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Streit um Akteneinsicht für NSA-Ausschuss
Strafrechtler sieht Berlins letzte Verteidigungslinie

Die Bundesregierung will dem NSA-Untersuchungsausschuss nur teilweise Einblick in ihre Akten gewähren. Zentrales Argument ist der Hinweis auf den sogenannten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Den Streit darum könne wohl nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden werden, sagte der Staatsrechtler Franz Mayer im DLF.

Franz Mayer im Gespräch mit Jochen Fischer |
    Der NSA-Untersuchungsausschuss trifft sich zur zweiten Sitzung des NSA-Untersuchungsausschuss in Berlin.
    Der Untersuchungsausschuss soll sich mit den Aktivitäten der NSA in Deutschland befassen. ( picture alliance / dpa / Daniel Naupold)
    Die "exekutive Eigenverantwortung" sei die letzte Verteidigungslinie einer Regierung, die "nicht alles preisgeben will", ergänzte Mayer. Das Bundesverfassungsgerichts sage, die Regierung müsse die Möglichkeit haben, in ihrem Kernbereich bestimmte Dinge vor dem Zugriff des Parlaments zu schützen, weil die Regierung "in unserem System vorgesehen ist". Bei den Verhandlungen um ein Geheimdienstabkommen mit den USA könne sich die Regierung möglicherweise darauf berufen, dass diese noch nicht abgeschlossen sind.
    Politisch komme hinzu, dass ein Untersuchungsausschuss ein Instrument der Opposition sei. "Die Opposition will herausfinden, ob die Regierung etwas falsch gemacht hat und die Regierung will natürlich nicht dumm dastehen, wenn sie etwas falsch gemacht hat. Das sind die eigentlichen Grenzlinien."
    Snowdens Einreise läge im "Ermessen" der Bundesregierung
    Eine Vernehmung des ehemaligen amerikanischen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden könne man derweil nicht "nicht mit dem pauschalen Verweis auf ein angebliches Staatswohl zukleistern", nur weil es für die Bundesregierung "unangenehm" sein könnte.
    Entscheidender sei daher die Frage, wie Snowden vernommen werden könne, da dieser ja in die Bundesrepublik einreisen müsste. "Er bräuchte einen Einreisetitel. Die Regierung kann da sehr großzügig sein, wir Juristen nennen das 'Ermessen'. Beim 'Ermessen' kann man nur schwer prüfen, ob die Motive, die dieses "Ermessen' leiten, wirklich richtig sind."
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    Jasper Barenberg: Noch bevor der NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag mit seinen Nachforschungen überhaupt begonnen hat, hat die Bundesregierung in den vergangenen Tagen vor allem eines deutlich gemacht: Mit einer umfassenden Zusammenarbeit können die Parlamentarier nicht rechnen. Ob es um die Befragung von Edward Snowden geht, um brisante Akten aus dem Kanzleramt, oder Informationen über die Zusammenarbeit der Geheimdienste mit ihren Partnern in den USA oder Großbritannien, stets führen die Verantwortlichen ins Feld, dass sich die Behörden bedeckt halten müssen, um schweren außenpolitischen Schaden zu vermeiden. Eine gewichtige Rolle dabei spielt der Verweis auf den sogenannten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Wann aber kann die Regierung diese Karte ziehen und wann nicht? Darüber hat mein Kollege Jochen Fischer mit dem Staatsrechtler Franz Mayer von der Universität Bielefeld gesprochen.
    Jochen Fischer: Das hört sich irgendwie an wie ein Totschlagargument. Wer bestimmt das denn, was zur exekutiven Eigenverantwortung gehört?
    Franz Mayer: Zunächst einmal natürlich die Exekutive. Aber da es um diesen Punkt regelmäßig Streit gibt, kann so etwas dann letztlich verbindlich für alle Seiten konkret in einem Streit dann nur vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden.
    Fischer: Wie weit kann die Regierung das denn auslegen?
    Mayer: Man muss da, glaube ich, ein bisschen in die Geschichte zurückgucken, wo das eigentlich herkommt. Das ist im Jahr 1984 sehr prominent entwickelt worden, auch in einem bekannten Untersuchungsausschuss-Kontext, damals der Flick-Untersuchungsausschuss. Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung ist dabei die letzte Verteidigungslinie einer Regierung, die eben doch nicht alles preisgeben will, was sie möglicherweise an Informationen hat. Und da sagt das Bundesverfassungsgericht, ja, das Untersuchungsausschussrecht ist ein enorm scharfes Schwert und dementsprechend muss die Regierung noch die Möglichkeit haben, bestimmte Dinge in ihrem Kernbereich zu schützen vor dem Zugriff des Parlaments, weil die Regierung ja letztlich schon in unserem System auch vorgesehen ist.
    Da ist noch etwas im Fluss
    Fischer: Es gibt ja ein weiteres Urteil aus Karlsruhe, das ist aus 2009. Damals wollte ja ein Untersuchungsausschuss die Rolle des BND im Irak aufklären. Die Regierung hat zunächst abgeblockt und dann hat sie in Karlsruhe verloren. Geht sie hier nicht das gleiche Risiko ein, nämlich wieder zu unterliegen?
