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Streit um G36-Sturmgewehr
"Es ist nichts verschleppt worden"

Der CDU-Politiker Henning Otte hat sich im Streit um das Sturmgewehr G36 hinter die Entscheidungen von Ex-Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) gestellt. Die Probleme seien nicht verschleppt worden, sagte er im DLF. De Maizière habe immer neue Untersuchungen in Auftrag gegeben.

Henning Otte im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Soldaten bei einer Übung mit dem Gewehr G36.
    Soldaten bei einer Übung mit dem Gewehr G36. (Imago / Stefan M. Prager)
    Hinweis: Sie können das Gespräch mit Henning Otte zusammen mit dem direkt zuvor gesendeten Interview mit Jan van Aken (Linke) in unserer Mediathek nachhören.
    Christiane Kaess: Mitgehört hat Henning Otte von der CDU, verteidigungspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag und Mitglied des Verteidigungsausschusses. Guten Morgen, Herr Otte!
    Henning Otte: Guten Morgen, Frau Kaess.
    Kaess: Wir haben es gerade noch mal ausführlich gehört: De Maizière hatte in seiner Amtszeit trotz Hinweisen auf die Präzisionsprobleme weiter am G36 festgehalten. Er hat also die Probleme verschleppt auf Kosten der Sicherheit der Soldaten?
    Otte: Nein, es ist nichts verschleppt worden. Es ist immer wieder von Herrn de Maizière in Auftrag gegeben worden eine ständige Überprüfung dieses Gewehres, um jeden Hinweis aufzunehmen. Es ist aber Fakt, dass aus den Einsatzgebieten, das heißt von den Soldaten selbst keine Beschwerden über das Gewehr kamen, und trotzdem hat Herr de Maizière immer wieder gesagt, wir müssen untersuchen, wir müssen die Einsatztauglichkeit prüfen. Ich denke, das ist auch ein Ausdruck von Fürsorge.
    Kaess: Wir haben zu den Einsatzgebieten gerade etwas anderes gehört von Jan van Aken. Fest steht ja auch, Herr Otte, dass die Spitze des Verteidigungsministeriums spätestens seit März 2012 wusste von Problemen beim G36. Bei so wichtigen Fragen, wenn es um die Sicherheit der Soldaten im Einsatz geht, ist das noch nachzuvollziehen, dass so lange keine Konsequenzen gezogen wurden?
    Otte: Die Konsequenzen sind gezogen, indem weitere Untersuchungen durchgeführt worden sind. Aber es gab keine belastbaren Erkenntnisse oder keine genaue Feststellung der Kausalität von Abweichungen im Trefferbild. Es ist ja nicht so, wie Herr van Aken behauptet, dass das Gewehr daneben schießt. Aber ab einer erhöhten Schussleistung gibt es eine Ausweitung des Trefferkreises, das heißt Zweifel an der Präzision.
    "Keine Hinweise, dass das Gewehr nicht funktioniert"
    Kaess: Warum hat man denn dann über Jahre hinweg immer wieder neue Gutachten gebraucht?
    Otte: Weil nicht eindeutig festgestellt werden konnte, ob es an der Munition liegt oder an der Waffe, und erst das letzte Gutachten des Fraunhofer-Instituts hat beide Symptome überprüft, auch unter Laborbedingungen, und hierbei ist dann festgestellt worden, tatsächlich gibt es bei schussindizierter Wärme und bei Temperaturabweichung erhebliche Veränderungen in der Präzision, und darauf werden wir reagieren.
    Kaess: Aber, Herr Otte, da muss ich jetzt doch noch mal nachfragen. Wenn über Jahre hinweg solche Mängel eigentlich schon geahnt werden - und ich betone es noch mal: es geht um die Sicherheit der Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz -, hätten da nicht schon viel früher viel größere Konsequenzen gezogen werden müssen?
    Otte: Wir können nur reagieren bei belastbaren Kriterien. Aus den Einsatzgebieten kam auch in persönlichen Gesprächen - das hat der Minister gestern gesagt - keine Hinweise an ihn heran, dass das Gewehr nicht funktioniert. Und dennoch war es Ausdruck von Fürsorge, immer wieder zu überprüfen, jedem Hinweis auch nachzugehen, ob dieses Gewehr, das jetzt vor einem viertel Jahrhundert beschafft worden ist, nicht vielleicht Verbesserungsmöglichkeiten bietet.
    Kaess: Aber diese belastbaren Kriterien, die hat Ursula von der Leyen offenbar viel schneller erkannt als Thomas de Maizière. Wer hat denn jetzt Recht mit seiner Beurteilung?
    Otte: Das letzte Gutachten ist unter Laborbedingungen erarbeitet worden. Hierbei sind diese Abweichungen festgestellt worden. Und es ist jetzt, glaube ich, notwendig, dass wir das Ministerium auffordern zu überprüfen, ob es Nachbesserungen gibt. Gestern im Ausschuss haben beide Minister dargestellt, dass sie zu jeder Zeit sich haben informieren lassen, dass die Erkenntnisse bearbeitet worden sind, Anweisung an die Soldaten im Einsatz gegeben worden ist, und vor allem, dass die jetzige Erkenntnislage sich aufgebaut hat durch verschiedene Gutachten, die von beiden Ministern in Auftrag gegeben worden sind.
