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Streit um Apple und TTIP
"Wir wollen Wettbewerbsgleicheit haben"

Die steuerliche Sonderbehandlung von Apple in Irland sei nicht in Ordnung, sagte CDU-Politiker Michael Fuchs im Deutschlandfunk. Er begrüßte es, dass Dublin nun eine historisch hohe Summe vom Technologieriesen als Steuernachzahlung einfordern soll.

Michael Fuchs im Gespräch mit Christoph Heinemann | 02.09.2016
    Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Fuchs
    Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Fuchs (dpa / picture alliance / Michael Kappeler )
    Jedes Unternehmen werde in jedem Land gleichbehandelt, sagte Michael Fuchs (CDU) im Deutschlandfunk. Ein einzelnes Unternehmen, wie Apple in Irland, besonders zu behandeln, sei nach dem Beihilferecht nicht in Ordnung. "Das bringt Wettbewerbsvorteile", betonte Fuchs. Apple hätte ein Sonderrecht bekommen, während andere Unternehmen in Irland höher besteuert würden. Die EU-Kommission habe recht, wenn sie deutlich mache, das gehe so nicht. Fuchs unterstrich im DLF, die Kommission habe dafür zu sorgen, dass europäische und ausländische Unternehmen in jedem europäischen Land gleichbehandelt würden.
    Der CDU-Politiker geht davon aus, dass "die Zahlen aus Brüssel richtig sind". Von daher können er die Reaktion von Bayerns Finanzminister Markus Söder nicht nachvollziehen. Der CSU-Politiker hatte die Entscheidung der Kommission, der US-Konzern müsse Steuern von 13 Milliarden Euro in Irland nachzahlen, als "überzogen" kritisiert.
    Als ehemaliger Unternehmer hätte er auch nichts dagegen gehabt, wenn er nur 0,005 Prozent Steuern gezahlt hätte. "Mit solchen Steuern, da ist es ja ganz einfach zu arbeiten, aber das geht nicht", sagte Fuchs. Man brauche faire Steuerregeln, aber keinen Handelskrieg.
    Zur Zukunft des geplanten Freihandelsabkommen TTIP sagte Fuchs: "Deutschland ist das Land, was am allermeisten vom Außenhandel profitiert. Wenn wir den Außenhandel behindern, schneiden wir uns das Bein ab, auf dem wir relativ gemütlich in den letzten Jahren gestanden haben und was ein wesentlicher Anteil unseres Wohlstandes ist."

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Dem jüngsten europäisch-amerikanischen Zankapfel fehlt bekanntlich ein Stück. Viele kennen das Symbol des Konzerns Apple: der Apfel, der aussieht wie angebissen. Die EU-Kommission fordert von Apple eine Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro. Die Behörde hat nachgerechnet: Apples Gewinn wurde im Jahr 2014 in Irland mit ganzen 0,005 Prozent besteuert - ein Traum jedes Steuerbürgers, Albtraum der Finanzminister. Aller Finanzminister? - Nein! Mindestens zwei Ressortchefs, der irische und der bayerische, halten das für gut.
    Am Telefon ist Michael Fuchs (CDU), der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen.
    Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Fuchs, entscheidet die Kommission Mist?
    Fuchs: Das würde ich mal nicht so sagen. Die Kommission hat eins zu beobachten und zu kontrollieren, und das ist auch sehr wichtig, nämlich dass wir in Europa ein sogenanntes Level Playing Field haben. Das heißt, jedes Unternehmen wird in jedem Land gleich behandelt. Es geht darum, dass alle Unternehmen in Irland entweder so besteuert werden wie Apple, oder eben höher. Nur wenn ein einzelnes Unternehmen ausgenommen wird, dann ist das beihilferechtlich nicht in Ordnung, und nach meiner Einschätzung - ich kann jetzt nicht über die Höhe diskutieren, will ich auch nicht; ich kann das auch nicht ausrechnen, mir liegen die Zahlen nicht vor -, aber nach meiner Einstellung ist es nicht in Ordnung, wenn ein einzelnes Unternehmen in einem Land besonders behandelt wird. Das würde Wettbewerbsvorteile bringen und das kann nicht der Fall sein. Da hat die Kommission recht, wenn sie sich darauf einlässt und deutlich macht, das geht so nicht.
    "Wir wollen Wettbewerbsgleichheit haben und genau das brauchen wir"
    Heinemann: Apple hat die Steuern bezahlt, die in Irland fällig wurden. Wo ist das Problem?
    Fuchs: Das Problem ist, dass andere Unternehmen, die in Irland gleich arbeiten, anders und höher besteuert wurden. Es ist ein Sonderrecht für Apple geschaffen worden. Das ist das, was die Kommission angreift. Da bin ich der Meinung, dass das nicht geht. Wir machen das ja in Deutschland auch. Wir haben jede Menge beihilferechtliche Verfahren, beispielsweise im Energiesektor in Deutschland, wo uns die Kommission sagt, ihr müsst dafür sorgen, dass jedes Unternehmen, was aus dem Ausland nach Deutschland kommt, genauso behandelt wird wie ein deutsches Unternehmen, was ihr schon seit ewigen Jahren habt, und das ist auch in Ordnung. Wir wollen Wettbewerbsgleichheit haben und genau das brauchen wir.
