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Streit um Lieferkettengesetze
Markt, Moral und Menschenrechte

Die Schweiz entscheidet am Sonntag mit einer Volksabstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative. Es geht darum, ob Firmen für Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden im Ausland haften sollen. Auch in Deutschland wird über ein solches Lieferkettengesetz gestritten.

Von Marc Engelhardt |
Bangladesch, Dhaka: Frauen arbeiten in einer Textilfabrik. Nach China ist Bangladesh der zweitgrößte Produzent von Textilien. Die Arbeitsbedingungen und der Umweltschutz der dortigen Produktion gibt immer wieder Anlass zur Kritik. In Bangladesch haben tausende Fabrikbeschäftigte - hauptsächlich Frauen - durch die Corona-Krise ihre Jobs verloren, nachdem internationale Modeketten coronabedingt viele Aufträge stornierten.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kritisiert: "Wir akzeptieren und zementieren die Ausbeutung von Mensch und Natur in Entwicklungsländern" (dpa/ K M Asad)
Mitte Juli trat Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller von der CSU vor die Presse in Berlin und gestand – in seinen eigenen Worten - ein "klägliches Scheitern" ein. Bei einer Befragung im Auftrag der Bundesregierung hatte sich nämlich herausgestellt, dass kaum mehr als jedes fünfte deutsche Unternehmen in seiner Lieferkette die Arbeits- und Sozialstandards einhielt, die in einem Nationalen Aktionsplan eingefordert wurden.
Gemeinsam mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD forderte Müller deshalb die schnelle Verabschiedung eines verpflichtenden Lieferkettengesetzes: "Das Problem ist, dass wir Industrieländer externalisieren. Wir lagern Produktionsketten aus in Entwicklungsländer und unterlaufen Standards für unsere Produkte in unserer Wohlstandsgesellschaft, soziale und ökologische Standards, die bei uns selbstverständlich sind. Wir akzeptieren und zementieren damit die Ausbeutung von Mensch und Natur in Entwicklungsländern. Und wir tolerieren im großen Stile Kinderarbeit."
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) steht an einem Rednerpult.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, CSU: "Wir tolerieren im großen Stile Kinderarbeit" ( John Macdougall/AFP-Pool/dpa )
Dass deutsche Firmen ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht auch bei Zulieferern im Ausland nachkommen sollen, steht im Koalitionsvertrag. Dort steht auch, dass ein Gesetz beschlossen werden soll, wenn sich bis 2020 freiwillige Regelungen wie der Nationale Aktionsplan als wirkungslos erweisen. Grundlage sind UN-Leitprinzipien aus dem Jahr 2011, die mehrere EU-Länder schon umgesetzt haben. Doch die Befassung im Bundeskabinett wurde mehrfach verschoben.
Wirtschaftsverbände warnen vor zu hohen Hürden für die Industrie
Gisela Burckhardt, die sich im Rahmen der Kampagne für saubere Kleidung für ein Lieferkettengesetz engagiert, glaubt zu wissen, woran das liegt: "Nun ich glaube, dass da im Hintergrund die Wirtschaftsverbände eben sehr stark lobbyieren. Und wir wissen ja auch, dass Wirtschaftsminister Altmaier da blockiert und von daher es im Kabinett nicht weitergeht."
Befürworter wie Burckhardt verweisen auf die dramatischen Folgen, wenn Menschenrechtsstandards verletzt werden: 2012 kamen 258 eingeschlossene Arbeiterinnen beim Brand in einer Textilfabrik in Pakistan ums Leben. Hauptkunde war ein deutscher Konzern. 2019 brach ein TÜV-zertifizierter Damm in Brasilien. 270 Menschen starben. Deutsche Unternehmen kaufen Platin aus einer südafrikanischen Mine, in der 2012 streikende Arbeiter erschossen wurden. Womöglich hätte ein Lieferkettengesetz verhindert, dass es so weit kommen konnte.
