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Streit um Digitalpakt
"Plumper Erpressungsversuch auf dem Rücken der Schüler"

Mit dem Digitalpakt will der Bund die Digitalisierung von Schulen fördern. Ein solcher Eingriff in die Bildungshoheit der Länder ruft jedoch deren Widerstand auf den Plan. Vor allem Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wehrt sich gegen eine entsprechende Verfassungsänderung.

Von Uschi Götz | 30.01.2019
    Schüler arbeiten im Unterricht mit einem Tablet
    Digitalpakt: Der Bund will mit fünf Milliarden Euro die digitale Ausstattung an Schulen verbessern. Mit einer Verfassungsänderung soll dafür das Kooperationsverbot in der Bildungspolitik gelockert werden. (dpa / Armin Weigel)
    "Sie wollen die Bildungspolitik zentralisieren! Die Bundesregierung setzt Mittel aus dem Digitalpakt ganz gezielt als Druckmittel gegenüber den Ländern ein, damit diese ihre ureigenen Gestaltungsmöglichkeiten im Bildungsbereich für immer hergeben. Und das für ein einmaliges Nasenwasser von fünf Milliarden (Euro) über fünf Jahre."
    Knapp eine halbe Stunde erklärte Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann heute im Landtag noch einmal sein striktes Nein zur geplanten Grundgesetzänderung.
    Der Bundestag hatte den Plänen der Bunderegierung bereits zugestimmt, der Bundesrat wiederum stoppte das Vorhaben. Kretschmann griff die Bundesregierung scharf an, im Landtag zuhause tobte vor allem die SPD bei einigen Spitzen des Ministerpräsidenten:
    "Und das ist ein plumper Erpressungsversuch auf dem Rücken unserer Schülerinnen und Schüler", so Kretschmann.
    Eigener Vorschlag der Länder
    Man werde sich mit aller Kraft gegen den Versuch wehren, die Rechte der Länder zu beschneiden, kündigte Kretschmann erneut an.
    Verlässlich hinter Kretschmanns ablehnender Haltung stehen bislang die Länder Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen:
    "Meine Kollegen und ich haben einen gemeinsamen Vorschlag erarbeitet: Einen Vorschlag, der im Interesse unserer Schülerinnen und Schüler schnell zu Ergebnissen führen kann, sofern der politische Wille aller Beteiligten vorhanden ist. Auf eine kurze Formel gebracht: Schnelle Umsetzung des Digitalpakts ohne Änderung des Grundgesetzes."
    Auch die grün-schwarze Regierungskoalition in Baden-Württemberg steht hinter Kretschmann. CDU Fraktionschef Wolfgang Reinhart ist der Meinung, eine Verfassungsänderung würde den Föderalismus und seine Spielregeln empfindlich verändern und seine Achsen in Richtung Zentralismus verschieben.
    Die AfD hält ebenfalls eine Grundgesetzänderung für nicht notwendig. SPD Fraktionschef Andreas Stoch stellt indes die Frage, ob die Diskussion um den Digitalpakt der richtige Anlass ist, um über das Verhältnis zwischen Bund und Ländern zu streiten…
    "…und gleichsam Untergangsszenarien für die Eigenstaatlichkeit der Länder an die Wand zu malen. Wir sind der Meinung, das ist definitiv der falsche Anlass. Diese maßlose Selbstüberhöhung ihrer Einordnung als Retter der Föderalismus - auch in ihrer heutigen Rede - macht mich eher nachdenklich."
    Streit auf Kosten des digitalen Fortschritts
    Die FDP warf Kretschmann vor, er beschwöre die Verhandlungskunst, leiste mit seiner eigenen Rhetorik jedoch keinen Beitrag zur Annäherung. Der Philologenverband Baden-Württemberg rief Landes- und Bundespolitiker dazu auf, den eigensüchtigen Streit um die Machtfrage zwischen Bund und den Ländern endlich zu beenden. Die Grundsatzdiskussion um die Bund-Länder-Hoheit sollte von der Digitalpakt-Pakt Frage getrennt werden, so die Forderung. Der Streit werde auf Kosten des digitalen Fortschritts an den Schulen ausgetragen.
    David Warneck, Lehrer an einer Gesamtschule in Stuttgart hält nichts von dem im Grundgesetz verankerten Kooperationsverbot, das mit wenigen Ausnahmen den Ländern die Hoheit im Bildungsbereich garantiert:
    "Ich fände es gut, wenn der Bund den Ländern Mittel zur Verfügung stellen würde, die zweckgebunden sind und für die Digitalisierung eingesetzt werden. Hier in Baden-Württemberg passiert gerade viel zu wenig. Manche Geräte stammen noch aus dem letzten Jahrzehnt und außerdem ist es dringend notwendig, dass die Schulen endlich Zugang zu schnellem Internet erhalten. Ohne den Breitbandausbau ist es kaum möglich, dass zum Beispiel mehrere Klassen zur selben Zeit arbeiten, ohne dass das Netz zusammenbricht."