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Streit um Leiharbeit und Werkverträge
Gleiche Arbeit für ungleiches Geld

Werkverträge und Leiharbeit als legitimiertes Lohndumping? Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will diesen Missbrauch per Gesetz eindämmen. Die Arbeitgeber schlagen derweil Alarm - der auch in den Ohren Angela Merkels nicht unerhört bleibt: Kurzerhand hat die Kanzlerin den Entwurf ihrer Ministerin gestoppt.

Von Gerhard Schröder |
    Autoproduktion in Wolfsburg im Jahr 2013
    Leiharbeit soll den Betrieben helfen, Auftragsspitzen aufzufangen, nicht die regulären Tarife zu unterlaufen, sagt Andrea Nahles. (imago stock&people / Reiner Zensen)
    Die Prinovis-Druckerei in Ahrensburg, 20 Kilometer nördlich von Hamburg. Werbebroschüren und Hochglanzmagazine werden hier produziert, rund um die Uhr, im Dreischichtbetrieb, sieben Tage in der Woche. Kai arbeitet seit sieben Jahren hier, er hat den Job von der Pike auf gelernt, bei Prinovis eine Ausbildung gemacht. Inzwischen ist er zum Maschinenführer aufgestiegen. Eine bewährte Fachkraft, allerdings in einer Sonderrolle.
    "Also es darf zum Beispiel keiner von Prinovis an die Maschine kommen, irgendwelche Sachen anfassen, wenn wir Probleme haben. Die müssen wir alleine lösen. Das ist über Werkvertrag so geregelt."
    Der 30-Jährige macht die gleiche Arbeit wie die Kollegen vom Stammbetrieb, für ihn gelten jedoch besondere Regeln. Er ist Werkvertragsarbeiter, nicht bei Prinovis beschäftig, sondern bei der Servicegesellschaft Tabel.
    "Wir benutzen dieselben Raucherräume, Umkleidekabinen, nur dass die eine Maschine über Werkvertrag ist und da von Prinovis keiner was zu suchen hat."
    Ein Betrieb im Betrieb sozusagen. Für Kai heißt das vor allem: Er arbeitet länger, hat weniger Urlaub und bekommt einen geringeren Lohn. 15 Euro verdient er pro Stunde, ein Drittel weniger als die Prinovis-Stammkräfte.
    "Ich find das überhaupt nicht in Ordnung, lerne in dem Betrieb und dann werde ich an die Werkvertragsfirma abgeschoben. Für wesentlich weniger Geld, ich krieg ja nicht mal die Zuschläge, arbeite auch sechs Tage, sieben oder auch mal 14 Tage durch. Schlecht ist der Lohn ja eigentlich nicht, aber im Vergleich zu dem, was man macht, ist es eigentlich doch nicht gerechtfertigt."

    Vor vier Jahren hat Kai bei Prinovis seine Ausbildung beendet, ein halbes Jahr durfte er noch dranhängen, dann war Schluss. Übernehmen könne man ihn leider nicht, teilte ihm die Geschäftsleitung mit. Aber als Leiharbeiter könne er gern wiederkommen.
    "Da hatte ich beim Abteilungsleiter dann dankend abgelehnt, bin aufgestanden und rausgegangen, das war mir dann zu dämlich, ehrlich gesagt."
    So stand Kai unvermittelt auf der Straße. Andere Optionen zerschlugen sich, er kam zurück zu Prinovis, jetzt als Werkvertragsarbeiter. Sein Kumpel Daniel, den er aus der gemeinsamen Lehrzeit noch kennt, hatte mehr Glück, er wurde übernommen, allerdings nicht vom Mutterkonzern, sondern von der hauseigenen Servicegesellschaft, die Prinovis inzwischen gegründet hatte. Der 27-Jährige bekommt höhere Nachtzuschläge als Kai, der Werkvertragsarbeiter, aber deutlich weniger als die Stammbeschäftigten:
    "Wenn man gute Leistung bringt, stellvertretend Maschine fährt, ist das dann natürlich schon sehr unangenehmen."