Wirtschaftsverbände hingegen warnen vor zu hohen Hürden für die Industrie. Anne Lauenroth bearbeitet das Thema beim BDI, dem Bundesverband der deutschen Industrie: "Es gibt Unternehmen, die haben über 100.000 Zulieferer. Und da können Sie sich natürlich vorstellen, die wechseln oft, wie herausfordernd das ist, diese in der gesamten Bandbreite zu kontrollieren. Das ist praktisch unmöglich."
Fest steht: Eine Mehrheit der Bürger stünde hinter einem Gesetz, das Menschenrechte in der Lieferkette sichern würde. Drei von vier Deutschen sprachen sich im Herbst in einer repräsentativen Umfrage dafür aus. In einem gemeinsamen Aufruf unterstützten auch mehr als vierzig Firmen das Vorhaben, unter ihnen Branchenriesen wie Nestlé, Kik oder Tchibo.
Kritik an Haftungsregelung
Dachverbände wie den BDI ficht das nicht an. Sie kritisieren vor allem die geplante Haftungsregelung. Wer die Sorgfaltspflicht verletzt, müsste dann mit zivilen Klagen rechnen. Anne Lauenroth: "Der Teufel steckt natürlich im Detail. Und unser Kritikpunkt ist der, dass die Sorge ist, dass Unternehmen dafür haftbar gemacht werden sollen für Zustände bei Lieferanten von Lieferanten von Lieferanten in der Kette, die sie dann gar nicht überblicken können und wo Sie auch keinen Einfluss drauf haben."
Das Wort Lieferkette klingt zunächst abstrakt. Es beschreibt, auf welche Weise in der globalisierten Wirtschaft beinahe jedes Produkt entsteht: Aus Teilen, deren Rohstoffe irgendwo in der Welt gewonnen und an einem beliebigen anderen Ort weiterverarbeitet werden, bevor das Endprodukt zur Käuferin, zum Käufer verschifft wird. Die Ortswahl folgt rein betriebswirtschaftlichen Kriterien: Gekauft und produziert wird dort, wo es wenig kostet. Etwa in Bangladesch, wenn es um Textilien geht.
Mädchen und Frauen ernten unter Aufsicht Kartoffeln im Libanon.
"Lieferkettengesetze gibt es in anderen Ländern Europas auch"
Der Erzbischof von Bamberg Ludwig Schick sieht es als Aufgabe der Katholischen Kirche, die Wahrung der Menschenwürde und der Menschenrechte anzumahnen. Ein Lieferkettengesetz müsse endlich her, um diese zu garantieren.
Gisela Burckhardt hat die Arbeitsbedingungen dort für die Kampagne für saubere Kleidung genau im Blick: "Die Arbeitsbedingungen haben sich in den letzten Jahren nicht verbessert. Und jetzt seit Corona sogar auf jeden Fall verschlechtert. Es ist halt so, dass es ein viel zu geringer Lohn gezahlt wird. In Bangladesch haben wir einen Mindestlohn von 80 Euro im Monat. Und selbst das wird derzeit nicht ausgezahlt, weil wegen Corona ja auch viele Fabriken gar nicht voll arbeiten."
Burckhardt schätzt, dass beinahe jede dritte Arbeiterin in der Pandemie ihren Job verloren hat. Die, die arbeiten können, und das sind in der Textilbranche vor allem Frauen, erlebten am Arbeitsplatz oft Diskriminierung oder Gewalt.
Jahrelange Diskussion in der Schweiz
Ein Lieferkettengesetz könnte das im Vornherein verhindern, weil Auftraggeber in Deutschland ihre Zulieferer besser kontrollieren würden, hofft Burckhardt, die auch Vorsitzende der Frauenrechtsorganisation Femnet ist: "In dem Moment, wo Unternehmen bei uns einer Sorgfaltspflicht gesetzlich unterworfen sind, würden sie automatisch Vorsorgemaßnahmen treffen müssen. Das heißt, sie würden wesentlich stärker auf Umwelt und Sozialstandards achten müssen. Weil sie eben zur Rechenschaft gezogen werden könnten."
