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Streit um Klimaschutz im Verkehr
Verkehrskommission ist noch uneinig

Der CO2-Ausstoß im Verkehr soll im Vergleich zum Jahr 1990 um 40 Prozent sinken - und das schon bis 2030. Eine Expertenkommission erarbeitet deshalb einen Abschlussbericht mit nötigen Maßnahmen. Es gibt in vielen Punkten jedoch noch keine Einigkeit.

Silke Hahne im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
22.01.2019, Baden-Württemberg, Stuttgart: Autos stehen während dem ersten Feinstaubalarm im Jahr 2019 auf einer Straße hintereinander. Foto: Sebastian Gollnow/dpa | Verwendung weltweit
Wer seinen Stromer bis Ende 2020 anmeldet, zahlt zehn Jahre lang keine Kfz-Steuer (picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow)
Tobias Armbrüster: Welche Konflikte muss die Kommission heute noch lösen?
Silke Hahne: Umstritten ist zum Beispiel, wie entschieden die Elektromobilität in Deutschland nach vorne gebracht werden soll, ob auch alternative Kraftstoffe gefördert und weiter beforscht werden sollen und ob Sprit teurer werden soll.
Umweltverbände zum Beispiel wollen eine massive Förderung von batteriebetriebenen E-Autos erreichen. Das sagte Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes NABU, am Samstag im Deutschlandfunk. Zur Begründung sagte Tschimpke:
"Wir brauchen ja dann eine gemeinsame Infrastruktur und das möglichst rasch. (…) Ich habe die große Sorge, dass wenn man auf einmal auf unterschiedliche Felder wieder setzt, dass dann alles wieder verzögert wird und wir tatsächlich die Klimaziele nicht erreichen."
Damit spielt Tschimpke auf Bestrebungen der Autoindustrie an, auch andere alternative Antriebsformen wie synthetische Kraftstoffe oder die Brennstoffzellentechnologie zu fördern. Das fordert die Autoindustrie in dieser Arbeitsgruppe, auch wenn unter den Konzernen mitnichten Konsens herrscht.
Klar ist hingegen, dass Bund und Länder mehr investieren sollen, zum Beispiel in den Ausbau des Nahverkehrs und bessere Rad- und Fußwege. Das könnte sich auf 120 Milliarden bis 2030 summieren, schreibt heute Morgen das Handelsblatt.
Armbrüster: Nun gibt es aktuell schon Streit um das knapper werdende Geld im Bundeshaushalt. Woher also soll das Geld also kommen?
Hahne: Gute Frage, denn zu den Investitionen kommen ja noch Forderungen nach Fördergeld und Steuernachlässen für Elektroautos. Und die aktuellen Fördergelder für Elektroautos sind mitnichten für die Ewigkeit ausgelegt, also auch nicht bis dahin finanziert. Aktuell gibt es von Staat und Autoherstellern bis zu 4.000 Euro Förderung für reine E-Autos, 3.000 Euro für Hybrid-Autos. Das soll aber - Stand jetzt - Mitte des Jahres auslaufen.
Der Steuervorteil für E-Autos wird noch etwas länger gewährt: Wer seinen Stromer bis Ende 2020 anmeldet, zahlt zehn Jahre lang keine Kfz-Steuer. Aber besonders verbreitet sind Elektroautos in Deutschland trotzdem nicht. Wenn man bis 2030 also wirklich substanziell mehr von ihnen auf der Straße will, scheint eine weitere Förderung sinnvoll, weil diese Autos immer noch vergleichsweise teuer sind.
Diskutiert wird etwa, dass Käufer von Verbrenner-Autos mit einer Sonderabgabe belastet werden, um die Förderung mit zu finanzieren. Auch eine Erhöhung der Spritpreise ist offenbar eine Option. Die Union ist offen für einen CO2-Preis auch im Verkehrssektor. Das aber wirft soziale Fragen auf, die FDP ist deshalb dagegen. Sie fürchtet Proteste ähnlich wie von den sogenannten Gelbwesten in Frankreich, wenn die Bürgerinnen und Bürger für die Kosten der Verkehrswende zur Kasse gebeten werden.
Armbrüster: Bezahlen für den Umstieg könnten auch die Beschäftigten der Autobranche: Mehrere Unternehmen haben angekündigt, Tausende Stellen zu streichen. Wie viele Jobs könnte der Umstieg aufs E-Auto letztlich in Deutschland kosten?
Hahne: Da gibt es ganz unterschiedliche Berechnungen und auch unterschiedliche Annahmen zur weiteren Entwicklung. Im Zentrum steht die Frage, ob Klimaschutz und die Sicherung von Arbeitsplätzen sich entgegenstehen oder mit dem massiven Einstieg in die Technik die Branche und damit die Beschäftigung gesichert werden.
Fest steht, dass die Produktion von E-Autos mit weniger Teilen auskommt als die von Verbrennern. Das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation rechnet mit 90.000 Stellen weniger in der Branche, wenn bis 2030 rund 40 Prozent der Autos elektrisch angetrieben sind – Produktivitätssteigerungen eingeschlossen.
Die IG Metall rechnet mit 150.000 Arbeitsplätzen, die entfallen könnten. Sie fordert deshalb eine Art neues Kurzarbeitergeld für den Umstieg von Unternehmen auf Elektromobilität, damit Firmen ihre Mitarbeiter umschulen können, ohne dass diese arbeitslos werden.