Am 30. Januar 1933 hatte Reichspräsident Paul von Hindenburg den Vorsitzenden der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, Adolf Hitler, zum neuen Reichskanzler ernannt. Zwei Monate später wird die Eröffnung des neu gewählten Reichstages in der Potsdamer Garnisonkirche gefeiert. Denn die bot als Grablege des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. die gewünschte symbolische Anbindung an die preußische Tradition.
Hitlers Verbeugung vor Hindenburg an diesem "Tag von Potsdam" besiegelte das verheerende Bündnis. Das sei aber kein Grund, das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte Gotteshaus heute nicht wiederaufzubauen, meinen viele in Potsdam. Das einstige Wahrzeichen fehle bitterlich im Stadtbild.
"Tummelplatz rechtsextremer Organisationen"
"Die Kirche gehört einfach dahin in Potsdam. Da kann doch die Kirche nichts dafür, wenn Hitler da mal gewesen ist."
Andere sehen in der Garnisonkirche ein Symbol für Militarismus und Faschismus - und sind strikt gegen eine Rekonstruktion zunächst des fast 90 Meter hohen Turmes, der 1968 in der DDR gesprengt wurde.
Die Rolle der Kirche als Tummelplatz rechtsextremer Organisationen schon in der Weimarer Republik werde von der Stiftung relativiert. Zu den Kritikern zählen auch Gruppen evangelischer Christen und mehrere Bürgerinitiativen.
"Hier hat Hindenburg Hitler symbolisch die Macht in die Hände gelegt. Und ich finde es skandalös, wirklich unfassbar skandalös, pervers und geschichtsrevisionistisch, das wieder aufzubauen, unglaublich!"
"Die Kirche oder der Bau einer barocken Kopie ist einfach die falsche Antwort auf die Geschichte dieses Ortes", sagt Carsten Linke von der Bürgerinitiative "Potsdam ohne Garnisonkirche".
"Sie hat sich lange selber gefeiert als die 'Geburtsstätte des Dritten Reiches'. Das war der Aufmarschort für diese Kräfte. Und davon findet man auf der Homepage der Stiftung Garnisonkirche kein einziges Wort."
Plädoyer mit kritischem Umgang mit der Geschichte
Dagegen erklärte deren Kuratoriumsvorsitzender, Altbischof Wolfgang Huber, die Kirche stehe für weit mehr, als den Ungeist des NS-Regimes: "Man kann mit diesem Ort nur umgehen, wenn man bereit ist, mit dieser Geschichte kritisch umzugehen. Aber die Konzentration nur auf den preußischen Militarismus und nur auf den 'Tag von Potsdam' ist kein zureichender Umgang mit diesem Ort. Die Ambivalenz unserer Geschichte erkennt man so gerade nicht."
Darum solle im wiederaufgebauten Turm der Garnisonkirche ein Friedens- und Versöhnungszentrum eingerichtet werden, kündigte EKD-Präses Irmgard Schwaetzer an, die stellvertretende Kuratoriums-Vorsitzende ist.
"Geschichte erinnern, Verantwortung lernen und Versöhnung leben - darum geht es. Deswegen wollen wir hier auch ganz viel mit Schulklassen machen."
Zunächst sollte aber mit einem Gottesdienst unter freiem Himmel der Beginn der Bauarbeiten gefeiert werden. Noch während sich mehrere hundert Anhänger des Projektes an der Baustelle versammelten, entspannen sich die ersten Diskussionen mit Kritikern des Wiederaufbaus.
Unversöhnliche Frontstellung
Tatsächlich standen sich Befürworter und Gegner unversöhnlich gegenüber, und was als besinnliche Feier geplant war, ging im lautstarken Protest fast unter. Appelle nützten nichts:
"Und ich bitte auch diejenigen, die versuchen, uns diesen Gottesdienst nicht feiern zu lassen, ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung zu setzen und ihren Lärm einzustellen."
"Heuchler! Heuchler!"
Mehrere Dutzend Protestplakate schwenkende Demonstranten störten die Feier mit Sprechchören und Trillerpfeifen. Sie wandten sich gegen ein barockes Gepräge der Potsdamer Innenstadt und forderten, die Millionen besser für bezahlbaren Wohnraum auszugeben. Carsten Linke von der Bürgerinitiative "Potsdam ohne Garnisonkirche":
"Potsdam ist kein Museum, und die Menschen hier wollen nicht im Museum leben. Die Leute wollen eine vernünftige Kita-Ausstattung, die wollen neue Sportplätze, die wollen nicht zurück zur historischen Mitte. Diese Kirche... Ich kann die Leute verstehen, die immer sagen: 'Das schöne Stadtbild'. Aber die Zeit ändert sich und brauch auch neue Antworten auf die Geschehnisse der Zeit."
Woher kommt das Geld?
Das sieht die Bundesregierung anders und bezuschusst den Turmbau als "Projekt von nationaler Bedeutung" mit zwölf Millionen Euro. Die evangelische Kirche gibt Darlehen in Höhe von insgesamt fünf Millionen. Doch die Stiftung hat die Kosten für den Turm noch nicht zusammen - vom Kirchenschiff ganz zu schweigen: Finanziert sind bislang nur gut 26 Millionen für eine Rumpfversion des Turms ohne barocke Zier, für die Fertigstellung sind mindestens weitere zehn Millionen Euro notwendig. Die sollen durch Spenden zusammenkommen. Illusorisch, wettert Carsten Linke.
"Der Turm wird 50 oder 55 Millionen kosten. Wo soll denn das Geld herkommen? Hier wird eine Bauruine entstehen. Und es ist ein Unding, dass die öffentliche Hand eine evangelische Kirche baut."
Während klassische Musik erklang und Wolfgang Huber in seiner Predigt den Segen Gottes auf das Projekt herab flehte, rangelten Polizisten mit Demonstranten aus der linken Szene und schubsten die Wortführer in einen Bauzaun.
Der Turm der Garnisonkirche brauche den Widerstreit unterschiedlicher Meinungen, mahnte Altbischof Huber: "Aber glaubwürdig ist dieser Streit nur dann, wenn er in zivilen Formen ausgetragen wird und man bereit ist, aufeinander zu hören. Durch Trillerpfeifen wird nicht argumentiert - und durch Geschrei auch nicht."
Hubers Worte verhallten auf Seiten der Demonstranten ungehört. Bis der neue Turm der Garnisonkirche also ein "Wahrzeichen des Friedens und der Versöhnung wird", ist es noch ein weiter Weg.