Was in Deutschland noch diskutiert wird, könnte in der Schweiz schon an diesem Sonntag entschieden werden. Dann stimmt die Eidgenossenschaft über die Konzernverantwortungsinitiative ab, die in vielen Punkten dem deutschen Vorhaben eines Lieferkettengesetzes gleicht. Über das Vorhaben diskutiert die Schweiz seit beinahe zehn Jahren. Letzte Umfragen halten einen Erfolg an der Urne für möglich.
Florian Wettstein, Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen und einer der Initianten, verweist auf die breite Unterstützerbasis, zu der auch Kirchen und Konservative gehören. Persönliche Verantwortung liege zudem im Trend: "Ich glaube schon, dass die Initiative irgendwo dem Zeitgeist entspricht. Und dass sie jetzt kommt, ist ja auch kein Zufall. Das hat auch mit internationalen Entwicklungen zu tun, die ja natürlich nicht an der Schweizer Bevölkerung auch nicht einfach so vorbeigehen, sondern dass nimmt man wahr, dass sich die Dinge bewegen. Und ich denke, deshalb kommt die Initiative natürlich jetzt zur richtigen Zeit. Und deshalb hat man jetzt auch eine wirklich reale Chance, diese Initiative durchzubringen an der Urne."
Allerdings sind die Zustimmungswerte zuletzt gesunken. Wettstein macht dafür die Gegner verantwortlich, zu denen auch die Regierung gehört. Gerade diese spiele eine fragwürdige Rolle: "Also eben, Besuch der Minister in einer Glencore-Mine oder auch wirkliche Falschinformationen, die von höchster Ebene eigentlich in Umlauf gebracht werden. Das ist nicht hilfreich und dürfte so eigentlich nicht passieren."
Die Nerven liegen blank, die Wogen schlagen hoch. "Bei der Konzernverantwortungsinitiative drehen gerade alle durch", titelte der Zürcher Tages-Anzeiger.
Umstrittener Besuch des Handelsministers von Burkina Faso
Am Mittwoch verklagte Glencore, der weltweit größte Rohstoffhändler mit Sitz in Zug, die Initianten, wegen angeblich unberechtigter Vorwürfe im Zusammenhang mit Kinderarbeit in einer Glencore-Mine in Bolivien. Glencore und andere Großkonzerne schalten seit Wochen ganzseitige Anzeigen gegen die Initiative. Sonst eher wortkarge Vorstandschefs von großen Firmen geben lange Interviews.
Für besondere Schlagzeilen sorgte der Besuch des Handelsministers von Burkina Faso, Harouna Kaboré, in Bern, wo er sich gegen die Konzernverantwortungsinitiative aussprach. Seine Reise hatte offenbar eine Gegnerin der Initiative organisiert.
Dem Schweizer Boulevardblatt Blick sagte Kaboré: Die Menschenrechts-Initiative würde der Wirtschaft meines Landes schaden. Millionen Menschen arbeiten für die Konzerne, der Privatsektor ist der Motor der Entwicklung von Burkina Faso."
In der gleichen Zeitung zog Kaboré auch über ein Schweizer Hilfswerk her, das Kinderarbeit auf Baumwollplantagen in Burkina Faso angeprangert hatte. Realitätsfern sei das, erklärte Kaboré, der eigenen Angaben zufolge selber Baumwollproduzent ist.
