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Streit um den Airbus A400M

Durak: Sondersitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages, möglichst bald Rücktritt des Verteidigungsministers - das eine fordern Union und FDP, das andere der scheidende grüne Haushaltspolitiker Metzger. Schweres Geschütz ist also aufgefahren, weil es geht immer noch und schon wieder um den Airbus A400M. Die Vorgeschichte ist lang, oft erzählt und nun bei einem Widerspruch angekommen. Ein Widerspruch, der sich dann ergibt, wenn den internationalen Partnern entgegen dem Beschluss von Parlament und Regierung doch eine volle Schadensersatzzusage gegeben worden ist. Und dieser Punkt ist strittig. Wir wissen: Gegenfinanziert sind per Beschluss bisher 40 Maschinen, einschließlich die dazu gehörige Schadensersatzzusage, bestellt wurden 73. Über die Finanzierung der restlichen 33 Maschinen hat der Haushaltsgesetzgeber des neuen Bundestages zu entscheiden und dafür auch freie Hand. Eine ganze Reihe von Haushältern verschiedener Parteien fühlen sich nun düpiert. Es geht um den bewussten Brief Scharpings an seine französischen Kollegen. Man fordert auf: Klärung Sondersitzung bzw. Rücktritt, je nachdem. Wie ist das nun - ist der Haushaltausschuss überrollt worden? Darüber will ich nun mit dem haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Hans Georg Wagner sprechen. Schönen guten Morgen.

    Wagner: Guten Morgen.

    Durak: Herr Wagner, wir wollen uns kurz zuvor anhören, was uns Ihr CDU/CSU-Kollege, Dietrich Austermann, gestern Abend in unserer Sendung "Das war der Tag", auf die Frage, was die Union denn nun vorhat, gesagt hat.

    Austermann: Ich habe Herrn Scharping ultimativ aufgefordert, bis morgen Mittag um 12:00 Uhr zu erklären, dass er bei der ursprünglichen Beschlusslage bleibt, dass er keinen Industrievertrag abschließt, in dem etwas anders drinsteht als wir im Haushaltsausschuss beschlossen haben. Wenn er das nicht tut, wenn er diese Bestätigung nicht abgibt, werden wir in der nächsten Woche sofort eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses herbeiführen, um das ganze Parlament zu zwingen, den Minister wieder in die Reihe zu nehmen. Wir überlegen darüber hinaus, welche weiteren Schritte unternommen werden können. Das kann im Ergebnis bedeuten, dass wir uns erneut mit ihm bzw. mit der Regierung vor dem Verfassungsgericht treffen.

    Durak: Dies also war der CDU/CSU-Haushaltssprecher, Dietrich Austermann. Am Telefon nun Hans Georg Wagner, sein Kollege von der SPD-Fraktion. Herr Wagner, sehen Sie denn Anlass für eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses?

    Wagner: Nein, das sehe ich nicht. Das ist die übliche Schauspielerei von Herrn Austermann: Der bläst sich auf, um nachher die Packung leer zu machen , wenn die Luft raus ist. Ich finde, Herr Scharping hat richtig gehandelt. Er hat dies auch erklärt, er muss das nicht immer wiederholen, und wenn er am Sonntag aus den USA, wo er wichtige Aufgaben hat, zurückkehrt, wird man mit ihm noch einmal in aller Ruhe darüber reden können. Ich finde, diese Aufbauscherei der letzten Tage ist das übliche Geschrei der Opposition, die kein Konzept hat und offenbar ganz klar gegen diesen A400M ist. Die soll das nur mal offen sagen, dass sie die Arbeitsplätze in Unterpfaffenhofen zerstören will. Dann ist sie nämlich wirklich dort angelangt, wo die Wahrheit ist. Die Opposition bläst sich, wie gesagt, nur auf.

    Durak: Herr Wagner, geht denn die Schadensersatzzusage nun über das hinaus, was das Parlament bewilligt hat?

