Die CDU sucht nach dem angekündigten Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer einen neuen Vorsitzenden. Doch das scheint nicht einfach. Die Parteispitze entschied, den für den 4. Dezember geplante Bundesparteitag in Stuttgart wegen der Coronapandemie zu verschieben. Das empörte einen der Kandidaten. Friedrich Merz wirft der CDU-Spitze eine Intrige vor und sprach von einer Aktion "Merz verhindern".
Offenbar wolle sein Mitbewerber Armin Laschet mehr Zeit für eine erfolgreiche Kampagne gewinnen. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wies die Vorwürfe im Dlf zurück. Die Absage des Bundesparteitag mit 1.001 Delegierten sei der derzeitigen Corona-Infektionslange geschuldet. Für Merz ist das letzte Wort hier noch nicht gesprochen. Er hält an einem Bundesparteitag noch in diesem Jahr fest. Auch sein Unterstützer Christoph Ploß drängt auf einen schnellen Termin.
Im Dlf sagte der Bundestagsabgeordnete und Hamburger CDU-Vorsitzende, dass er sich dafür einsetzte, dass der Bundesparteitag noch im Januar stattfinden werde. "Gerade jetzt muss man auch zeigen, dass die demokratischen Institutionen handlungsfähig bleiben. Deswegen sollten wir den CDU-Parteitag auch zeitnah durchführen." Alles andere wäre eine Extrembelastung für die CDU, so Ploß.
Mit Blick auf die derzeitige Cornasituation unterstrich Ploß, es gelte, erst das Land, dann die Partei und dann die Person - das müsse für alle Beteiligten entscheidend sein. "Die CDU hätte hier auch ein positives Beispiel sein können, dass man in den schwierigen Coronazeiten mit dieser Situation umgeht und auf ein digitales Konzept setzt, kombiniert mit einer Briefwahl", so Ploß.
Dirk Müller: Herr Ploß, wie tief ist bei Ihnen die Wunde?
Christoph Ploß: Von einer tiefen Wunde würde ich nicht sprechen. Aber ich glaube, es wäre sehr gut gewesen, wenn wir den Parteitag zeitnah durchführen würden und auch im Dezember durchgeführt hätten. Es gab ja auch sehr gute Konzepte vom Generalsekretär Paul Ziemiak, der dargelegt hatte, dass man einen Parteitag auch in diesen schwierigen Zeiten Corona-gerecht durchführen kann, und ich glaube, es wäre fürs Land sehr gut gewesen, aber auch natürlich für die CDU, wenn wir diese Entscheidung zeitnah getroffen hätten oder auch noch treffen würden.
Müller: Dann erklären Sie uns doch, warum das nicht so gekommen ist.
Ploß: Zu den Motiven müssen Sie dann natürlich auch die Kollegen vielleicht fragen. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass wir zeitnah zu einer Entscheidung kommen und im Zweifel auch den Parteitag digital durchführen. Ich glaube, die CDU hätte hier auch ein sehr positives Beispiel sein können, dass man in den schwierigen Corona-Zeiten mit dieser neuen Situation umgeht und dann auf ein digitales Konzept setzt, kombiniert mit einer Briefwahl. Wir haben ja dafür extra auch noch das Parteiengesetz im Deutschen Bundestag geändert, so dass das auch möglich gewesen wäre. Deswegen setze ich mich auch dafür ein, dass er jetzt, wo der Parteitag nicht im Dezember mehr stattfinden wird, unbedingt im Januar stattfinden muss. Alles andere hielte ich für enorm schwierig und würde zu einer Extrembelastung für die CDU führen, aber am Ende dann auch für Deutschland weil die CDU ja die mit Abstand größte Regierungspartei ist, und deswegen müssen wir da jetzt schnell auch handlungsfähig werden.
"CDU-Parteitag ist für die Demokratie von enormer Bedeutung"
Müller: Jetzt gibt es ja einige in Deutschland, die da sagen, wir können damit leben, wenn wir den CDU-Chef jetzt noch nicht kennen, sondern noch zwei, drei Monate warten. Heute kommt vermutlich der nächste Lockdown, der Lockdown II, wie auch immer der ausfällt, und dann reden Sie über einen großen Parteitag. Sie haben zwar gesagt digital, aber passt das wirklich im Moment in diese aktuelle Situation?