Andere Organisationen stützen hingegen die Kinderarbeits-Vorwürfe. Der Schweizer Unternehmer Dietrich Pestalozzi, der zum Unterstützerkreis der Initiative gehört, kann sich über den Handelsminister nur wundern: "Ich weiß nicht: Befürchtet Herr Kaboré vielleicht, dass Firmen Burkina Faso verlassen werden? Das wird kaum der Fall sein, denn die Unternehmen erzielen einen wirtschaftlichen Nutzen mit ihrem Investment. Zudem sind Standortverlagerungen sehr aufwändig und die Rohstoffquellen kann man ja auch nicht mitnehmen."
Vorwürfe gegen Initiativen
Auch den Initianten werden Vorwürfe gemacht. Etwa, dass sie auf Großplakaten mit Fotomontagen von traurigen Kindergesichtern Emotionen schürten, oder dass sie die Bevölkerung im Unklaren darüber ließen, welche Unternehmen genau das neue Gesetz betreffen würde.
Unterstützer wie Pestalozzi betonen hingegen, die von ihnen geforderten Sorgfaltspflichten würden nur für große Unternehmen gelten: "Klein- und Mittelunternehmen sind von der Initiative nicht betroffen, außer sie sind in Geschäften mit Menschenrechts- und Umweltrisiken im Ausland tätig. Ich bin aber der Meinung, dass grundsätzlich alle ihre Verantwortung wahrnehmen sollten. Und wenn sie das ernsthaft tun, haben sie auch keine Klagen zu befürchten."
Der Dachverband der Schweizer Industrie, Economiesuisse, lässt sich von solchen Versprechen nicht beeindrucken. Die Initiative sei radikal und schieße weit über das Ziel hinaus. Vieles werde im Wahlkampf bewusst unklar gelassen, kritisiert Erich Herzog, Mitglied der Geschäftsleitung: "Es bedarf vor allem klarer Guidelines an die Unternehmen, damit sie wissen, was sie dann noch tun dürfen und was nicht. Die Mechanik der Initiative lässt sehr vieles offen - wird auch im Rahmen der Umsetzungsgesetzgebung offenbleiben im Wissen, dass sämtliche Unklarheiten letztendlich zu Lasten des Schweizer Unternehmens durchdrücken."
Herzog hofft auf ein Nein an diesem Sonntag: "Wenn die Schweiz die Initiative ablehnen würde, käme unmittelbar der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments zur Anwendung. Und damit wäre die Schweiz international auf dem Niveau der am weitesten regulierten Länder."
Das Alternativgesetz setzt vor allem auf Berichtspflichten und schließt Haftungsklagen aus. Den Initianten geht es deshalb nicht weit genug. Herzog dagegen spricht vom Anfang eines Prozesses, der international abgestimmt sein müsse: "Man kann nicht mit einer brutalen Keule von heute auf morgen versuchen, etwas durchzusetzen. Mit einem Wundermittel, das so nicht geht."
Erhebliche Mehrkosten bei fair produzierter Kleidung
Nicht weit von der Schweiz entfernt, auf der anderen Seite des Bodensees, lebt und arbeitet Antje von Dewitz. Vor zwölf Jahren hat sie von ihrem Vater Albrecht das Familienunternehmen Vaude übernommen. Von Anfang an setzte sie sich große Ziele: Die Mutter von vier Kindern wollte die Produktion enkeltauglich machen, die Outdoor-Kleidung fair und ökologisch produzieren.
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Faire Produktion: Das war "ein ungewisser Weg mit hohen Kosten", sagt Vaude-Chefin Antje von Dewitz (Deutschalndfunk Nova | Vaude )
Leicht war das nicht: "Dadurch entstehen Mehrkosten. Das sind mehr Aufwände. Das ist ein großes Risiko. Man verliert langjährige Produktionspartner auf dem Weg. So ging es zumindest uns. Weil die gesagt haben nee, für euch mache ich das gar nicht, ihr seid die einzigen, die danach fragen, ist viel zu teuer und aufwändig. Teilweise mussten wir in Materialentwicklungen gehen ohne Schadstoffe. Da gab's die Entwicklung noch gar nicht. Die mussten wir mit anstoßen. Es war ein ungewisser Weg mit hohen Kosten, hohen Aufwänden und einer Kundschaft da draußen, die das zu dem Zeitpunkt noch nicht interessiert hat."