    Mayer: Das kommt wirklich auf den konkreten Fall an. Wenn man auf diesen Begriff, dieses Konzept der exekutiven Eigenverantwortung schaut, dann ist da die Leitidee eigentlich, dass die Regierung Dinge zurückhalten darf, die noch sozusagen im Fluss sind. Die Idee ist hier, dass man nicht, während man sich noch einen Willen bildet innerhalb einer Bundesregierung, in den Ministerien, im Kabinett insbesondere ständig sozusagen Angst haben muss, dass das Parlament das als Nächstes in die Finger kriegt. Wieder die Idee ist, dass es in einem gewaltenteiligen Staat - und Gewaltenteilung gehört ja nun mal zum Grundgesetz dazu - schon auch so eine Art eigenes Recht der Exekutive ist. Man hat oft den Eindruck, die Exekutive, das sind immer die Bösen, die irgendwie Rechte verletzen, und das Parlament sind die Guten, aber das Parlament hat eine Rolle und die Regierung, die Exekutive hat ihre Rolle. Und der Punkt hier ist eben, ist da noch etwas im Fluss, ist da noch etwas sozusagen nicht beschlossen, noch nicht abgeschlossen, und da muss man konkret schauen, was im vorliegenden Kontext hier in Betracht kommen könnte. Naheliegenderweise würde man hier an diese No-Spy-Verhandlungen denken. Wenn die noch nicht abgeschlossen sind, dann wäre es in der Tat ganz naheliegend, hier unter Rückgriff auf diese Rechtsprechung zu sagen, da sind wir wirklich noch nicht in der Lage, Akten herauszugeben, das gehört sozusagen noch zum Bereich der in der Bewegung befindlichen Regierungsverantwortung.
    Fischer: Interessant, dass Sie das sagen, wenn man sich in Erinnerung ruft das Treffen zwischen der Bundeskanzlerin und US-Präsident Obama. Da ging es ja auch darum und da hat ja der US-Präsident im Beisein der Kanzlerin gesagt, No-Spy-Abkommen, das würde er mit keinem abschließen, also auch nicht mit den Deutschen. Da ist also nichts mehr im Fluss?
    Mayer: Ja, das ist die amerikanische Position. Es kann natürlich sein, dass die Deutschen hier, jedenfalls gegenüber der Regierung, gegenüber dem Untersuchungsausschuss, immer noch die Fahne hochhalten und sagen, wir arbeiten noch daran. Aber ich denke, man muss natürlich noch mal schauen, worum es wirklich geht. Es geht natürlich im Kern nicht nur um das Gewaltenteilungsproblem, sondern man muss sich ja auch klar machen, dass letztlich der Untersuchungsausschuss auch das Instrument der Opposition ist. Die Opposition will herausfinden, ob die Regierung etwas falsch gemacht hat, und die Regierung will natürlich nicht dumm dastehen, wenn sie etwas falsch gemacht hat oder etwas gemacht hat, was möglicherweise so aussehen könnte, als hätte sie etwas falsch gemacht. Und ich glaube, das sind die eigentlichen Grenzlinien, und die werden im konkreten Fall zu bestimmen sein. Leider, muss man dann fast sagen, wird es dann letztlich vielleicht doch zu einem Gang nach Karlsruhe kommen, weil die dann im konkreten Fall natürlich das letzte Wort dann erst mal haben.
    Nicht alles mit dem Verweis auf ein Staatswohl zukleistern
    Fischer: Es geht ja auch unter anderem darum, ob der frühere Geheimdienstmitarbeiter Snowden, der jetzt in Moskau im Exil lebt, im Asyl lebt, ob der in Deutschland vor dem Ausschuss vernommen werden darf oder kann, und wenn das erlaubt werden würde – so ist die Argumentation der Regierung -, dann könne das der Regierung schaden, dem Staatswohl schaden. Da gibt es aber aus dem alten Urteil von 2009, was ich schon zitiert habe, einen berühmten Satz, der da heißt, wenn es nur peinlich wäre für die Regierung, dann reicht das nicht, sich da aufs Staatswohl zu berufen. Wäre das nicht hier genau der gleiche Fall?
    Mayer: Das sehe ich eigentlich auch so. Ich würde auch sagen, unangenehm und lästig ist ja so manches, insbesondere, wenn sich dann herausstellt, dass man möglicherweise auch selber Fehler gemacht hat oder Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie hätten laufen sollen. Aber das kann man natürlich nicht alles einfach mit dem pauschalen Verweis auf ein angebliches Staatswohl zukleistern. Ich glaube aber, dass in der Causa Snowden die Dinge noch ein bisschen komplizierter liegen, weil sich ja auch die Frage stellt, wie würde man ihn vernehmen, und um ihn ins Land zu bringen, bräuchte er ja einen Einreisetitel, ein Visum, jedenfalls die Möglichkeit, hier ins Land zu kommen, und dafür ist jetzt a priori die Regierung zuständig. Die kann zwar in bestimmten Fällen da sehr großzügig sein, aber wir Juristen nennen das Ermessen und beim Ermessen kann man eben nur ganz begrenzt überprüfen, ob die Motive, die das Ermessen leiten, wirklich richtig sind. Da gibt es in dem Sinne kein einziges richtig und alles andere wäre falsch, sondern es gibt mehrere Möglichkeiten, und da könnte es in der Tat zum Streit kommen. Man kann natürlich dann immer sagen, der Bundestag hat im Zweifel daran dann auch einschlägige gesetzliche Grundlagen zu ändern. Aber wieder: Man muss durch die Dinge durchschauen. Was dahinter steht, ist natürlich auch hier ein Konflikt zwischen einer oppositionellen Position, auch was die Person Snowden angeht, und einer vielleicht von der Regierung her etwas anders bewerteten Rolle von Snowden.
    Barenberg: Der Staatsrechtler Franz Mayer im Gespräch mit meinem Kollegen Jochen Fischer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.