    Kaess: Jetzt haben Sie China schon kurz angesprochen. Gegen China will Trump jetzt umfassende neue Strafzölle verhängen. Ist er letztendlich mit der Strategie, die er dort fährt, nicht erstens erfolgreich? Und zweitens: Profitieren nicht sogar noch die Europäer davon, die ja auch unter dem Handelsverhalten, sage ich jetzt mal, von China eigentlich leiden?
    Lange: Gegenüber China haben wir Strafzölle, Dumping-Zölle in Kraft.
    "Trump schneidet in das eigene Fleisch"
    Kaess: Ohne, dass es was gebracht hat.
    Lange: Nee, nee, nee, nee. Zum Beispiel bei den Solar-Panels ist ein gerechter Preis entstanden. Oder bei E-Bikes sind wir in einer Untersuchung, bei Fahrrädern, bei einer ganzen Reihe von Produkten. Wir werden sicherlich nicht das Verhalten Chinas damit ändern können, aber die Importsituation in der Europäischen Union ändern können. – Nein, der Herr Trump nutzt ja da zwei Tricks, dass er alleine handeln kann, ohne den Kongress, und das ist das größte Problem: Ein Gesetz aus dem Kalten Krieg von 1962 bei den Stahlfragen, dass das mit angeblich nationaler Sicherheit was zu tun hat, und jetzt ein neues von 1974, wo der Präsident ermächtigt wird, alleine zu handeln. Damit schneidet er, glaube ich, in das eigene Fleisch der Interessen der Vereinigten Staaten, wenn es zu einer Eskalation kommt, und deswegen kann man nur die Kräfte auch seiner eigenen Partei im Kongress unterstützen, hier einen Riegel vorzuschieben und diese Möglichkeiten des Handelns wieder in die Verantwortung des Parlaments in den USA zu bekommen.
    Kaess: Jetzt haben Sie selber gesagt, Chinas Verhalten hat sich eigentlich nicht geändert, und Trump hat das noch mal konkretisiert. Er hat jetzt auch gesagt, das ist jetzt die Antwort, seine Strafzölle gegen China ist die Antwort auf das Handelsdefizit von 800 Milliarden Dollar und auf milliardenschweren Diebstahl geistigen Eigentums. Das ärgert ja auch viele hierzulande. Können Sie sich nicht vorstellen, dass die jetzt sagen, Trump packt das jetzt endlich mal richtig an?
    Lange: Dass es angepackt werden muss, da gebe ich Ihnen völlig recht. Übrigens hat Trump ja auch gegenüber chinesischem Stahl zurecht Dumping-Strafzölle erlassen – 250 Prozent. Es gibt ja kaum noch chinesischen Stahl, der in die USA kommt. Da sind wir völlig einer Meinung. Oder auch, wie man mit einer Überwachung von chinesischen Investitionen umgeht, damit nicht Technologie abgeschöpft wird, oder wie man international geistiges Eigentum stärker schützen kann. Gar keine Frage. Aber ich glaube, die Art und Weise, wie da die Pistole herausgeholt wird, das ist nicht adäquat.
    Kaess: … sagt Bernd Lange von der SPD. Im Europäischen Parlament ist er der Vorsitzende des Ausschusses für internationalen Handel. Danke für das Gespräch heute Mittag.
    Lange: Gerne! Alles Gute.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.