Wirtschaftsminister Gabriel pocht auf Klarstellung: Im Streit um die gestoppte Kaiser's-Tengelmann-Fusion hat er sich gegen Vorwürfe gewehrt, die Verhandlungen seien nicht transparent gewesen. Gabriel fordert, das Gericht solle Behauptungen korrigieren, die es in der Begründung seiner Entscheidung vom 12. Juli aufgestellt habe.
Gabriel kritisierte, es wurden falsche Daten angegeben, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katharina Dröge im DLF. In dem sogenannten Tatbestandsberichtigungsantrag auf Gespräche mit Edeka-Chef Markus Mosa und Tengelmann-Geschäftsführer Karl-Erivan Haub. Diese will er nicht gemeinsam, sondern getrennt voneinander getroffen haben.
"Was passiert mit den Mitarbeitern von Edeka?"
Laut Dröge werde es dadurch aber keinen qualitativen Unterschied geben. "Das Gericht wirft ihm vor, dass es keine Notizen dieser Gespräche gab und damit die Konkurrenten nichts wussten", sagte die Obfrau der Grünen im Wirtschaftsausschuss. Dem Wirtschaftsminister ginge es um eine qualitative Richtigstellung. Sie forderte von Gabriel, er solle die Karten nun endlich auf den Tisch legen. Nach Dröges Darstellung hat Gabriel erst auf ihre parlamentarische Anfrage hin ein Treffen mit den Chefs von Edeka und Kaiser's Tengelmann eingeräumt. Zuvor habe er sich noch anders geäußert.
Dröge kritisierte weiter, dass er auch die "große Frage, was passiert mit den Mitarbeitern von Edeka" nicht beantworte. Sigmar Gabriel verweigert über diese Frage die Debatte. Dröge warf ihm vor, es mit der Sicherung der Arbeitsplätze nicht ernst zu meinen.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte eine Ministererlaubnis zur Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann mit der Begründung gestoppt, Gabriel habe das Verfahren nicht neutral geführt. Der SPD-Politiker weist die Vorwürfe zurück.
Das Interview in voller Länge:
Bettina Klein: Für eines sorgt der Bundeswirtschaftsminister jedenfalls: Die Namen Edeka und Tengelmann bleiben in den Nachrichten. Im Streit mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf wegen der gestoppten Fusion der Supermarktketten pocht Gabriel jetzt auf Klarstellungen beim Gericht. Er hat einen sogenannten Tatbestandsberichtigungsantrag beim Gericht eingereicht, das wurde inzwischen aus dem Bundeswirtschaftsministerium bestätigt, und Gabriel möchte, dass das Gericht falsch dargestellte Sachverhalte korrigiert. Er hofft offenbar darauf, dass seine Ministererlaubnis dann doch noch Erfolg hat und das Gericht die eigene Entscheidung zurücknehmen muss.
Katharina Dröge ist Obfrau der Grünen im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages. Sie hat sich in dieser Frage in der letzten Zeit schon sehr engagiert. Sie hat eine parlamentarische Anfrage an das Ministerium gerichtet und zeigte sich damals einigermaßen empört über die Antwort, und sie ist jetzt heute Morgen hier im Deutschlandfunk am Telefon. Grüße Sie, Frau Dröge!
Katharina Dröge: Schönen guten Morgen!
Klein: Zunächst mal, haben Sie einen Eindruck davon, was jetzt klargestellt werden muss? Was hat das Gericht denn falsch gesehen?
Dröge: Herr Gabriel bezieht sich in seiner Tatbestandskorrektur auf Gesprächstermine, die er mit Herrn Moser von Edeka und Herrn Haupt von Kaisers-Tengelmann geführt hat, und das Gericht hat ihm dort vorgeworfen, dass er Geheimgespräche geführt hat, die den anderen Verfahrensteilnehmern wie beispielsweise Rewe nicht bekannt geworden sind im Verfahren. Und dort, sagt Herr Gabriel, wurden falsche Daten angegeben. Einmal hat er sich am 18. Dezember mit Herrn Haupt und Herrn Moser getroffen, und nicht am 16., wie das Gericht geschrieben hat. Und das Gericht hatte von Sechs-Augen-Gesprächen gesprochen, und tatsächlich waren wohl Beamte des Ministeriums mit anwesend. Und das möchte Herr Gabriel jetzt korrigiert haben vom Gericht.
Klein: Und wird es einen qualitativen Unterschied ergeben am Ende?
