Christiane Kaess: Kein Familiennachzug für Flüchtlinge mit dem eingeschränkten sogenannten subsidiären Schutz mehr. Das garantiert CSU-Chef Horst Seehofer den Wählern für eine unionsgeführte Bundesregierung. Noch bis März 2018 gilt derzeit eine zweijährige Sperre für den Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz, den zum Beispiel syrische Bürgerkriegsflüchtlinge meistens erhalten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich deshalb hier erst einmal nicht festlegen. Allerdings will auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière von der CDU nach der Wahl die Aussetzung des Familiennachzuges verlängern. - Armin Schuster ist Obmann der Union im Innenausschuss des Bundestages. Guten Morgen, Herr Schuster.
"SPD möchte den kompletten Familiennachzug ermöglichen"
Armin Schuster: Guten Morgen, Frau Kaess.
Kaess: Syrische Flüchtlinge dürfen auch nach März 2018 keine Familienangehörigen mehr nachholen. Ist das jetzt die Linie der Union?
Schuster: Das stimmt nicht ganz so, weil wir ja auch aus Syrien Flüchtlinge haben, die asylberechtigt sind nach dem Grundgesetz oder nach der Genfer Flüchtlingskonvention, und die bekommen sogar einen Familiennachzug, ich sage mal, privilegiert, weil sie für ihre Nachziehenden erst mal keinen gesicherten Lebensunterhalt und auch keinen Wohnraum selber nachweisen müssen. Da sind wir sogar einigermaßen großzügig. Es geht nur um den Teil der syrischen Flüchtlinge, die tatsächlich, wie Sie gesagt haben, subsidiären Schutz haben.
Da kann ich jetzt eigentlich keine unterschiedlichen Positionen feststellen, denn das Dilemma, das wir in der Regierung haben, ist, dass die SPD das genaue Gegenteil von dem fordert, was die Union möchte, nämlich diese Aussetzung, die erst mal bis 2018 gilt. Wir sind auch für die Verlängerung. Die SPD ist fürs Gegenteil und deshalb muss man, meine ich, auch die Kanzlerin verstehen. Wir halten diese Regierung bis zum letzten Tag jedenfalls aufrecht und stemmen uns gegen die Auffassung der SPD, die Aussetzung jetzt schon aufzulösen. Da hält Angela Merkel Linie.
"Ich stehe bei den Kommunen... die haben das Problem"
Kaess: Ja. Aber, Herr Schuster, wenn Herr Seehofer garantiert, mit der Union wird diese Aussetzung auf alle Fälle verlängert werden, und Angela Merkel sagt, sie will sich da noch nicht festlegen, dann ist das doch nicht der gleiche Standpunkt.
Schuster: Das stimmt. Ich halte jetzt an der Stelle den Standpunkt von Frau Merkel für etwas realistischer, weil ich nicht weiß, was die FDP eigentlich will. Das kann man schwer erkennen. Ich weiß, dass die Grünen und die SPD das genaue Gegenteil von dem wollen, was wir wollen, nämlich weiter aussetzen, und insofern – so schlau ist die Bundeskanzlerin – weiß sie natürlich, dass, wenn der Wahltag für uns ordentlich ausgeht, wir in Koalitionsverhandlungen sitzen mit Partnern, die zumeist gegen das sind, was wir wollen. Bei der FDP weiß ich es nicht so genau. Was dann am Ende herauskommt, müssen wir sehen, aber ob wir jetzt schon versprechen können, das - - Ich kann nur sagen, die Unionslinie, die ist klar. Da hat Herr Seehofer recht. Wir sind übrigens nicht - - eigentlich ist es nicht eine Unionslinie und ich selber stehe jetzt auch nicht bei CDU, Herrn Seehofer oder wem auch immer. Ich stehe bei den Kommunen. Die müssen es richten und die Kommunen haben das Problem.
"Wir sind in heftigen Auseinandersetzungen mit der SPD"
Kaess: Okay. Herr Schuster, da können wir gleich noch weiter in die Tiefe gehen. Aber die Bundeskanzlerin legt sich nicht fest und Herr Seehofer schießt da schon mal vor und garantiert, dass es mit der CSU den subsidiären Schutz so nicht geben wird. Das heißt, Herr Seehofer ist nicht so schlau, an zukünftige Koalitionen zu denken?
Schuster: Nein. Er hat das Privileg, so wie ich auch mit Ihnen jetzt im Interview, einfach auch mal eine parteipolitische Linie aufzuzeigen. Das tue ich auch. Mit mir gäbe es auch keine Aussetzung dieser - - Ich wäre auch für die Verlängerung, ich würde auch nicht aussetzen.
Kaess: Es ist kompliziert.
Schuster: Es ist ein bisschen kompliziert, das stimmt, aber nur rhetorisch. Da kann ich aber als Parteipolitiker sprechen. Es ist einmütige Haltung der Unions-Innenpolitiker, und den Luxus genießt eine Regierungschefin so uneingeschränkt nicht. Sie vertritt eine Koalition aus CDU und SPD, und Sie müssen wissen, wir sind in heftigen Auseinandersetzungen mit der SPD. Seit März diesen Jahres fordert die SPD die komplette Auflösung dieser Aussetzung, und das heißt, die SPD möchte eigentlich seit März, dass wir den kompletten Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige ermöglichen, und dagegen stemmen wir uns und da bin ich der Bundeskanzlerin dankbar. Da ist sie komplett auf Linie. Wir halten das bis März 2018 auf jeden Fall und wir werden in den Koalitionsverhandlungen an der Stelle genau die Linie vertreten. Ob das dann durchgeht, müssen wir sehen.