Das habe sich inzwischen verändert, sagt Dewitz: "Und spannenderweise erlebe ich das extrem jetzt nochmal durch Corona, dass genau dieser Trend dahin, sich mit diesen Themen zu beschäftigen und auch bewusst einzukaufen. Dass das durch Corona nochmal wahnsinnig gesteigert wird."
Vaude ist heute freiwillig Mitglied im Bündnis für nachhaltige Textilien und der "Fair Wear"-Initiative, die die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie verbessern will.
Dazu kommen diverse Zertifizierungsprozesse etwa für die verarbeitete Baumwolle und staatliche Siegel wie der "Grüne Knopf". Für jedes einzelne davon wird das Unternehmen jährlich überprüft. Auch dafür, ob Vaude als Auftraggeber in der Lieferkette genügend Sorgfalt walten lässt.
Argumente, eine solche Überprüfung sei unmöglich, lässt Antje von Dewitz nicht gelten: "Also wir sind ein Unternehmen mit 500 Mitarbeitern und 100 Millionen Euro Umsatz etwa. Wir schaffen es auch. Ja klar, es ist ein bisschen aufwendig, aber hier geht es um Menschen und hier geht um die Zukunft unseres Planeten, ganz ehrlich gesagt. Und wenn so eine Digitalisierungsvorschrift kommt oder so eine neue Richtlinie, dann muss ich mich auch darauf einrichten. Ich muss, glaube ich, als Unternehmen einfach mal langsam anfangen zu akzeptieren, dass Nachhaltigkeitsmanagement und genau in unseren Lieferketten auch, dass es zur modernen Business Disziplin geworden ist und man Verantwortung übernehmen muss."
Gewährleistet ein Lieferkettengesetz Wettbewerbsgleichheit?
Für Dewitz gewährleistet ein Lieferkettengesetz schlicht Wettbewerbsgleichheit. Es sei nicht einzusehen, dass Unternehmen bevorteilt würden, die sich nicht um Umwelt und Menschenrechte kümmern.
Anne Lauenroth vom BDI sieht das erwartungsgemäß anders. Sie befürchtet: Ein deutsches Lieferkettengesetz würde deutschen Firmen, die auf globalen Märkten Rohstoffe einkaufen müssten, Nachteile verschaffen. "Sie stehen im konkreten Wettbewerb auch mit z.B. chinesischen, auch Staatsunternehmen. Und das ist natürlich ein ungleicher Wettbewerb. Und wenn dort dann auch bestimmte Lieferanten sich ihre Kunden aussuchen können und wir haben das bei manchen Bereichen, dann wird natürlich schon darauf geguckt: Wer verlangt mehr und wer verlangt nichts."
Gebraucht werde deshalb eine globale, zumindest aber eine europäische Lösung. Doch die kann dauern. Das weiß auch Anne Lauenroth. Für den Fall, dass die Bundesregierung ein Lieferkettengesetz auf den Weg bringt, möchte der BDI, dass es nur für Großunternehmen gilt – so wie in Frankreich.
"Dort ist die Schwelle bei Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitern. Das wäre auch unsere Forderung, weil diese Firmen haben auch große Abteilungen dafür, die haben Tochterfirmen, die sind vor Ort, sind auch zumeist schon in diesen Aktivitäten und Initiativen auch schon vertreten, haben natürlich auch ob ihrer Größe, ihres Umsatzes natürlich auch einen größeren Hebel."
Anne Lauenroth wird am Sonntag mit Interesse in die Schweiz schauen, ob die Konzernverantwortungsinitiative angenommen wird. Die Entscheidung im Nachbarland könnte die Diskussion in Deutschland beeinflussen – in die eine oder andere Richtung.
