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Streit um Gedenkstätte Hohenschönhausen
"Es darf keine Relativierung geben"

Erst die Entlassung des Direktors, nun Austritte aus dem Förderverein: Die Stasi-Opfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen nehme weiter Schaden, sagte Klaus Schröder, Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat, im Dlf. Er befürchtet, dass die Gedenkstätte aufgrund der Auseinandersetzungen an Bedeutung verliert.

Klaus Schroeder im Gespräch mit Michael Köhler | 19.10.2018
    Klaus Schroeder, Mitbegründer und Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat
    Klaus Schroeder, Mitbegründer und Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat (picture alliance / dpa - Tim Brakemeier)
    Michael Köhler: Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn ist aus dem Förderverein der Gedenkstätte Hohenschönhausen, also der Stasi-Opfer Gedenkstätte, ausgetreten. Damit verlässt ein weiteres prominentes Mitglied den Förderverein. Der Verein habe sich nach rechts nicht genug abgegrenzt, sagte er. Und das geschieht in einem Moment der Führungskrise und der Turbulenzen in der Gedenkstätte.
    Der Leiter wurde wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung nach langjähriger Tätigkeit entlassen. Kurz vor der Sendung habe ich mit Klaus Schroeder sprechen können, Geschichtsprofessor an der FU Berlin und wissenschaftlicher Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat und Verfasser auch eines Buches über den SED-Staat von 1949 bis 1990. Der antitotalitäre Kurs sei nicht mehr gegeben, sagt Roland Jahn. Klaus Schroeder, ist das ein ganz normaler Kampf um die Deutungshoheit in der Gedenkstätte und ihrem Förderverein?
    Aufklärungsauftrag in Gefahr
    Klaus Schroeder: Ja, der Förderverein war immer schon sehr heterogen zusammengesetzt. Es waren viele da, die sehr stark antikommunistisch orientiert sind. Es waren viele da, die antitotalitär orientiert sind, aber zu sagen, dass der Konsens aufgekündigt wurde, das halte ich für übertrieben und Roland Jahn hat es ja leider versäumt eine Stellungnahme abzugeben. Er ist quasi einfach gegangen ohne etwas zu sagen und damit befördert er Spekulationen, die für diesen Förderverein nicht gut sind.
    Tatsächlich gab es einen Vorsitzenden, Jörg Kürschner, den ich persönlich mal erlebt habe, in der Enquete-Kommission im Brandenburger Landtag, wo er sehr pragmatisch und sachkundig argumentiert hat. Ihm wird vorgeworfen einige Artikel in der "Jungen Freiheit" geschrieben zu haben und er hat sich dafür eingesetzt wie andere auch, dass der Vorsitzende der AfD in Berlin Pazderski, der zum gemäßigten Flügel gehört, auch in den Förderverein darf. Das als Aufkündigung des antitotalitären Konsenses zu bezeichnen, halte ich für etwas übertrieben.
    Gleichwohl, Sie haben recht, es gibt Auseinandersetzungen und die Turbulenzen sind ja entstanden auch durch die befristete Entlassung von Herrn Knabe und seinem Stellvertreter. Und das tut der Gedenkstätte insgesamt nicht gut, weder dem Förderverein, der die Arbeit der Gedenkstätte unterstützen möchte, übrigens von prominenten Leuten gegründet. Helmut Kohl war Mitglied in diesem Förderverein. Das ist nicht gut und ich habe die Befürchtung, dass die Gedenkstätte an Bedeutung verliert, dass sie ihren Aufklärungs-Auftrag nicht mehr erfüllen kann.
    "Das ist eine sehr unappetitliche Angelegenheit bisher"
    Köhler: Denn, das ist ja nicht irgendeine Gedenkstätte. Es ist der ehemalige Stasi-Knast, enorm besucherstark, sehr viele Menschen gehen da hin. Sie haben auch die Entlassung des Direktors Hubertus Knabe angesprochen, der wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung, insbesondere aber seines Stellvertreters, die er zu sehr geduldet hat, gehen musste – deutet das auch auf eine Führungsschwäche der Aufsichtsgremien hin?
    Schroeder: Ja. Ich meine, nun ist es immer ein bisschen fraglich, wenn ein natürlich parteipolitischer, integrierter Senator, egal von welcher Partei, in diesem Fall von der Linkspartei, die Oberaufsicht führt. Das halte ich nicht für glücklich. Es hat nichts mit der Linkspartei zu tun, sondern generell sollten Politiker bei so einer Stiftung nicht das Sagen haben, weil die immer in der Gefahr stehen auch politisch zu agieren. Und der Verdacht ist in diesem Fall ja nicht ausgeräumt, weil die Vorwürfe bisher nicht im Detail öffentlich geworden sind, sondern immer nur Andeutungen gemacht werden.
    Das ist eine sehr unappetitliche Angelegenheit bisher und ich habe das Gefühl, das wird sich negativ auf die Gedenkstätte auswirken. Einige die dort Führung machen sagen schon, die Lehrer warnen die Schülerinnen vor sexuellen Belästigungen als ob die belästigt werden könnten. Also da ist ein Klima entstanden, das nicht gut ist für diese Gedenkstätte. Und Sie haben ja Recht, es ist wenn Sie so wollen die erfolgreichste, gemessen an der Besucherzahl, Gedenkstätte zur sozialistischen Diktatur in der DDR. Hier muss sehr schnell etwas geschehen, damit die wieder in normale Bahnen kommen.
    Köhler: Denn das ist ja doch so etwas wie ein geschichtspolitischer Kampf, wie wir ihn im Moment erleben. Auch die Vorstöße der neuen Rechten, geschichtspolitische Korrekturen vorzunehmen sind ja deutlich und hörbar, nicht wahr?
    Schroeder: Ja, es darf keine Relativierung geben, weder der nationalsozialistischen noch der DDR-Diktatur. Und es darf auch nicht der Eindruck entstehen, dass diese Diktaturen auf Augenhöhe zu sehen sind, sondern die Verbrechen, die die NS-Diktatur verübt hat, die sind ungleich höher natürlich, da brauchen wir uns gar nicht drüber unterhalten. Aber die DDR war auch eine Diktatur und sie hat Menschen unterdrückt, in Gefängnisse gesteckt, drangsaliert. Das muss alles auch aufgeklärt werden, ohne dass die NS-Diktatur dabei relativiert wird.
    Und wenn das versucht wird, ich sehe das im Übrigen von der AfD in Berlin nicht, es mag in anderen Ländern, Bundesländern andere Stimmen in der AfD geben, aber in Berlin hat sich zumindest der Vorsitzende nie relativierend geäußert, und ein AfD-Politiker hat selbstverständlich, solange er die Verfassung achtet, das Grundgesetz achtet und den Rechtsstaat, das Recht auch die DDR-Diktatur zu verurteilen. Warum nicht?
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.