"Ziemlich wenig Juristen bei der AfD"
Kaess: Herr Schuster, wie klug ist es denn jetzt, im Wahlkampf bei diesem Thema mit der AfD zu wetteifern? Die spricht von zwei Millionen neuen Flüchtlingen, die ins Land kommen würden mit dem Familiennachzug.
Schuster: Die Zahl ist Quatsch. Ehrlich gesagt, wetteifern wir mit der AfD überhaupt gar nie, nicht mal ignorieren - wäre mir fast lieber, weil Du Dich mit den Argumenten, die die bringen, nicht auseinandersetzen kannst. Die sind ja nicht seriös. Die Zahl zwei Millionen ist kompletter Quatsch. Das Problem an der AfD ist, dass es wahnsinnig wenig Menschen dort gibt, die sich auch mit der juristischen Seite auseinandersetzen. Wir haben nun mal die Genfer Flüchtlingskonvention. Wir haben nun mal ein Grundgesetz. Dass dort ziemlich wenig Juristen sind bei der AfD, da kann ich nichts dafür, aber es geht in diesem Staat nicht ohne Recht. Und die Partei, die glaubt, ständig den Rechtsstaat verteidigen zu müssen, die sollte mal dafür sorgen, dass wenigstens ein paar Mitglieder von denen überhaupt wissen, was das ist. Ich schleife den Rechtsstaat nicht. Wer bei uns Asyl hat nach Grundgesetz, wer Asyl hat nach der Genfer Flüchtlingskonvention, hat das Recht auf Familiennachzug. Das gewähren wir. Deswegen sind wir auch nicht hart.
"Dieses Jahr deutlich unter 200.000 Flüchtlinge"
Kaess: Aber, Herr Schuster, wie sinnvoll ist es dann von Bundesinnenminister de Maizière, sich zumindest ähnlich zu positionieren wie die AfD und von "gewaltigen Zahlen" zu sprechen, dann aber nicht konkret zu werden? So etwas führt doch nur zur Verunsicherung.
Schuster: Gewaltig ist es im Sinne dessen, was wir an Flüchtlingszugang im Moment über die Grenze haben. Wir haben ja die glückliche Situation, …
Kaess: Er hat sich aber jetzt auf den Familiennachzug bezogen in diesem Fall.
Schuster: Das Verhältnis hat er anders gemeint. Wir haben im Moment die glückliche Situation, dass wir es geschafft haben, die illegale Einreise direkt über die Grenze so zu steuern, dass wir dieses Jahr deutlich unter 200.000 liegen. Die Zahlen gehen im Moment sogar noch leicht zurück. Ich vermute, wir könnten sogar bei 170.000 herauskommen. Das ist fast ein Normalwert aus den Jahren 2010, `11, `12, `13. Im Verhältnis dazu, zu dieser Zahl wäre der Familiennachzug wirklich hoch, wenn wir ihn öffnen würden für die subsidiär Schutzbedürftigen.
Kaess: Und warum hat man da Sorge, genaue Zahlen zu nennen? Die müssten doch mindestens zu schätzen sein.
Schuster: Na ja, das hat er ja gesagt. Er hat gesagt, dass er sie de facto einrechnet.
Kaess: Er hat von gewaltigen Zahlen gesprochen.
Schuster: Das heißt, jeder, der subsidiär schutzbedürftig ist, da rechnen wir damit, pro Person kann eine Person nachziehen. Ich habe die Zahl nicht exakt, aber ich kann Ihnen jedenfalls sagen, dass was Sie sich wünschen. Ich würde die Zahlen aus der "Bild"-Zeitung nicht dementieren. In dieser Dimension wird es sich abspielen. Würden wir das tun, was die SPD will, dann würden wir…
Kaess: Welche Zahlen aus der "Bild"-Zeitung meinen Sie jetzt genau?
Schuster: Na ja, die 370.000. Davon können Sie mal ausgehen. Wenn wir die Subsidiären reinholen, dann verdoppeln wir mindestens unseren Zugang. Und deswegen sage ich Ihnen ganz offen: Die Frage, machst Du die Familiennachführung für subsidiär Schutzbedürftige, ist klipp und klar eine Frage der Steuerung unserer Zuwanderung. Und ich setze auf keinen Fall das Niveau aufs Spiel, was wir jetzt haben. Wir haben Ruhe an der Grenze wieder, in dem Sinne, wie wir es immer hatten, und unser Versprechen, 2015 wird sich nicht wiederholen, das gilt. Deswegen möchte ich auch den Kommunen zusichern, dass sie nicht mit unplanbaren Größen rechnen müssen beim Zuzug subsidiärer Schutzbedürftiger, die ihre Familien nachholen. Denn das ist der schwierigste Fall. Die stehen plötzlich vor der Tür!
Kaess: Die Diskussion um den Familiennachzug – Armin Schuster war das, Obmann der Union im Innenausschuss des Bundestages. Danke für das Gespräch heute Morgen.
Schuster: Danke Ihnen, Frau Kaess.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.