Der Druck auf die Umweltministerin wächst: Svenja Schulze muss liefern. Die Sozialdemokratin hatte sich für die Nachrüstung schmutziger Diesel stark gemacht - auf Kosten der Hersteller. Es ist auch ein Kampf gegen den Koalitionspartner, gegen CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer, der die Industrie eher verschonen möchte. Schulze sollte eine SPD-Duftmarke im Koalitionskompromiss setzen und könnte jetzt mit leeren Händen dastehen.
"Wir können die Industrie nicht zwingen, wir haben keine juristischen Möglichkeiten", musste die Ministerin schon vorgestern Abend im ZDF einräumen.
Da war bereits klar: Die Hardware-Nachrüstung von Euro 5 Dieseln könnte zum Flop werden, die Unternehmen wollen nicht zahlen. BMW hatte sofort abgewunken, Opel, Tochter der französischen PSA-Gruppe zieht nicht mit, Daimler zögert, VW will nur zahlen, wenn auch die anderen mitmachen.
Kühnert fordert Druck auf Autoindustrie
"Ich finde das einfach auch moralisch inakzeptabel, dass Hersteller wie BMW jetzt sagen, also wir haben eigentlich überhaupt keine Lust, uns an diesen technischen Nachrüstungen zu beteiligen", meint Kevin Kühnert. Der Juso-Vorsitzende fordert seine Parteifreundin dazu auf, Druck auf die Autoindustrie auszuüben.
"Ich bin froh, dass sie jetzt sagt hat, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen", unterstreicht Kühnert im Gespräch mit dem RBB-Hörfunk. Die Konzerne müssen sich bewegen, fordert der junge Sozialdemokrat.
"Die haben es verbockt. Die haben getrickst, mit ihren Abgaswerten und niemand hat Verständnis dafür, wenn sie jetzt nicht am Ende auch das Geld dafür aufbringen müssen, dass alle ihre Autos auf den neuesten technischen Stand bekommen!"
Scheuer springt Konzernen zur Seite
In der SPD fürchten nicht wenige, dass ihre Partei auch aus dieser Kontroverse einmal mehr als Verlierer aus einer Koalitionskontroverse hervorgehen könnte.
Verkehrsminister Andreas Scheuer hatte schon vorgestern gerechtfertigt, dass Konzerne wie BMW nur eine Umtauschprämie anbieten, nicht aber eine Kostenübernahme bei Nachrüstungen: "Die konzentrieren sich mit attraktiven Prämien, attraktiven Leasing-Angeboten. Die gehen einfach halt eine andere Strategie. Die deutschen Hersteller haben unterschiedliche Kundenstämme!"
Städtetag fordert neue Plakette
Der Dieselkompromiss wirft bereits jetzt mehr Fragen als Antworten auf. Helmut Dedy, Geschäftsführer des Deutschen Städtetages fragt sich, wer künftig eigentlich sicherstellen soll, dass in den Problemstädten nur saubere Diesel unterwegs sind. Ohne eine neue Plakette, so Dedy im WDR, gehe da gar nichts.
"Wir können das im Moment überhaupt nicht kontrollieren. Wir können von außen nicht sehen, ist das ein guter Diesel , ein schlechter Diesel, nachgerüsteter, wie auch immer, da sagt die Bundesregierung, na ja, dann müsst Ihr halt auf die zentralen Register zugreifen. Aber das geht schlicht nicht, das könnten wir nur machen, wenn wir die Kennzeichen jeweils abgleichen. Also da ist eine blanke Stelle. Das kann so nicht bleiben!"
Was passiert mit den schmutzigen Dieseln?
Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland macht im Gespräch mit dem Deutschlandfunk deutlich, wie wenig er vom Umtauschprogramm hält, und er verweist auf ein anderes Problem.
"Das ist ein Konjunkturprogramm für die Autoindustrie. Da werden Umtauschprämien versprochen, die man auch sonst kriegen könnte, weil: Rabatte gibt es immer schon. Die Autos werden aber nicht vom Markt genommen. Die fahren dann in Gebieten weiter, wo keine Fahrverbote drohen, ohne dass man technisch an ihnen etwas getan hat."
Tatsächlich scheint unklar, was mit den schmutzigen Dieseln wirklich passieren könnte.
"Das muss am Ende des Tages die Automobilindustrie entscheiden, die die Autos ja wieder zurücknimmt", meint Ministerin Svenja Schulze.
Dieser Satz dürfte nicht nur bei Juso-Chef Kevin Kühnert für Widerspruch sorgen. Auch die Umweltpolitiker in der SPD fragen sich, was die SPD-Ressortchefin tun kann und will, wenn sie ankündigt, in Sachen Diesel sei das letzte Wort noch nicht gesprochen.