    Die Zeiten, in denen die Drucker bei Prinovis nach einheitlichen Tarifen bezahlt wurden, sind längst vorbei. Stammbeschäftigte, Servicekräfte, Werkverträgler, Leiharbeiter, befristete und unbefristete Beschäftigte – die Geschäftsleitung des Druckkonzerns hat sich einiges einfallen lassen, um die Lohnkosten zu senken. Die Belegschaft sei zu einer Mehrklassengesellschaft umgeformt worden, sagt Betriebsrat Jörn Burmeister. Er selbst wurde Ende der 80er-Jahre nach der Lehre vom Stammhaus übernommen.
    "Das ist mittlerweile ein Auslaufmodell, das ist uns 2009, 2010 mitgeteilt worden, dass im Stammbetrieb zu Tarifbedingungen keiner mehr eingestellt wird, die Leute nur noch in der Servicegesellschaft eingestellt werden. Viele Möglichkeiten haben wir nicht, uns dagegen zu wehren."
    "Bosse wollen sparen, das ist der einfachste Weg"
    Prinovis gehört zur Bertelsmann-Printing Group, mit 9.000 Beschäftigten und 1,7 Milliarden Euro Jahresumsatz der größte Druckereikonzern in Europa. Zum Einsatz von Werkverträgen und Leiharbeit wollte sich der Konzern auf Anfrage nicht äußern.
    "Natürlich, wir gerade im Druck haben einen harten Wettbewerb. Bosse wollen sparen, das ist der einfachste Weg."
    In anderen Druckereien laufe es genauso, sagt Daniel. Alle wollten sparen, versuchten, die Lohnkosten zu senken. Auch Betriebsrat Jörn Burmeister zuckt hilflos mit den Schultern.
    "Als Betriebsrat bist du in einer ganz hilflosen Situation, du hast null Chancen, da irgendwas zu machen. Weil Kollegen, die in der Servicegesellschaft angestellt sind, einzelvertraglich ihre Konditionen aushandeln und halt nicht verbandsgebunden sind."
    Und auch beim Einsatz von Leiharbeitern und Werkverträgen habe der Betriebsrat wenig Einfluss, sagt Daniel.
    "Eigentlich kann da nur die Politik eingreifen, denn solange ich Firmen die Möglichkeit biete, Werkverträge, Leiharbeit zu nutzen in dem Umfang, wird das auch immer weiter passieren."
    Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles sieht das ähnlich. Sie will den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen per Gesetz eindämmen. So haben es CDU-CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, das will die Sozialdemokratin jetzt umsetzen.
    "Die Leiharbeit muss raus aus der Grauzone, aus der Schmuddelecke, wir brauchen sie für die Flexibilität unserer Wirtschaft, davon bin ich fest überzeugt, aber dann muss sie eben auch vernünftig gehändelt werden."


    Andrea Nahles (SPD)
    Andrea Nahles (SPD) (picture-alliance / dpa / Rainer Jensen)
    Heißt konkret: Leiharbeiter sollen künftig nach neun Monaten genau soviel verdienen wie Stammbeschäftigte und höchstens 18 Monate an einen Betrieb ausgeliehen werden, es sei denn, Arbeitgeber und Gewerkschaften vereinbaren es anders. Leiharbeit soll den Betrieben helfen, Auftragsspitzen aufzufangen, nicht die regulären Tarife zu unterlaufen, sagt Nahles. Auch gegen den Missbrauch von Werkverträgen will die Arbeitsministerin energischer vorgehen:
    "Wer wirklich die Axt an die Tarifautonomie legt, sind diejenigen, die Werkverträge als Deckmantel nutzen für Lohndumping. Das wollen wir nicht, denn das höhlt auch die Tarifautonomie aus."