Ploß: Es handelt sich ja beim CDU-Parteitag nicht um ein Oktoberfest oder eine Geburtstagsfeier, die abgesagt wird, oder irgendein Vergnügen, sondern CDU-Parteitag ist für die Demokratie von enormer Bedeutung. Es gibt ja deswegen auch renommierte Professorinnen und Professoren, die sich gerade in diesen Tagen auch dafür aussprechen, dass ein Parteitag in digitaler Form stattfinden sollte, weil das für die Demokratie sehr, sehr wichtig ist. Und wie eben gesagt: Wir sind die mit Abstand größte Regierungspartei. Wenn es jetzt zu einer monatelangen Hängepartie kommt und einer permanenten Diskussion darüber, wer wird neuer Vorsitzender, dann belastet das natürlich nicht nur die CDU, sondern sorgt auch dafür, dass während der Corona-Krise möglicherweise sich der Fokus verschiebt, und das hielte ich für fatal. Und ich kann deswegen nur sagen: Gerade jetzt muss man auch zeigen, dass die demokratischen Institutionen handlungsfähig bleiben. Deswegen sollten wir den Parteitag auch zeitnah durchführen.
Digitaler Parteitag und Briefwahl gesetzlich möglich
Müller: Da sagen jetzt die Kritiker, viele Stimmen aus dem Bundestag, wir müssen die Gesetze dafür ändern, damit das Rechtsgültigkeit hat, und dafür ist keine Mehrheit in Sicht. Ist das ein Argument?
Ploß: Wir haben ja gerade das Parteiengesetz geändert, dass der Parteitag digital durchgeführt werden könnte und man abschließend per Brief abstimmt. Es soll ja jetzt noch eine Initiative geben, dass man das nur digital durchführen kann. Wenn diese zeitnah auf den Weg gebracht wird – ich gehe davon aus, das wäre noch im November möglich -, dann kann natürlich auch der CDU-Parteitag im Januar rein digital stattfinden. Aber bei gutem Willen wäre es auf jeden Fall möglich, den Parteitag auch im Januar durchzuführen, und das ist auch für unsere Demokratie in Deutschland, glaube ich, enorm wichtig.
Müller: Herr Ploß, jetzt haben wir über die Formalien geredet. Reden wir über die Motive. Stimmt das, dass Armin Laschet vor allem darauf gedrängt hat zu verschieben, weil er im Moment keine guten Chancen hat?
Ploß: Die Frage müssen Sie Armin Laschet stellen. Natürlich sind Terminfragen auch immer in gewisser Weise Machtfragen und ich glaube, es wäre wirklich falsch, wenn wir jetzt sagen, wir warten noch ein paar Monate. Einige haben ja darüber auch spekuliert, ob wir ins Frühjahr gehen oder sogar in den Sommer. Wir haben im September 2021 eine Bundestagswahl. Ich glaube, das wäre nicht nur für die CDU absolut fatal, wenn wir jetzt diese monatelange Hängepartie hätten, sondern es würde auch die Demokratie belasten. Ich glaube, die CDU könnte wirklich ein gutes Beispiel dafür sein, dass man auch in der Corona-Zeit zeigen kann, wie Demokratie funktioniert und dass die demokratischen Institutionen handlungsfähig bleiben.
"Erst das Land, dann die Partei, dann die Person"
Müller: Entschuldigung, dass ich da noch mal reingehe. Das haben Sie ja gesagt. – Anders herum gefragt: Ist Friedrich Merz ein bisschen verschaukelt worden?
Ploß: Natürlich hat Friedrich Merz im Moment sehr, sehr gute Karten und alle Umfragen zeigen ja auch, dass er mit Abstand bei gerade CDU-Wählern die größten Chancen hätte. So etwas spielt auch bei einem Parteitag natürlich immer eine wichtige Rolle. Aber ich glaube, entscheidend muss für alle Beteiligten sein: erst das Land, dann die Partei, dann die Person. Da stimme ich auch mit Kollegen völlig überein, die das zurecht immer wieder betont haben.
Müller: Dann stimmt das nicht, was er gesagt hat, dass das Partei-Establishment gegen ihn ganz bewusst entschieden hat?
Ploß: Ich kenne ja Friedrich Merz auch sehr gut und weiß, dass es ihm auch in erster Linie immer um das Land geht, und danach, sagt er, kommt die CDU und dann kommt die Person.
Müller: Aber er hat sich ja persönlich angegriffen gefühlt.