    Heinemann: Auch das Wort kennt Herr Söder. Trotzdem hat er die Forderung der EU-Kommission als überzogen kritisiert. Übertreibt Brüssel da?
    Fuchs: Ich kann das nicht nachvollziehen, weil die Zahlen, die kann ich nicht kontrollieren. Denn erstens bin ich kein Jurist und kann das auch juristisch nicht verfolgen. Aber zweitens sage ich, die Zahlen, wenn Brüssel die jetzt ausgerechnet hat, dann gehe ich jetzt mal davon aus, dass die das sorgfältig getan haben und dass sie stimmen. Deswegen kann ich die Kritik von Herrn Söder nicht in jeder Hinsicht nachvollziehen.
    Heinemann: Strikt politisch gemeint: Glauben Sie, dass Herrn Söder die bayerische Unterhose da näher ist als die europäische Lederhose? Der Sitz von Apple ist ja in München.
    Fuchs: Das mag der Fall oder ein Motivationsgrund für Herrn Söder sein. Für mich steht fest: Das Beihilferecht ist in Ordnung. Wir brauchen ein Beihilferecht, damit wir in Europa gleiches Recht für alle Unternehmen haben. Es kann nicht sein, dass einzelne Unternehmen bevorzugt werden. Insofern kann ich die Sache nachvollziehen, die Frau Vestager bis jetzt vorangetrieben hat.
    Heinemann: Das US-Finanzministerium sieht das naturgemäß etwas anders und wirft der Kommission vor, sich da als supranationale Steuerbehörde aufzuführen. Ist das die Aufgabe der Kommission?
    Fuchs: Nein! Die Kommission hat dafür zu sorgen, dass europäische Unternehmen und ausländische Unternehmen - in dem Fall ist es ja ein amerikanisches Unternehmen - in der Besteuerung gleich behandelt werden, in jedem Land. Wenn wir in Deutschland eine bestimmte Besteuerungslinie haben, dann kann man nicht einen Ausnahmetatbestand für ein Unternehmen schaffen. Damit schaffen Sie Wettbewerbsungleichheit, und das wollen wir verhindern.
    "Mit solchen Steuern, da ist es ja ganz einfach zu arbeiten"
    Heinemann: Warum nimmt sich die Kommission dann ein Unternehmen zur Brust und nicht den Staat Irland, der diese Steuersätze festlegt?
    Fuchs: Die Kommission hat ja dem Staat aufgegeben, die Steuern, die es nicht eingenommen hat, die Irland nicht eingenommen hat, jetzt nachträglich einzufordern. Das heißt, Irland ist gefordert. Der Partner ist ja weniger Apple als Irland selbst.
    Heinemann: Wir sprechen ja jetzt für die Staaten in der Union. Aber es gibt ja solche, die auch vielleicht raus wollen. Wären 0,005 Prozent ein gutes Geschäftsmodell für ein Großbritannien post Brexitum?
    Fuchs: Herr Heinemann, Sie wissen, dass ich früher Unternehmer war. Ich hätte nichts dagegen, wenn ich nur 0,005 Prozent Steuern in Deutschland gezahlt hätte. Aber das wäre dann ebenfalls eine Wettbewerbsverschärfung gewesen. Das heißt, wir hätten dann keinen Wettbewerb gegen andere innerdeutsche Wettbewerber gehabt. Mit solchen Steuern, da ist es ja ganz einfach zu arbeiten, und das geht nicht.
    Heinemann: Nun können die Briten ja demnächst tun, was sie wollen.
    Fuchs: Die Briten können machen was sie wollen, wenn sie außerhalb der EU sind. Aber sie haben dann ja diverse andere Probleme zu vollführen. Nehmen Sie mal den berühmten Banking Passport für die Briten. Bis jetzt ist es so, dass jede Bank, in einem europäischen Land sitzend, wenn sie in einem EU-Land ist, in einem anderen Land Geschäfte betreiben kann, wie beispielsweise Unternehmen bei einem Außengang zu begleiten etc. Diesen Banking Passport wird es für die Briten nicht mehr geben. Dann werden sich viele Banken überlegen, ob London noch der richtige Sitz ist.
    Heinemann: Apple ist der eine Zankapfel, TTIP der andere im transatlantischen Verhältnis. Wenn man sich das mal anschaut: Frankreich, Österreich, die SPD, die Fangemeinde des geplanten Freihandelsabkommens schrumpft. War es das?
    Fuchs: Meine Bekannten sind immer noch Fans davon.
    "Rund 40 Prozent unserer Arbeitsplätze hängen am Außenhandel"
    Heinemann: Wen kennen Sie denn?