    DGB-Vorsitzender Hoffmann: "Hier brauchen wir eindeutige Mitbestimmungsrechte"
    Doch die Pläne sind umstritten. Die Gewerkschaften fordern mehr Mitsprache für die Betriebsräte, die Arbeitsministerin will ihnen aber nur mehr Informationsrechte zugestehen. Reiner Hoffmann, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes:
    "Hier brauchen wir eindeutige Mitbestimmungsrechte, weil die Information alleine reicht nicht aus, wenn es darum geht, bestimmte Quoten für Leiharbeit oder Werkvertragsarbeit festzulegen. Da ist ein Mitbestimmungsrecht zwingend erforderlich, weil mit den Informationsrechten alleine ein Missbrauch nicht auszuschließen ist."

    Reiner Hoffmann
    Reiner Hoffmann (Deutschlandradio / Nicolas Hansen)
    Den Arbeitgebern dagegen geht der Gesetzentwurf der Arbeitsministerin viel zu weit. Das Urteil von Verbandspräsident Ingo Kramer beim Arbeitgebertag Mitte November in Berlin fällt knapp und vernichtend aus:
    "Praxisfremd, hochbürokratisch, in der Sache unsinnig und völlig undurchführbar."
    Vor allem die geplanten Regelungen zum Einsatz von Werkverträgen hält Kramer für völligen Unsinn. IT-Dienstleistungen könnten nicht mehr ohne weiteres an externe Spezialisten vergeben werden, wenn der Entwurf umgesetzt würde, warnt Kramer. Selbst der Betrieb der Werkskantine durch einen externen Caterer sei in Gefahr.
    "Die Vorstellung, dass alles mit Stammpersonal des Betriebes und nicht durch den Einsatz spezialisierter Unternehmen erfolgen soll, entspringt der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, aber nicht der Wirklichkeit einer arbeitsteiligen, spezialisierten Wirtschaft 4.0. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass dieser Großangriff auf Hunderttausende selbstständige Unternehmen in der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft unterbleibt."
    Die Warnungen aus der Wirtschaft blieben nicht ohne Wirkung. Das Bundeskanzleramt hat den Gesetzentwurf der Arbeitsministerin kurzerhand gestoppt. Die Begründung: Die Regelungen gingen weit über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hinaus, und das gehe natürlich nicht, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Arbeitgebertag in Berlin versicherte.
    "Sie dürfen mich einmal als Wächterin des Koalitionsvertrages verstehen. Das gefällt Ihnen auch nicht an allen Stellen, aber in diesem Fall werde ich wachen, dass wir über den Koalitionsvertrag nicht hinausgehen."
    Der Plan der Arbeitsministerin, den Entwurf am kommenden Mittwoch vom Kabinett absegnen zu lassen und dann in den Bundestag zu gehen, ist damit durchkreuzt. Die schwierige Suche nach einem Kompromiss beginnt, an diesem Donnerstag will Nahles mit Kanzleramtschef Peter Altmaier und den Spitzen der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften nach einer Lösung suchen.
    Die Arbeitsministerin gibt sich dabei kämpferisch. Sie will korrigieren, was bei der Arbeitsmarktreform vor zwölf Jahren misslang. Schon damals hatten Sozialdemokraten und Grüne ins Gesetz geschrieben, dass Leiharbeiter den Stammbeschäftigten gleichgestellt werden müssten, versehen allerdings mit dem Zusatz, dass die Tarifparteien abweichende Regelungen treffen könnten. Ein Schlupfloch, das die Branche nutzte. Leiharbeit und Werkverträge seien das Einfalltor für Lohndumping geworden, in der Fleischindustrie zum Beispiel, aber nicht nur dort, rief Nahles den Genossen am vergangenen Freitag auf dem SPD-Parteitag in Berlin zu:
    "Das ist nicht nur Fleischindustrie, auch in der Chemie. Wenn bei Conti eine ganze Nachtschicht über Werkverträge abgewickelt wird, dann ist das eben nicht normal. Oder in der Metallindustrie, wo etwa im Autobau in Leipzig Leiharbeiter und Werkvertragler ständig auf Abruf sein müssen, Überstunden und Wochenendarbeit leisten, ohne Zuschläge, dann kann das so nicht weitergehen."