Dröge: Aus meiner Sicht nicht, denn das Gericht wirft ihm ja nicht vor, dass er an konkreten Tagen sich mit diesen Personen getroffen hat, sondern dass er sich mit den Personen getroffen hat, eben ohne dass Rewe und Markant als Konkurrenten davon in ausreichendem Maße Kenntnis bekommen haben. Das Gericht wirft vor, dass es keine Protokollnotiz dieser Gespräche gegeben hat und damit die Konkurrenten nicht wussten, was ist überhaupt der Inhalt des Gesprächs, und überhaupt nicht wussten, dass es an diesem 18.12. noch ein zweites Gespräch gegeben hat. Und diese Vorwürfe kann Sigmar Gabriel eben nicht entkräften.
Und er kann auch nicht entkräften, dass der Chef von Rewe wiederholt auch um ein Gespräch gebeten hat und eben keine Möglichkeit bekommen hat, mit Sigmar Gabriel über seine Anliegen zu sprechen. Und das, sagt das Gericht, ist ja das, warum dieser Eindruck entsteht, dass Sigmar Gabriel gegebenenfalls befangen ist, weil er sich nur mit einzelnen trifft, mit anderen nicht, und eben auch nicht darüber informiert, dass es diese Gespräche gegeben hat. Und das ändert sich eben auch dadurch nicht, dass das Gespräch am 18. statt am 16. stattgefunden hat.
Klein: Wenn ich es richtig verstehe, Frau Dröge, dann geht es Sigmar Gabriel auch darum, dass er eben die Edeka- und Tengelmann-Chefs nicht gemeinsam, sondern getrennt voneinander getroffen hat, und dass es auch keine Geheimverhandlungen waren, sondern diese Gespräche jederzeit auch in den Akten dann einzusehen waren. Das ist schon auch noch mal eine qualitative Richtigstellung, die er da vornehmen will, oder nicht?
"Es gab keine Gesprächsvermerke"
Dröge: Der eine Punkt stimmt allerdings nicht, das hat die Antwort auf die schriftliche Frage ergeben, die ich ihm gestellt habe. Er hat in der Pressekonferenz nach diesem Gerichtsurteil zweimal gesagt, dass er sich mit Herrn Haupt und Herrn Moser nicht gemeinsam getroffen hätte, und hat das Gericht auch scharf dafür angegriffen, dass die das behauptet haben. Und dann habe ich da noch mal nachgefragt, und jetzt musste er zugeben, dass es eben doch auch ein gemeinsames Treffen, nämlich am 18.12. mit Herrn Haupt und Herrn Moser gab, und da hat er in der Pressekonferenz nicht die Wahrheit gesagt, und das ist natürlich schon relevant, ob es dieses Gespräch gemeinsam gab und die sich da in einer Dreierrunde austauschen konnten oder eben nur zu zweit. Der zweite Punkt stimmt, es gab kein Sechs-Augen-Gespräch, sondern es waren Beamte des Ministeriums mit anwesend, aber es gab eben keine Gesprächsvermerke, sodass Rewe beispielsweise oder Markant von den Inhalten des Gespräches hätten Kenntnis bekommen können, sondern das Ministerium sagt, in den Nebenbestimmungen stand quasi am Ende, was wir besprochen haben. Aber die Nebenbestimmungen, das ist quasi sein Urteil. Das ist ganz am Ende des Verfahrens. Da hat dann Rewe erfahren, okay, das haben die anscheinend besprochen. Aber da ist es dann auch zu spät gewesen, weil da ist die Entscheidung ja gefallen.
Klein: In der Sache geht es ja so ein bisschen darum, dass der Eindruck entstanden ist, dass Gabriel das im Prinzip eingefädelt hat, dass er auch schon mit den Gewerkschaften gesprochen hat, bevor eben der andere Konkurrent, Rewe, Sie haben es genannt, die Chance hatte, da einzugreifen. Für den Hörer mag das so ein bisschen viel Klein-klein sein, wer hat sich da wann mit wem getroffen. Das geht seit Wochen jetzt schon durch die Medien. Was ist der zentrale Vorwurf, der aus Ihrer Sicht weiter bestehen bleibt?
"Die Ministererlaubnis ist in der Sache falsch"
Dröge: Dieses Klein-klein, das lenkt natürlich ein bisschen von der Sache an sich ab, dass nämlich auch die Ministererlaubnis in der Sache falsch ist, und auch damit hat sich das Gericht ja dezidiert auseinandergesetzt. Sigmar Gabriel hat ja gesagt, er will mit dieser Ministererlaubnis Arbeitsplätze retten. Und das Gericht hat ihm explizit aufgeschrieben, das schaffst du mit deiner Ministererlaubnis nicht, weil du beschäftigst dich nur mit den Mitarbeitern von Kaisers-Tengelmann und nicht mit den Mitarbeitern von Edeka.