Linnemann (CDU): Gesetz muss für die Unternehmen umsetzbar sein
Es sei für viele deutsche Unternehmen unmöglich, ihre komplette Lieferkette auf Verstöße gegen Menschenrechte zu kontrollieren, sagte Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann im Dlf.
Regierungen in Afrika müssen mit einbezogen werden
Und noch jemand schaut genau hin, wie die Schweizer künftig ihre Lieferketten überprüfen werden. Sebastian Brandis ist Vorstand von Menschen für Menschen, der Äthiopienhilfe, die einst vom Schauspieler Karlheinz Böhm gegründet wurde.
Er spricht sich für ein Lieferkettengesetz aus, mahnt aber, die Voraussetzungen in Ländern wie Äthiopien zu berücksichtigen: "Der inkrementelle Aufwand auch für einen Bauern Menschenrechte einzuhalten, ist wirklich nicht sehr groß und das können Sie sicherstellen. Das Problem ist eher, wenn Sie dann einen sehr aufwändigen Messmechanismus oder eine große Reporting-Infrastruktur verlangen, die einem Bauern oder vielleicht dazugehöre Kooperative überfordern, dass sie dann sozusagen eine Infrastruktur aufsetzen, die ein Land wie Äthiopien z.B. nicht liefern kann und auch gar nicht unbedingt wollen, weil wir wollen, dass kleinbäuerliche Struktur erhalten bleibt."
Brandis hat auch eine Lösung für das Problem: Die Diskussion über ein Lieferkettengesetz dürfe nicht auf Deutschland beschränkt bleiben, sondern müsse Regierungen wie die äthiopische mit einbeziehen. Hilfsorganisationen könnten zudem vor Ort eine Vermittlerrolle spielen.
"Die ganze Diskussion lässt die Meinung der Afrikaner, der eigentlichen Zulieferländer außen vor. Es wird sehr stark über die Angst von den Unternehmen gesprochen. Die Haftungsrisiken und die großen Probleme des deutschen Gesetzes besprochen. Aber der Dialog mit den Afrikanern findet nicht statt. Wenn Sie mich fragen, was halten die Äthiopier von dem Gesetz? Ich behaupte mal, die meisten kennen es überhaupt nicht, geschweige denn die Unternehmer."
Befürworter und Kritiker stehen sich unversöhnlich gegenüber
Im Fall Äthiopiens glaubt Brandis, dass die Regierung Menschenrechte und Umweltstandards ebenso einhalten will wie die Befürworter eines Lieferkettengesetzes. Das könne aber nur partnerschaftlich erreicht werden.
Sonst stehe schnell der Vorwurf eines neuen Kolonialismus im Raum: "Ich glaube auch hier ist noch Handlungsbedarf im Dialog mit diesen Ländern zu sagen: Was nützt euch denn wirklich? Wie weit können wir denn gehen? Das ist eine partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe, meiner Ansicht nach heute absolut geboten."
In der Schweiz wird sich morgen entscheiden, wie Lieferketten künftig besser kontrolliert werden. Und in Deutschland? Gisela Burckhardt von der Kampagne für saubere Kleidung hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben: "Also wir hoffen sehr, dass es noch zu einer Lösung kommt, also zu einem Lieferkettengesetz. Wobei es natürlich wirklich auch eine Frage ist, wie das dann ausgestaltet sein wird. Irgendein Lieferkettengesetz hilft uns auch nicht, sondern dieses Lieferkettengesetz muss auch die kleinen und mittelgroßen Unternehmen betreffen."
Befürworter und Kritiker eines Lieferkettengesetzes stehen sich offenbar unversöhnlich gegenüber – auch im Bundeskabinett. Ob sich das vor der nächsten Wahl auf ein konkretes Gesetz einigen wird, könnte deshalb davon abhängen, ob die Bundeskanzlerin ein Machtwort spricht. Bisher hat sie das nicht getan.