Bergkarabach ist eine Region im Südkaukasus, die in etwa so groß ist wie das Saarland. Sie liegt in Aserbaidschan und gehört auch völkerrechtlich zu Aserbaidschan. Ein Teil der Region ist aber von Armeniern besetzt, ein Großteil der knapp 150.000 Einwohner sind Armenier.
Nach armenischer Auffassung war Bergkarabach (wörtlich: "der bergige, schwarze Garten") mindestens seit dem Mittelalter mehrheitlich armenisch besiedelt und dem christlich-armenischen Kulturraum zugehörig. Die ältesten Kirchen und Klöster Bergkarabachs, wie das Kloster Amaras, stammen aus dem 4. Jahrhundert. Zugleich betrachtet auch Aserbaidschan Bergkarabach als Wiege seiner Kultur, weshalb der Konflikt so emotional aufgeladen ist.
Rivalität zwischen Russland, Persien und dem Osmanischen Reich
Das Gebiet erlebte lange Zeit wechselnde Herrscher, etliche Jahrhunderte auch muslimische. Im 18. Jahrhundert bestimmte die Rivalität zwischen dem Osmanischen Reich, Russland und Persien die Region. Nach dem Zweiten Russisch-Persischen Krieg kam Bergkarabach 1805 unter russische Herrschaft. Die christlich geprägten Armenier wurden gegenüber den muslimischen Aserbaidschanern bevorzugt behandelt. Zehntausende persische Armenier ließen sich in Bergkarabach nieder und sorgten für eine armenische Mehrheit. Eine weitere Zuwanderungswelle gab es während des 1. Weltkriegs, als Hunderttausende Armenier dem Völkermord 1915/1916 durch das jungtürkische Regime nur durch die Flucht in den russisch kontrollierten Südkaukasus entgingen. Um 1920 herum waren etwa 90 Prozent der Bewohner Bergkarabachs Armenier. Es kam jedoch zu Spannungen mit der muslimischen Bevölkerung und zu Pogromen, denen Tausende zum Opfer fielen.
1918 erklärten Armenien und Aserbaidschan ihre Unabhängigkeit von Russland und erhoben beide Anspruch auf Bergkarabach. Mit der Ausrufung der Sowjetrepubliken in Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1920 wurde eine friedliche Lösung versprochen. Stattdessen wurden aber die politischen Grundlagen des heutigen Karabachkonflikts gelegt: Als die Bolschewiken die Kontrolle über den gesamten Südkaukasus übernommen hatten, veranlasste Stalin im Juli 1921, die von Armeniern bewohnte Region Aserbaidschan zu übergeben. 1923 wird sie per Dekret ein Autonomes Gebiet der Aserbaidschanischen SSR.
Sowjetführung von Gewaltausbruch überrascht
Vor den weiter anhaltenden ethnischen und territorialen Spannungen verschloss die sowjetische Führung jahrzehntelang die Augen. Sie wurde schließlich vom Ausmaß des Hasses und der Gewalt völlig überrascht. Als 1988 Kämpfe um Bergkarabach ausbrachen, ahnte noch niemand, dass dieser erste Sezessionskrieg in der Sowjetunion einmal das Ende der UdSSR einläuten würde. Sechs Jahre dauerte der Krieg – an seinem Ende 1994 gab es die Sowjetunion nicht mehr. In dem Krieg und den vorhergehenden Auseinandersetzungen starben zwischen 25.000 und 50.000 Menschen, über 1,1 Million wurden vertrieben.
Nach dem Waffenstillstand von 1994 ließen Verhandlungen auf sich warten. Aserbaidschan bestand weiter auf der Rückgabe Bergkarabachs und Armenien auf dessen Unabhängigkeit von Aserbaidschan. Weitere Spannungen und bewaffnete Konflikte, so etwa 2008, 2014 und 2016, waren die Folge. Im Juli 2020 brachen die Feindseligkeiten an der Grenze zwischen beiden Staaten dann nördlich von Bergkarabach aus. Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan beschuldigten sich gegenseitig, die Aggression begonnen zu haben.
Aufrufe zur Zurückhaltung
Brisant ist der Konflikt vor allem dadurch, dass andere Staaten hier politisch eine Rolle spielen, vor allem Russland und die Türkei. Letztere hat sich dabei ganz auf die Seite Aserbaidschans gestellt und militärische Unterstützung signalisiert, falls es zu einer weiteren kriegerischen Auseinandersetzung kommt, wie Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf erläutert. Ansonsten gibt es vor allem Rufe zur Zurückhaltung, was auch für Russland gilt, das als Verbündeter Armeniens auftritt. Russland habe sich da durchaus nicht einseitig positioniert, sagte Halbach.
Allerdings sind auch die Beziehungen Russlands zu Armenien deutlich enger. So ist Armenien für seine Energieversorgung auf Russland angewiesen, auch militärisch ist es von der Unterstützung Moskaus abhängig. Aserbaidschan hingegen konnte sich durch seine Öl- und Gaseinnahmen außen- und sicherheitspolitisch von Russlands Vorherrschaft etwas lösen, so Militärexperte Golz im Gespräch mit dem russischen Medium Meduza. Das Land konnte neben russischer Waffentechnik, darunter Luftabwehrsysteme, Raketenwerfer und gepanzerte Fahrzeuge, auch Waffen in Israel und der Türkei kaufen, so etwa Drohnen.
Zwischen der Türkei und Aserbaidschan wiederum gibt es ein Militärbündnis und auch gemeinsame Manöver. Auch kulturell und sprachlich fühlen sich beide Länder eng miteinander verbunden, erläuterte der ARD-Korrespondent in Istanbul, Christian Buttkereit. Für die Türkei sei der Konflikt zudem eine Gelegenheit zu zeigen, dass man Russland die Stirn bieten könne. Der türkische Staatschefs Recep Tayyip Erdoğan sei in Aserbaidschan so eine Art Popstar, sagte Buttkereit. Für Erdogan wiederum sei das Engagement in Aserbaidschan ein starkes innenpolitisches Signal, das deutlich machen solle, wie wichtig das Land in der Region sei.