Und die große Frage, die im Raum steht und die Sigmar Gabriel nicht beantwortet, ist, was passiert denn nach der Fusion mit den Mitarbeitern von Edeka. Denn eigentlich hatte der Edeka-Konzern immer angekündigt, sie wollten diese Fusion mit Jobabbau begleiten. Die wollten nie alle Mitarbeiter übernehmen. Und jetzt sagt Gabriel, ich will diese Mitarbeiter von Kaisers sichern, macht keinen Jobschutz für die Mitarbeiter von Edeka, und nichts hindert diesen Konzern jetzt daran, einfach eigene Mitarbeiter dann zu entlassen und das Ziel, diese Mitarbeiterzahl, die man eigentlich mal geplant hatte zu erreichen. Und damit erreicht er eben gerade nicht das, was er verspricht, nämlich die Sicherung von Arbeitsplätzen.
Klein: Die SPD verteidigt ihren Minister damit, dass sie unter anderem sagt, ihm sei es gegangen um Beschäftigungssicherung, um Gemeinwohlinteressen. Ob das am Ende alles so aufgeht, ist eine andere Frage, aber zumindest habe das ihn geleitet. Sie sagen jetzt auch, da wird ein Minister kritisiert, um ihn politisch zu demontieren. Was sagen Sie dazu?
Ministererlaubnis: schlecht für Beschäftigte, Verbraucher und Bauern
Dröge: Absolut nicht. Ich würde dieses Verfahren, wenn er eine richtige Entscheidung getroffen hätte, zwar in der Sache, im Verfahren noch kritisieren. Ich finde, ein Minister, der Verfahrensfehler macht, der muss sich dieser Auseinandersetzung auch stellen. Aber mir geht es tatsächlich um die Sache, und ich bin überzeugt davon, dass diese Ministererlaubnis schlecht ist für die Beschäftigten, schlecht ist für die Verbraucher, die am Ende weniger Auswahl haben und vielleicht höhere Preise. Und auch am Ende schlecht für die Erzeuger, die Bauern, die noch mehr unter Druck gesetzt werden von dem neuen Konzern und damit auch gegebenenfalls dort Jobs verloren gegangen sind. Und das ist das, was mich eigentlich in dieser gesamten Ministererlaubnisentscheidung so ärgert, dass Sigmar Gabriel über diese Fragen die Debatte verweigert, dass wir ihn seit einem halben Jahr fragen, was ist denn mit den Jobs bei den Bauern, was ist denn mit den Jobs bei Edeka. Und er gibt darauf keine Antwort, und wenn er das ernst meinen würde, dass er Beschäftigung sichern will, dann müsste er auf diese Fragen eben sehr gute Antworten haben.
Klein: Gabriel könnte als Parteivorsitzender Kanzlerkandidat werden, die Grünen möchten vielleicht mit ihm zusammen regieren. Ist er aus Ihrer Sicht durch die ganze Geschichte jetzt schon beschädigt?
Gabriel müsse "mit dieser scheibchenweisen Informationspolitik" aufhören
Dröge: Er hat jetzt ein Problem. Seine Glaubwürdigkeit in diesem Verfahren ist beschädigt, und deswegen erwarte ich auch, dass er jetzt alle Karten auf den Tisch legt, dass er aufhört mit dieser scheibchenweisen Informationspolitik, dass immer erst auf Nachfrage Informationen rauskommen. Ich weiß nicht, ob das irgendwie Schlampigkeit in der Vorbereitung war oder ob es da noch Informationen gibt, die irgendwie nicht ans Licht kommen sollen, das müssen wir beurteilen, wenn wir alle Informationen haben. Und ich finde eigentlich auch, dass er sich entschuldigen muss dafür, dass er sich in diese Pressekonferenz gestellt hat, das Gericht angegriffen hat, aber dann eben selbst nicht so ganz korrekt mit seinen Informationen war.
Klein: Vielleicht noch ganz kurz, Frau Dröge, wir haben gerade parlamentarische Sommerpause, aber wie geht das weiter? Wird der Wirtschaftsausschuss sich noch mal damit beschäftigen?
Dröge: Ich gehe davon aus. Sigmar Gabriel hat uns ja jetzt einen Brief geschrieben, den hat er an den Ausschussvorsitzenden Herrn Ramsauer geschickt, und hat dort angeboten, dass er für einen aktuellen Bericht zur Verfügung steht und für Fragen der Abgeordneten. Ich gehe davon aus, dass er damit meint, dass er noch mal in den Wirtschaftsausschuss kommt zeitnah, und das werden wir auf jeden Fall dann auch aufgreifen.
Klein: Katharina Dröge, die Obfrau der Grünen im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages, noch mal zur gekippten Ministererlaubnis von Sigmar Gabriel und den weiteren Entwicklungen. Frau Dröge, vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen und für das Interview.
Dröge: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.