Ploß: Ich hatte ja eben auch dargelegt, dass die Entscheidung über den CDU-Vorsitz nicht nur etwas ist, was jetzt für jeden einzelnen vielleicht persönlich wichtig ist oder auch für die CDU selbst, sondern auch für das Land. Weil wenn Sie das weiterdenken: Wir werden möglicherweise ja noch einige Monate in einer harten Corona-Zeit leben. Es kann nicht sein, dass dann die Demokratie in dieser Zeit nicht ihre vorgeschriebenen Prozesse durchführt.
"Spätestens im Januar den Parteitag durchführen - alles andere wäre fatal"
Müller: Aber was heißt das jetzt für Friedrich Merz, wenn wir dabei bleiben, bei der möglichen Motivation der anderen? Ist er da ganz bewusst aufs Glatteis geführt worden?
Ploß: Das kann ich tatsächlich überhaupt nicht beurteilen und ich will auch das jetzt hier niemandem unterstellen. Ich kann deswegen nur sagen, wir müssen jetzt wirklich schauen, dass wir spätestens im Januar den Parteitag durchführen. Alles andere wäre aus meiner Sicht fatal.
Müller: War das klug, dass Friedrich Merz sich öffentlich so konfrontativ gegenüber der Parteiführung geäußert hat?
Ploß: Auch das sollten Sie Friedrich Merz fragen.
Müller: Nein, das können Sie ja beurteilen. Wie haben Sie das gesehen? War das richtig, dass er das gesagt hat?
Ploß: Ich halte es persönlich immer für am besten, wenn man sagt, was ist tatsächlich für unser Land gut, und wir müssen diese Frage, ob der CDU-Parteitag stattfinden soll, vor allem diskutieren mit Blick auf die Demokratie.
"Kann die Verärgerung von Friedrich Merz verstehen"
Müller: Aber meine Frage war ja, Herr Ploß, ob das für Friedrich Merz gut war. Lassen wir das Land mal außen vor. War das für die Kandidatur von Friedrich Merz gut, dass Friedrich Merz sich jetzt mit der Parteiführung angelegt hat?
Ploß: Das wird man dann am Ende sehen, ob das gut war. Das kann ich jetzt gar nicht beurteilen. Aber ich kann natürlich auch die Verärgerung durchaus nachvollziehen und verstehen.
Müller: Seine Verärgerung?
Ploß: Ja, klar! Es gibt auch natürlich in der CDU viele, die sagen, wir wünschen uns, dass der Parteitag Corona-gerecht stattfindet in einer digitalen Form, gegebenenfalls kombiniert dann mit einer Briefwahl. Viele fordern das auch zurecht ein und wünschen sich, dass wirklich diese offene Führungsfrage auch endlich geklärt wird.
Müller: Denken Sie, dass es Friedrich Merz schaden wird, wie er jetzt vorgegangen ist beziehungsweise wie er jetzt reagiert hat?
Ploß: Das kann ich auch schwer beurteilen. Natürlich gibt es einige Kreise, die auch Friedrich Merz verhindern wollen und nicht wollen, dass Friedrich Merz Vorsitzender wird, und die natürlich dann auch einige Äußerungen sehr stark aufbauschen.
"Können uns nicht erlauben, dass die größte Regierungspartei diese offene Führungsfrage nicht beantwortet"
Müller: Aber er hat ja jetzt starke Äußerungen und starken Tobak formuliert.
Ploß: Das zeigt ja auch, wie wichtig es ist, dass wir diese Frage, wer wird neuer Vorsitzender, bald klären. Ich befürchte, wenn wir jetzt noch monatelang diese Entscheidung hinauszögern, dann wird das nicht nur die CDU extrem belasten, weil es natürlich immer wieder auch Äußerungen aus allen Richtungen gibt, die möglicherweise die Situation aufheizen. Gleichzeitig können wir uns das nicht erlauben, dass die größte Regierungspartei diese offene Führungsfrage nicht beantwortet. Deswegen ist es wirklich, glaube ich, im Interesse auch aller Beteiligter, dass wir spätestens im Januar den Parteitag dann in digitaler Form durchführen.
Müller: Dann werden Sie Friedrich Merz wählen?
Ploß: Ich werde Friedrich Merz wählen. Das habe ich auch schon bei verschiedenen Gelegenheiten bekundet. Ich glaube, er ist wirklich der beste, weil wir gerade nach der Corona-Krise jemanden brauchen, der wirtschafts- und finanzpolitischen Sachverstand hat, der europapolitisch die großen Fragen lösen will und der auch für einen Sozialstaat steht, der den wirklich Bedürftigen hilft und den Schwachen hilft, aber der nicht Gelder nach dem Gießkannenprinzip verteilt.
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