    Wagner: Nein, im Vertrag steht drin, wie das für alle Vertragsstaaten gleichermaßen gilt - das will der Herr Austermann nicht begreifen oder kann es nicht begreifen, das ist ja auch eine Frage der individuellen Ehrlichkeit, dass man so etwas begreift oder nicht: Alle Staaten haben sich verpflichtet, wenn sie weniger Maschinen abnehmen als sie zugesagt haben, dass sie Vertragsstrafe zahlen, Schadensersatz leisten. Das hat Deutschland genau für die 40 Maschinen gemacht und es wird im nächsten Jahr nachgeholt, wenn die 33 Maschinen weiterbestellt werden, dass dafür die Schadensersatzzusage gemacht wird, die dann nicht eintritt, wenn alle Partner bei dem bleiben, was sie erklärt haben, nämlich insgesamt 73 Maschinen zu nehmen. Ich finde, es ist makaber, angesichts der Existenzangst der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um ihre Arbeitsplätze, immer wieder dieses Thema aufzubauschen, weil man einfach sonst nichts hat. Man ist konzeptionslos und nicht in der Lage, eine vernünftige, geradlinige Politik zu betreiben.

    Durak: Herr Wagner, Sie bestätigen: Für 40 Maschinen ist alles klar - es gab ja dafür auch den Beschluss von Parlament und Regierung. Sie sagen jetzt, der nächste Haushaltgesetzgeber wird dies auch tun. Da greifen Sie ja voraus. Sie wissen doch noch gar nicht, ob der nächste Bundestag dies auch so entscheiden wird.

    Wagner: Frau Durak, ich bitte doch: Wenn jede Partei, CDU, CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen erklären, dass sie 73 Maschinen nehmen wollen, dann gehe ich davon aus, dass sie die Glaubwürdigkeit behalten, die über den Wahltag hinaus geht. Bei der CDU, bei Herrn Austermann habe ich Zweifel: Der lügt vorher, der lügt nachher. Ich bin der Meinung, man soll endlich mal zur Wahrheit zurückkehren. Wenn man zugesagt hat, man kauft diese Maschinen, wird man sie auch kaufen. Alles andere ist Spekulation. Und nur mit Spekulationen in der Politik zu arbeiten, das kann Herr Austermann, aber sonst niemand.

    Durak: Herr Wagner, dann ist aber der nächste Haushalt dennoch, wenn man es punktgenau ließt, nicht frei in seiner Entscheidung, sondern wird im Grunde dazu gezwungen, oder es muss Schadensersatz geleistet werden, und das Ganze wird dann so teuer, dass wir weder Flugzeuge noch Geld haben.

    Wagner: Nein, da muss ich widersprechen. Es wird keinen Schadensersatz geben, denn die Bundesregierung wird im Haushaltsentwurf, der im Juni dieses Jahres vorliegen wird, die Summe, die für die restlichen Maschinen gebraucht wird, schon klar aufnehmen. Übrigens wird der Zulauf der ersten Maschine im Jahre 2008 sein. Es ist ja wirklich lustig, dass sich hier Leute um das Jahr 2008 streiten.

    Durak: Es geht um Milliarden Euro, Herr Wagner, das finde ich gar nicht so lustig.

    Wagner: Der Zulauf ist im Jahre 2008 und das Geld wird im Jahre 2008 gebraucht und nicht im Jahre 2002, und nicht im Jahre 2003, 2004, 2005, 2006, sondern 2008. Und deshalb kann man sich tunlichst streiten im Jahre 2008, ob das Geld da ist. Aber wenn die Bundesregierung jetzt im Juni erklärt, dass sie die 33 weiteren Maschinen bestellt und der Bundestag steht zu dem, was er beschlossen hat, dann kann da überhaupt nichts passieren. Das ist...

    Durak: Wenn, wenn, Herr Wagner, Sie sprechen von "wenn dann", und sie gehen einfach davon aus, dass der neue Bundestag dies auch so tun wird...

    Wagner: Der Deutsche Bundestag hat beschlossen, dass das gilt.