    Das BMW-Werk in Leipzig, eine der modernsten Autofabriken in Europa. Überlebensgroße Roboter schwenken ihre Greifarme, schweißen Blechteile zusammen, im Sekundentakt, ohne zu ermüden. Am 1. März 2005 liefen hier die ersten Fahrzeuge vom Band, inzwischen werden 850 Autos am Tag produziert. BMW hat viel Geld in die Produktion investiert, was der gesamten Region zu einem beachtlichen Aufschwung verholfen hat. Personalchef Dirk Wottgen steht in seinem Büro im Leipziger Werk, ein Glaskasten, vor ihm an der Wand hängt ein Plan vom Werksgelände, über ihm schweben auf einem Laufband silberne Karossen vorbei, noch unfertige Fahrzeuge auf dem Weg von der Lackiererei zur Endmontage:
    "Die, die hier arbeiten im Zentralgebäude, sollen sich immer daran erinnern, worum geht es hier, nämlich in erster Linie ums Autobauen. Insofern ist das auch eine ganz schöne Verbindung, die wir hergestellt haben zwischen denen, die in der Produktion arbeiten, am Band die Fahrzeuge montieren, und jenen, die in der Verwaltung den Support bieten, damit alles gut läuft."
    Jede zweite Arbeitskraft am Standort Leipzig gehört nicht zur Stammbelegschaft
    Die Belegschaft hat sich in zehn Jahren fast verdoppelt, auf über 4.700 Beschäftigte. Hinzu kommen Leiharbeiter und Werkvertragskräfte, die für BMW arbeiten.
    "Ich denke, dass in einer arbeitsteiligen Welt es ganz selbstverständlich ist, dass sich die Firmen auf ihre Kerngeschäfte konzentrieren und andere Dinge, von denen sie nicht ganz so viel verstehen, auf Partnerfirmen übertragen wird. Ich denke, dass das ein Konzept ist, was notwendig ist, um im weltweiten Wettbewerb erfolgreich agieren zu können und gerade wenn wir darüber reden, dass wir in Deutschland weiter erfolgreich Autos bauen wollen."
    Knapp 9.000 Menschen arbeiteten für BMW in Leipzig, schätzt Betriebsrat Jens Köhler. Zu den 4.700 Stammkräften kommen 1.800 Leiharbeiter und 2.500 bis 3.000 Werkvertragskräfte, sagt er. Das heißt: Jede zweite Arbeitskraft am Standort Leipzig gehört nicht zur Stammbelegschaft, sondern ist geliehen oder per Werkvertrag beschäftigt. Das sei nötig, um flexibel auf die Anforderungen des Marktes reagieren zu können, sagt Personalchef Wottgen.
    "Dass dabei auch als Effekt eine gewisse Kostensituation hinzukommt, das wollen wir gar nicht verhehlen. Aber uns geht es darum zu sagen, dass wir hier nur mit Vertragspartnern zusammenarbeiten, die Mitarbeiter nach Tariflöhnen bezahlen. Insofern sagen wir, dass das in einer arbeitsteiligen Welt normal ist."
    Betriebsrat Jens Köhler, der auch stellvertretender IG-Metall-Chef in Leipzig ist, sieht das ganz anders. BMW nutzt Leiharbeit und Werkverträge, um die hohen Metall-Tarife zu unterlaufen, sagt er.
    "Da ist 'ne Spanne von 20 bis 25 Prozent aufs Jahreseinkommen betrachtet, die uns unterscheidet, die wir BMWler mit unseren guten Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie in Sachsen bekommen. Ich glaube, dass ein gewisser Abstand immer bleiben wird, die werden nie das Niveau der Metallindustrie erreichen, aber der muss deutlich weniger werden, also kürzer werden."
