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Streit um BMW-Werkverträge

Zeitarbeiter verrichten oft die gleichen Tätigkeiten wie Festangestellte, aber für weniger Geld. Ein Beleg dafür, dass ein normales Angestelltenverhältnis in den Hintergrund rückt. Mit dem Werkvertrag greift jetzt nach Ansicht der Gewerkschafter ein neues Modell um sich, Personalkosten zu sparen - auf dem Rücken der Beschäftigten.

Von Marcel Kehrer |
    "Man arbeitet schon schwer, für 7,79 Stundenlohn, und von daher ... Wenn man dann weiß, dass die anderen 15, 16, 17 Euro bekommen, ist natürlich nicht mehr so viel Spaß dabei wie wenn man weiß, man wird dafür auch anständig bezahlt."

    Die anderen, das waren seine Kollegen aus der Stammbelegschaft hier im BMW-Werk in Regensburg. Franz Rotthaler arbeitete genauso hart wie sie, gehörte aber nicht dazu: Rotthaler, seinen Namen haben wir geändert, war über einen Werkvertrag beschäftigt. Die Firma, die sein Gehalt zahlte, war also nicht BMW, sondern ein Dienstleister.

    "Das nannte sich Qualitätskontrolle. Man musste da immer so nacharbeiten, irgendwas prüfen. Man muss sich das so vorstellen: Die Autos fahren da vorbei und man kontrolliert ob der Spiegel richtig eingebaut wurde oder mit dem Sitz irgendwas. Und das ging über eine Zeitarbeitsfirma, die hat uns dann an eine Firma verliehen, die glaube ich in Hamburg sitzt. Die hat uns dann wieder an eine Tochterfirma verliehen und irgendwann waren wir dann bei BMW in Regensburg."

    Franz Rotthaler selbst hat Mühe, hier noch durchzublicken. Im Grunde aber ist das Modell der Werkverträge simpel, erklärt Jürgen Scholz, erster Bevollmächtigter der IG Metall in Regensburg.

    "Bei Werkverträgen werden letztendlich komplette Aufträge an ein anderes Unternehmen, an eine Firma vergeben, sozusagen an einen Subunternehmer, der dann wiederum Gewerke oder Arbeitsaufträge für die Firmen erledigt."

    Eine Praxis, die immer mehr um sich greift, klagt der Gewerkschafter, vor allem in der Autoindustrie. Auch dort, wo sie seiner Meinung nach nichts zu suchen hat.

    "Es ist okay, dass eine Firma sagt, wir mähen den Rasen nicht selber, da holen wir eine Gärtnerei. Aber es geht immer mehr um Kernleistungen aus der Produktion, aus der Qualitätssicherung, aus der Logistik, die dort an Werkvertragspartner vergeben werden - die sich dann wiederum Leiharbeiter holen oder gar noch ein Subunternehmen. Und letztendlich bleibt für den Beschäftigten immer weniger übrig."

    Franz Rotthaler hat das selbst erlebt. Mit seiner Arbeit bei BMW hat er im vergangenen Jahr nur ein paar Wochen überbrückt. Von dem Gehalt leben, so betont er, hätte er nicht können.

    "Es waren ja viele Kollegen, es hatten etliche ein Studium, es kamen von der Realschule welche, es waren ältere Kollegen dabei, es waren jüngere dabei. Die Leute müssen teilweise einfach von dem Geld leben, von den 7,79. Die bekommen dann knapp 1000 Euro netto im Monat raus, und das ist natürlich schwierig. Und es wär einfach anständig von BMW zu sagen, so was lässt man in unserem Werk einfach gar nicht zu."

    Offenbar aber ist es einfach zu verlockend für die Konzerne, über Werkverträge Personalkosten einzusparen. Über Leiharbeit geht es nicht mehr so einfach, weiß Jürgen Scholz von der IG Metall in Regensburg. In vielen Unternehmen hat die Gewerkschaft inzwischen das Equal-Pay-Prinzip durchgesetzt, also weitgehend gleiche Bezahlung. Ein BMW-Sprecher weist die Kritik zurück. Man verlange von Dienstleistern, dass sie ihre Mitarbeiter gemäß den rechtlichen Rahmenbedingungen beschäftigen und die für ihre Branche geltenden Tarife zahlen. Ansonsten beende BMW die Geschäftsbeziehung. Jürgen Scholz von der IG Metall überzeugt das nicht.

    "Arbeitgeber sind wie ein scheues Reh. Sie grasen immer dort, wo die Wiesen für sie am saftigsten sind. Von daher lassen die sich immer wieder etwas einfallen, um Kosten zu sparen. Leider auf Kosten der Beschäftigten. Und deshalb werden wir dieses Thema angehen. Wir werden versuchen, bereits bei der anstehenden Tarifrunde die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auch in der Frage der Werkverträge auszubauen."

    Die ganze Gesellschaft sollte dieses Problem interessieren, meint IG-Metall-Mann Jürgen Scholz. Denn wer zu wenig verdient, stockt nicht selten mit Hartz-4-Leistungen auf - und damit auf Kosten der Allgemeinheit.
    Franz Rotthaler findet, die Konzerne machen sich unglaubwürdig.

    "Die Kollegen, die jetzt auch für das geringe Geld arbeiten, die waren teilweise top Leute, die waren top-motiviert. Die lässt man einfach in ihrem Niedriglohnsektor weiter machen. Und von daher verstehe ich auch die Politik von BMW nicht, wenn‘s immer heißt: Man hat Fachkräftemangel, man braucht Leute. Da wären so viele gute, engagierte Leute!"