    Kaess: Aber meine Frage war: Die Beurteilung von Ursula von der Leyen und der Entschluss, das Gewehr möglichst schnell aus dem Verkehr zu ziehen, das ist der richtige Schritt gewesen?
    Otte: Es geht jetzt darum, nicht 170.000 Gewehre auszutauschen, sondern vor allem für die Soldaten im Einsatz, dort wo auch die Temperaturabweichungen erheblich sind, eine Produktverbesserung durchzuführen, auch durch taktisches Verhalten. Es ist noch mal nicht so, dass das Gewehr, wie Herr van Aken behauptet, daneben schießt, sondern ab einer erhöhten Trefferleistung es Abweichungen gibt. Ganz nach dem Beispiel von Herrn van Aken: Wer mit Winterreifen glaubt, auf der Autobahn Höchstgeschwindigkeit fahren zu müssen, der handelt nicht richtig, und genau hieran setzen wir an.
    Kaess: Und noch mal meine Frage: Der Schritt von Ursula von der Leyen, weiterzugehen als ihr Vorgänger de Maizière, der war richtig?
    Otte: Der war richtig, auf jeden Fall, weil die Erkenntnislage jetzt eine eindeutige Erkenntnis gibt, dass es diese Abweichungen gibt, und das ist gut.
    "Beide Minister haben richtig gehandelt"
    Kaess: Haben Sie dann verstanden, wenn dieser Schritt richtig war, warum sich Ursula von der Leyen auch noch für die Fehleinschätzung Ihres Vorgängers bedankt hat?
    Otte: Ich sehe keine Fehleinschätzung. Es war so, dass es immer wieder Hinweise gab für Präzisionsabweichungen. Diese wurden überprüft. Es gab aber keine belastbaren Kriterien zu sagen, dass wir das Gewehr in der vorgegebenen Form nicht nutzen können. Von daher sehe ich, dass gestern eher eine Stärkung erfolgt ist, dass beide Minister richtig gehandelt haben, und dies wurde im Ausschuss sehr transparent und sehr deutlich abgebildet.
    Kaess: Herr Otte, es gibt offenbar noch viele Unklarheiten und vieles, was einfach noch als Fragen im Raum steht. Um Genaueres herauszufinden, ist nicht spätestens jetzt ein Untersuchungsausschuss berechtigt?
    Otte: Es sind drei Kommissionen eingesetzt worden von Verteidigungsministerin Frau von der Leyen. Die Kommission eins soll untersuchen, ob es einen Schaden gegeben hat durch Präzisionsabweichungen. Kommission zwei soll noch mal chronologisch herausarbeiten, wie welche Untersuchungen welche Erkenntnisse gegeben haben. Und die dritte Kommission soll Hinweisen noch mal nachgehen, ob es gegebenenfalls hier Hinweise noch mal gibt, die staatsanwaltschaftliche Ermittlungen erfordern. Die Staatsanwaltschaft - das will ich aber sagen - hat alle Verfahren eingestellt. Also drei Kommissionen, Sondersitzung im Verteidigungsausschuss, und die Opposition hat gestern keine wirklichen Fragen mehr gehabt. Die Fragen zum Schluss gingen alle ins Leere.
    Kaess: Und dann steht immer noch die Frage im Raum, ob der MAD tatsächlich kritische Berichterstattung zum G36 unterbunden hat. Von der Leyen hat das bestritten und die Grünen wollen jetzt wissen, hat die Verteidigungsministerin gelogen, oder ist sie falsch informiert worden vom MAD. Es gibt ja nur diese beiden Möglichkeiten. Was ist Ihre Vermutung?
    Otte: Der MAD hat die Aufgabe als Militärischer Abschirmdienst, Schaden von der Bundeswehr abzuwenden. Wenn hier eine Handlung durchgeführt ist, ist es geradezu gut, wenn die Politik dann davon Kenntnis bekommt. Und die Verdächtigungen, die von Teilen der Politik an den MAD herangetragen worden sind, die sind gestern entkräftet worden. Da gab es auch keine wesentlichen Nachfragen.
    Kaess: Aber das hört sich jetzt so an, als glauben Sie durchaus, dass der MAD versucht hat, kritische Berichterstattung zu unterbinden.
    Otte: Nein. Es ist in einem Fall der MAD gebeten worden, tätig zu werden. Der MAD hat diese Tätigkeit allerdings abgelehnt. Und ich finde, das ist ein funktionierendes Verfahren in unserer Demokratie.
    Kaess: ... sagt Henning Otte von der CDU, verteidigungspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag und Mitglied des Verteidigungsausschusses. Danke für dieses Gespräch heute Morgen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.