    Durak: Nun, der Bundestag hat beschlossen, dass der neue Haushalt über die restlichen 33 Maschinen entscheiden wird.

    Wagner: Ja, ist doch logisch. Das kann er ja auch nur, das kann ja gar nicht anders sein. Schlagen Sie mal vor, wie das anders gehen soll?

    Durak: Damit ginge aber die freie Hand, die der Haushaltsgesetzgeber hat, verloren.

    Wagner: Die hat er ja jetzt schon nicht mehr, denn er hat sich ja selbst gebunden, oder er ist ein Schaumschläger, und das kann man doch nicht unterstellen, dass das Parlament Schaumschlägerei betreibt.

    Durak: Nein, aber dann hätte es das ganze Prozedere ja vorher gar nicht geben sollen, die Trennung von 40 auf 33 Maschinen...

    Wagner: Das finde ich auch. Da bin ich Ihrer Meinung.

    Durak: Nun gehen aber beide großen Parteien, die sozusagen den Kanzler stellen wollen, mit einer Aussage in den Bundestagswahlkampf: Wir versprechen nichts Konkretes. Wir müssen erst den Kassensturz vornehmen. Alle beide. Und sie tun das ja zu Recht , wie viele meinen. Wenn dieser Kassensturz nun aber ergibt - mag sein, es kommt noch etwas anderes dazwischen -, dass die Gelder für die restlichen 33 eben nicht da sind?

    Wagner: Wir brauchen keinen Kassensturz zu machen. Der ist da, der ist vorhanden. Wir haben leider 1,5 Billionen Schulden von der alten Regierung übernommen, 82 Milliarden DM an Zinsen pro Jahr. Das ist der Kassensturz. Die katastrophale Finanzlage hat die alte Regierung, die abgewählt worden ist, zu verantworten. Wenn sie jetzt aufplustert mit den 33 Maschinen, die bestellt werden müssen oder sollen oder werden, dann ist das eine Aufplusterei und ein Vergessen der Tatsache, dass sie hier in der ganzen Misere der Finanzen Schuld ist.

    Durak: Wir hören, Herr Wagner, dass in Paris unter den internationalen Vertragspartnern ein Papier umgeht, nach dem die Bundeswehr für die zuerst bezahlten 5,1 Milliarden nicht die 40, sondern nur 20 bis 25 Airbusse bekommen würde, wenn sie es nicht schafft, die 33 zu bringen. Das ist dann sozusagen die Begründung dafür, dass das Parlament im Grunde nicht hintergangen wurde mit der Schadensersatzzusage?

    Wagner: Das Parlament ist nicht hintergangen worden. Jeder hat von 73 Maschinen gesprochen. Jeder hat davon gesprochen, dass 40 für die 5,1 Milliarden zu bekommen sind, die jetzigen wiederum in Euro, und die anderen, die 7, soviel Milliarden Euro oder dieser Rest, diese 3 Milliarden werden im Haushalt 2003 als Verpflichtungsermächtigung zur Verfügung gestellt. Da ist die Sache doch geheilt. Ich verstehe die ganze Aufregung nicht, die da herrscht. Das ist nur Panikmacherei, die dazu dient, die Tatsache zu vernebeln, dass die Union die Maschinen nicht will und deshalb die Arbeitsplätze in Oberpfaffenhofen vernichten will. Das ist die Strategie von Herrn Austermann und anderen, und die machen wir nicht mit. Wir bleiben dabei, was beschlossen worden ist und werden daran festhalten.

    Durak: Nun gibt es oder gab es auch Fragen aus ihren eigenen Reihen, aus den Reihen der SPD-Haushälte, auch anderer. Es wird wenigstens von Verfahrensfehlern gesprochen oder auch von Aufklärungsbedarf. Das heißt, so ganz klar scheint die Sache ja nicht zu sein. Erwarten Sie vom Minister Aufklärung?