    Konzentration aufs Kerngeschäft, nennt Personalchef Wottgen die Strategie. Es seien in erster Linie Randbereiche, die ausgegliedert würden, die Logistik zum Beispiel, die Reinigung oder die Kantine. Betriebsrat Jens Köhler widerspricht:
    "Ist denn nicht die Kernkompetenz Türen montieren, Achsen montieren, die sogenannte Hochzeit am Motorband vorzubereiten oder Cockpits zusammenzuschrauben? Hat das nichts mit Automobilproduktion zu tun? Für mich schon, für mich ist das schon Kernkompetenz."
    Und sollte daher von gut bezahlten Stammkräften erledigt werden, meint der Betriebsrat. Die Realität sieht anders aus. Nicht nur bei BMW.
    "Also wir sind bei der Achsmontage, ich persönlich arbeite als Endkontrolleur. Also den Achscheck mache ich, ob alles richtig verbaut ist, ob alle Teile richtig verbaut worden sind. Und geht dann von uns direkt zu Porsche", sagt Uwe Duczek, ein kleiner stämmiger Mann, 54 Jahre alt. Er fährt sich mit den fleischigen Händen über den kahlen Kopf. Er sieht müde aus, die letzte Nacht war anstrengend.
    "War letzte Nacht auf Arbeit, bis heute früh um sechs. Drei Stunden habe ich gelegen, das reicht für ältere Personen, ich mach das mit."
    Uwe Duczek arbeitet bei Thyssen Automotive in Leipzig, direkt neben dem Porsche-Werk. Seit 13 Jahren ist er bei Thyssen, baut Achsen des Stuttgarter Sportwagenherstellers zusammen, sein Arbeitgeber allerdings heißt Wisag. Eine Leiharbeitsfirma, bei der 80 Prozent der Thyssen-Arbeiter beschäftigt sind:
    "Wir reden von 850 Beschäftigten, davon sind 145 Stammbeschäftigte von Thyssen Krupp, der Rest sind alles Leiharbeiter, die stellt nicht nur Wisag, da sind mehrere Leiharbeitsfirmen drin, ganz bekannte wie Randstadt, PEAG, aber auch ganz unbekannte, die nur hier in Leipzig tätig sind", sagt Christian Graupner, ein sportlicher Typ, streichholzkurzes Haar, 38 Jahre alt. Graupner ist Betriebsrat bei Wisag. Zehn Jahre lang hat er für Porsche Achsen montiert, wie Duczek als Leiharbeiter.
    "Leiharbeit ist ja eigentlich so gewesen, dass mal ein Produktionsschub ist, dass man da Leute zusätzlich einsetzen kann. Und dann irgendwann wieder weg ist. Wenn es wieder normal läuft, das ist ein Leiharbeiter. Was wir machen ist ständiger Einsatz, das hat nichts mehr mit Leiharbeit zu tun", sagt Uwe Duczek, der gelernte Maurer. Mit sechs Euro pro Stunde hat er vor 13 Jahren angefangen, inzwischen verdient er 11.60 Euro pro Stunde. Da hat sich einiges getan, sagt er. 1.300 Euro netto bekommt er am Monatsende raus. Viel übrig bleibt nicht, sagt er.
    "Wenn ich weiß, was der Stammbetrieb, für den wir arbeiten, Porsche, was diese Arbeiter für einen Lohn haben, dann kann ich nicht zufrieden sein, weil ich da weit nicht hin komme."
    Schlimmer noch als der geringe Lohn ist die Unsicherheit. Porsche vergibt die Aufträge für die Achsmontage für zwei Jahre, im nächsten Jahr läuft der Vertrag aus. Und Duczek weiß: Wenn Thyssen nicht zum Zug kommt, sind die Leiharbeiter die ersten, die ihren Job verlieren:
    "Nächstes Jahr läuft der Vertrag aus, dann bin ich 55. Was passiert dann? Mit 55 draußen wieder einen Job zu finden, ist nicht einfach. Ich mach mir da schon Gedanken, na klar. Hab ein Haus abzuzahlen. Wenn dann der Job wegfällt, bei meiner Frau ist er schon weggefallen, dann wird es eng."