    Fuchs: Jede Menge! Vor allen Dingen Leute, die im Außenhandel tätig sind. - Ich sage mal Folgendes: Deutschland ist das Land, was am allermeisten vom Außenhandel profitiert. Rund 40 Prozent unserer Arbeitsplätze hängen am Außenhandel. Wenn wir den Außenhandel behindern, schneiden wir uns das Bein ab, auf dem wir relativ gemütlich in den letzten Jahren gestanden haben und was ein wesentlicher Anteil unseres Wohlstandes ist. Wir haben rund 170 Freihandelsabkommen abgeschlossen, früher alleine, seitdem es die EU gibt, haben wir rund 30 abgeschlossen. In diesen Abkommen haben wir mit allen Ländern vernünftige Vereinbarungen gemacht, mit jedem Land, und das kann man nachrechnen. Mit jedem Land, mit dem wir ein Freihandelsabkommen abgeschlossen haben, haben wir anschließend mehr Exporte gemacht als vorher.
    Ich will ein konkretes Beispiel nennen: Vor fünf Jahren haben wir mit Korea ein Freihandelsabkommen abgeschlossen. Kein Mensch hat nebenbei jemals über dieses Abkommen diskutiert. Ich habe keinerlei Proteste gesehen, nichts gehört und so weiter. Und dieses Korea-Abkommen hat nebenbei auch ein Schlichtungsverfahren etc. Dieses Korea-Abkommen hat dazu geführt, dass der Umsatz deutscher Unternehmen mit Korea um 55 Prozent gestiegen ist. Das ist ein wunderbares Beispiel, wie positiv Freihandelsabkommen für alle Seiten sind.
    Heinemann: Das kann man auch anders sehen. Wir hören gerade Ralf Stegner von der SPD gestern Früh bei uns im Deutschlandfunk:
    O-Ton Ralf Stegner: "Wir haben Bedingungen formuliert für Freihandelsabkommen bei unserem Parteitag, dass die Standards nicht absinken dürfen, dass Transparenz herrschen muss, dass Parlamente und Gesellschaft beteiligt werden müssen und dass sich nicht große Konzerne hinwegsetzen dürfen über Parlament oder Gerichte. Das war immer klar und ich war selbst bei der demokratischen Convention in Philadelphia und habe gesehen, dass die Amerikaner, egal wer die Präsidentschaftswahlen gewinnt, nicht willens sind, uns da entgegenzukommen. Und dann darf man das auch nicht machen, weil sonst am Ende die Errungenschaften, die wir hier selber haben und die unser Land stark machen, in Gefahr geraten. Und das sollten wir nicht tun."
    "Die Umweltstandards in den USA sind wesentlich strenger als bei uns"
    Heinemann: Herr Fuchs, muss man an diesem Punkt nicht die Reißleine ziehen? Oder anders gefragt: Heiligt der Zweck Wachstum und Arbeitsplätze wirklich jedes Mittel?
    Fuchs: Nein, das ist nicht der Fall. Das will ich auch nicht. Aber ich will jetzt mal nur ein Beispiel rausgreifen: Herr Stegner redet über Standards. Jetzt machen wir mal folgendes: Der Herr Stegner kennt doch garantiert die VW-Aufsichtsräte beziehungsweise Betriebsräte genau. Er sollte doch ganz einfach mal bei VW anrufen und nach den Umweltstandards in Amerika und in Deutschland fragen. Ich nehme an, er kriegt da einen guten Rat. Die Umweltstandards in den USA sind wesentlich strenger als bei uns. Was meinen Sie, warum VW die Probleme hat. Da redet kein Mensch drüber. Die Amerikaner haben in vielen Bereichen wesentlich dickere Standards als wir. Die Diskussion, die hier läuft, die hat nichts mit der Wirtschaft zu tun, sondern die hat was mit Antiamerikanismus zu tun, und das ärgert mich.
    Heinemann: Wir hoffen, dass Herr Stegner gerade zugehört hat und dass er die Telefonnummer von VW kennt.
    Fuchs: Er kriegt sie sonst von mir gerne.
    Heinemann: Okay, wir richten es aus. - Zum Schluss noch kurz ein ganz anderes Thema. Jetzt die Frage an den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden: "Spiegel Online" berichtet heute Morgen, die Bundesregierung wolle sich von der Armenien-Resolution des Bundestages distanzieren und der Türkei damit entgegenkommen. Wir sprechen gleich mit Konstantin von Notz von den Grünen. Das Gespräch haben wir eben aufgenommen. Der spricht von einem ungeheuerlichen Vorteil. Kann - Frage an Sie - die Regierung den Bundestag so vorführen?
    Fuchs: Ich kann das nicht beurteilen. Ich habe das genauso wie Sie heute Nacht bei "Spiegel Online" oder heute Morgen bei "Spiegel Online" gelesen. Ich kann die Motivation nicht begründen und deswegen möchte ich mich da eigentlich zurückhalten. Ich kenne keinerlei Äußerungen dazu. Das ist jetzt schwierig, dazu eine Aussage zu machen. Wenn Herr von Notz das schon kann, dann weiß er mehr als ich.
    Heinemann: Michael Fuchs (CDU), der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende, obendrein noch erkältet. Deshalb erst mal gute Besserung Ihnen und natürlich danke schön für das Gespräch.
    Fuchs: Danke, Herr Heinemann. Auf Wiedersehen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.