    Wagner: Also, ich sehe nicht, wer von dem Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion Aufklärungsbedarf reklamiert hat, sondern da sind alle Fragen beantwortet. Wenn der Minister am Sonntag aus den USA zurückkehrt, wird man die Fragen erneut stellen, die schon 20 Mal gestellt worden sind und jetzt wahrscheinlich 20 Mal die gleiche Antwort erhalten, dass alles so gemacht worden ist wie es der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages dies beschlossen hat. Das wird immer nicht dazu führen, dass die CDU/CSU dies glaubt, sondern sie wird weiterhin Schaumschlägerei betreiben. Das sind wir von ihr gewöhnt.

    Durak: Die Verträge sind ja noch nicht unterschrieben, Herr Wagner,...

    Wagner: Deshalb ist die Aufregung sowieso unverständlich.

    Durak: Ja, man wird sich ja wohl Gedanken machen können, wenn es um viel Geld geht, Herr Wagner. Lassen Sie mich ganz einfach weiterfragen, dann können wir zu dem Punkt kommen: Also, die Verträge sind noch nicht unterschrieben, und das Thema ist politisch noch immer nicht vom Tisch, auch wenn sie es so beschreiben, als wäre da kein Aufklärungsbedarf. Dann kommt der Minister zurück, wird sich erklären und die Haushälter aus allen Parteien sagen: Ja, wir sind zufrieden oder wir sind nicht zufrieden. Sollte also die Vertragsunterzeichnung aufgeschoben werden?

    Wagner: Wenn der Vertrag noch nicht unterzeichnet ist, verstehe ich die Aufregung sowieso nicht. Dann ist ja noch überhaupt nicht passiert, was diese Rauferei jetzt auslösen soll. Ich kann Ihnen voraussagen, Frau Durak, dass die Opposition nie zufrieden sein wird. Man kann erklären, was man will, da wird Herr Austermann sagen: Das ist alles falsch. Von daher ist diese ganze Aufregung unnötig. Wir sollten meinetwegen in der nächsten Routinesitzung, die Mitte Mai stattfindet, den Verteidigungsminister bitten, in den Haushaltsausschuss zu kommen - da hätte ich überhaupt nichts dagegen -, aber jetzt schon wieder mit Sondersitzungen zu drohen und mit dem Gang nach Karlsruhe, da kann ich nur sagen: Die müssen hier endlich mal ihren Präsidenten in Karlsruhe reaktivieren, der die ganze Zeit auf weitere Prozesse wartet. Das ist das übliche Oppositionsgehabe, stets nach einem Gericht zu laufen, weil sie Eigeninitiative gar nicht mehr leisten können. Von daher ist es für mich eine sehr beruhigende Tatsache, dass Herr Scharping gestern erklärt hat, dass er sich an die Beschlüsse des Haushaltsausschusses hält, der ihm misstraut. Der ist eben Oppositionspolitiker, aber kein ernsthafter Partner in diesem Geschäft.

    Durak: Noch einmal die Zeile in dem Brief, Scharping an seinen Amtskollegen Richard, dass Deutschland jeden nur möglichen Schadenersatzforderung oder -verpflichtung übernimmt. Ist das durch das Parlament gedeckt?

    Wagner: Ja natürlich ist das durch das Parlament gedeckt, weil wir gesagt haben, dass wir sowohl für die 40 Maschinen Schadenersatz dann leisten, wenn wir sie nicht nehmen, als auch für die 73. Das ist doch selbstverständlich. Ich verstehe das gar nicht. Wir müssen wahrscheinlich auch noch Schadensersatz leisten für Dinge, die die Amerikaner beispielsweise in Afghanistan angerichtet haben, wenn man nach der Opposition geht. Eine totale Schadensersatzübernahme für alles, was in dieser Welt passiert, kann man Deutschland schlechterdings nicht zumuten. Für die Maschinen hier, für die A400M ist das alles eindeutig geklärt.

    Durak: Hans Georg Wagner, der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion bei uns am Telefon. Dankeschön, Herr Wagner, für das Gespräch.