Der Videoclip, den Israels Premierminister vor wenigen Tagen veröffentlichen ließ, zeigt Benjamin Netanjahu beim Fernseh schauen. Auf dem Bildschirm: Ein Reporter von Al Dschasira English, der aus Ostjerusalem über die Proteste der Muslime gegen Israels Sicherheitsvorkehrungen auf dem Tempelberg berichtet.
Es gehe nicht nur um diese Maßnahmen und die Al-Aksa-Moschee, sagt der Reporter, sondern auch um die israelische Besatzung. Dann schwenkt die Kamera weg vom Fernsehbildschirm und zeigt den Zuschauer Netanjahu, der höhnisch Beifall klatscht.
Al Dschasira hat den Ruf, nicht neutral zu sein
Das Verhältnis zwischen der israelischen Regierung und Al Dschasira war schon lange vor der sogenannten Tempelbergkrise kein einfaches. Die Journalisten des katarischen Nachrichtensenders berichten sowohl im arabischen wie auch im englisch-sprachigen Kanal äußerst kritisch über Israels Politik in den besetzten palästinensischen Gebieten und haben in weiten Teilen der israelischen Öffentlichkeit den Ruf, nicht neutral zu sein.
Regierungschef Netanjahu warf Al Dschasira und anderen Medien unter anderem im Mai vor, ein neues politisches Grundsatzprogramm der palästinensischen Hamas völlig falsch darzustellen.
"Ihr fragt Euch was Fake-News sind? Letzte Woche erklärten CNN, Al Dschasira und der Guardian, die Hamas akzeptiere einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967. Die New York Times titelte, das sei moderat. Sie suggerieren, dass Hamas bereit sei, Israel anzuerkennen. Das wäre eine tolle Nachricht, aber leider ist es eine Verdrehung der Wahrheit."
Netanjahu will Al Dschasira des Landes verweisen
Als es nun in Ostjerusalem und dem Westjordanland zu teils gewalttätigen Massenprotesten gegen die israelischen Sicherheitsmaßnahmen am Tempelberg kam, warf Netanjahu Al Dschasira vor, zu hetzen und so zur Eskalation der Lage beizutragen. Er fordere schon lange, das Al Dschasira Büro in Jerusalem zu schließen, erklärte Netanjahu schriftlich. Wenn die Gesetze das nicht zuließen, werde er daran arbeiten, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, um Al Dschasira des Landes verweisen zu können, bekräftigte der israelische Regierungschef. Und Nitzan Chen, der Direktor des Pressebüros der Regierung, das für die Zulassung ausländischer Medien in Israel zuständig ist, sagte in einem Radiointerview:
"Wenn es schlechte Absichten in der Berichterstattung gibt, sei es seitens eines hier ansässigen Korrespondenten oder eines Redakteurs, der in London sitzt, und die Schlagzeilen systematisch Lügen über Israel verbreiten, dann müssen wir die nötigen Konsequenzen daraus ziehen. Wir haben dazu die notwendigen Mittel."
"Die Realität ist hässlich, aber wir haben sie nicht geschaffen"
Mit dem Londoner Redakteur ist ein politischer Analyst von Al Dschasira gemeint, der regelmäßig scharf mit Israel ins Gericht geht. Während der Tempelbergkrise vermeldete der Sender, 120 Muslime hätten sich zeitweise geweigert, die Al-Aksa-Moschee zu verlassen, bis die israelische Armee das Gebäude geräumt habe. In anderen Medien war nur von einigen Dutzend Personen die Rede. Tage nachdem ein Palästinenser drei Israelis in einer Siedlung ermordete und am Tatort überwältigt wurde, sprach Al Dschasira noch davon, dass der Mann die Taten begangen haben soll. Und während die Anspannung in Jerusalem besonders hoch war und mit einer weiteren Eskalation gerechnet wurde, schickte Al Dschasira eine sogenannte Push-Meldung auf Mobilgeräte, wonach ein Palästinenser durch einen Kopfschuss israelischer Sicherheitskräfte gestorben sei. Dass der Vorfall mehrere Tage zurück lag und der Mann auch schon am Tag vor der Meldung seinen Verletzungen erlegen war, erwähnte Al Dschasira in der Mitteilung nicht. Der israelische Kommunikationsminister teilte nun mit, man arbeite an einem Gesetz, um das Al-Dschasira-Büro in Israel schließen zu können. Walid al Omri, der Leiter des Büros, verteidigte die Al-Dschasira-Berichterstattung in einem Radio-Interview.
"Wir versuchen unsere Arbeit zu erledigen. Wenn wir Nachrichten übertragen, dann sind das Nachrichten, die die Realität wiederspiegeln. Die Realität ist hässlich, aber wir haben sie nicht geschaffen. Wenn sie wollen, dass wir gute Sachen berichten, dann müssen sie die Realität ändern."
Zur Realität von Journalisten, die über die Tempelbergkrise berichten wollten, gehörte auch, dass die israelischen Sicherheitsbehörden ihre Arbeitsbedingungen einschränkten und sie sich in der Jerusalemer Altstadt nicht frei bewegen konnten. Die Behörden taten das nach eigenen Angaben, um die Sicherheit der Reporter zu gewährleisten. Dazu passt allerdings nicht, dass die Zugangsbeschränkungen zwar für Medienvertreter galten, nicht aber für Touristen.