    Dauerleiharbeit wie in der sächsischen Autoindustrie soll es in Zukunft nicht mehr geben, so sieht es der Gesetzentwurf der Bundesarbeitsministerin vor. Nach neun Monaten sollen sie den gleichen Lohn wie die Stammbeschäftigten bekommen, nach 18 Monaten vom Entleihbetrieb übernommen werden. Die Richtung stimmt, sagt Reiner Hoffmann, der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Zufrieden ist er mit dem Entwurf aber noch nicht:
    "Wenn es darum geht, für gleiche Arbeit gleiches Geld zu zahlen, dann ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum gleiches Geld erst nach neun Monaten gezahlt werden soll, wenn die Menschen die gleiche Tätigkeit bei der gleichen Qualifikation machen. Das ist zu kurz gesprungen."
    Noch unzufriedener sind die Arbeitgeber. Nahles will ihnen zwar erlauben, mit den Gewerkschaften abweichende Regelungen zu treffen, Leiharbeiter zum Beispiel erst später den Stammbeschäftigten gleichzustellen. Spätestens nach zwölf Monaten aber soll Equal Pay gelten. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer: "Ich erwarte, dass ein solches tarifpolitisches Diktat des Gesetzgebers aus dem Gesetzentwurf wieder verschwindet."
    Nahles dagegen beruft sich auf den Koalitionsvertrag. Und erhält zumindest in diesem Punkt Unterstützung vom Koalitionspartner. Karl Schiewerling, der sozialpolitische Sprecher von CDU und CSU im Bundestag:
    "Es gibt Bereiche, in denen Equal Pay überhaupt nicht besteht. Deswegen haben wir uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt: Equal Pay nach neun Monaten und Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten. Das sind die Kernpunkte, dabei soll es auch bleiben."
    Schwieriger dürfte die Kompromisssuche beim Thema Werkverträge werden. Arbeitsministerin Andrea Nahles hat acht Kriterien formuliert, um den Missbrauch von Werkverträgen zu kennzeichnen. Arbeiten, die weisungsgebunden und in den Räumen des Auftraggebers erledigt werden, könnten künftig dazu zählen, was einen Proteststurm der Arbeitgeber ausgelöst hat. Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände erklärt, warum:
    "Diese Kriterien führen dazu, dass ein Outsourcing-Vertrag für IT-Dienstleistungen - eine IT-Firma übernimmt alles rund um die IT in einem anderen Unternehmen - faktisch unmöglich gemacht wird. Selbst der Betrieb einer Kantine durch einen Caterer wäre gefährdet, von der Logistik gar nicht zu reden."
    Arbeitsministerin Andrea Nahles widerspricht. Sie habe nur aufgeschrieben, was ohnehin geltende Rechtsprechung der Arbeitsgerichte sei. Die ganze Aufregung sei also fehl am Platz:
    "Es ist schlicht falsch, wenn behauptet wird, dass jedes einzelne dieser Kriterien ein K.O.-Kriterium für Werkverträge sei, nein, entscheidend ist die Gesamtbetrachtung. Weder wird ein bestellter Klempner zum Angestellten noch beschränken wir die Tarifautonomie auf drei Monate, das ist vollständiger Unsinn."
    Wie aber geht es nun weiter? Die Bundeskanzlerin hat den Gesetzentwurf gestoppt, und damit die Kritiker in ihrer Ablehnung bestätigt. Karl Schiewerling, der sozialpolitische Sprecher der Union, macht aber auch klar: Es gibt Handlungsbedarf, Nichtstun ist keine Alternative.
    "Natürlich muss hier reguliert werden. Ich halte es für richtig, dass wir in dem Gesetzentwurf klar unterscheiden zwischen Werkverträgen und Zeitarbeit. Das ist auch notwendig, dass diese Rechtsklarheiten auch kommen, weil es die Graubereiche der missbräuchlichen Gestaltung gibt, die wollen wir nicht und die müssen abgestellt werden. Deshalb ist auch der Gesetzentwurf notwendig, weil es hier sonst immer zu Verwerfungen und Ärgernissen kommt."