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Streit um Lübecker Nazi-Künstler
"Wer schweigt, stimmt zu!"

Unkritisch, das ist der Vorwurf, den sich das Lübecker Museum Behnhaus Drägerhaus gefallen lassen muss. Denn die aktuelle Ausstellung mit Aquarellen von Erich Klahn verschweigt, dass der Lokalkünstler in der NS-Zeit eng mit Parteioberen in Lübeck verbunden war.

Von Anette Schneider |
    Die Hansestadt Lübeck mit der St. Petri Kirche.
    Der Maler Erich Klahn hatte viele Freunde unter den führenden NS-Funktionären in der Hansestadt Lübeck. (picture-alliance / dpa / Klaus Nowottnick)
    "Dass er einen Geibel-Preis annimmt, der natürlich von Lübeck vergeben wurde mit Genehmigung der NSDAP, das kann man sagen, ist eine Geste, so etwas. Das kann man nur zur Kenntnis nehmen. Aber das ist kein Grund für uns, ihn nicht auszustellen. Wir finden, das muss die Ausstellung eben schlagkräftig zeigen, dass hier in diesen ganzen Bildern eben keine nationalsozialistische Nähe zu finden ist."
    Erklärt Hans Wißkirchen, Direktor der Lübecker Museen.
    Viele Fachleute sehen das anders. Etwa der Kunsthistoriker Henning Repetzky. Er legte bereits 2001 eine Biografie über Erich Klahn vor, im Auftrag der Klosterkammer Hannover folgte 2013 noch eine Studie. In beiden Arbeiten kommt er zu dem Ergebnis, dass Klahn...
    Zitator: "… insgesamt von der Richtigkeit einer völkisch-niederdeutsch, nationalsozialistisch geprägten Gesellschaft überzeugt war. Aus dieser politischen Überzeugung heraus stellte er seine Kunst zur Verfügung, um völkisch-niederdeutsches, nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten."
    Der Direktor lässt das nicht gelten
    "Also, was Sie sagen, muss man auf einer anderen Ebene behandeln! Es gibt ein Gutachten, das kennen wir auch. Es gibt eine Biografie, die kennen wir auch. Aber es gibt ja jetzt ein neues Gutachten, was jetzt von der historischen Kommission Niedersachsen in Auftrag gegeben worden ist. Da muss man mal abwarten, was das Gutachten sagt. Aber ich glaube, die Behauptung, die Sie jetzt aufstellen, ist hier in der Ausstellung jetzt nicht nachzuvollziehen. Andere Kunst zeigen wir nicht."
    Porträts von Ludendorff, Mussolini und Hitler
    Zu der "anderen Kunst" gehören das Porträt eines erschossenen Mitbegründers der NSDAP, das 1930 entstand, reaktionäre Glasfenster und Wandteppiche für Kirchen, und – nach 1933 – lebensgroße Porträts von Ludendorff, Mussolini und Hitler.
    All das wird weder gezeigt noch erwähnt. Vielmehr betont Kurator Alexander Bastek mit Blick auf das ausstehende Gutachten:
    "Meine Kenntnisse, auch aus den Briefen und Briefzitaten, die mir vorliegen, ist, dass eine Distanzierung vom NS-Regime in Äußerungen in Briefen deutlich ist."
    In der Ausstellung fehlen Belege für diese Behauptung. Dort steht der Ulenspiegel für sich allein.
    Dabei fand Repetzky heraus: Klahn, Jahrgang 1901, schloss sich Anfang der 20er-Jahre der Niederdeutschen Bewegung an. Die war eine norddeutsche Variante der "Blut-und-Boden-Ideologie", also rassistisch und antisemitisch. Ab 1934 war sie der NSDAP unterstellt, wodurch Klahn viele Freunde unter den führenden NS-Funktionären in Lübeck hatte. Sie verhalfen dem bis dahin völlig unbekannten Glasmaler und Teppichknüpfer nach 1933 zu einem gewissen lokalen Bekanntheitsgrad. Ihr Interesse galt dabei der Ulenspiegel-Serie, für die Klahn zwischen 1935 und 1947 sämtliche Szenen des de Coster-Romans illustrierte. Von den über 1300 Blättern sind nun 300 in Lübeck ausgestellt.
    "Wenn wir uns das anschauen, dann ist es so ein illustratives Werk, das ganz viele Wurzeln im 19. Jahrhundert hat, das aber auch an Jugendstil-Illustrationen des Simplicissimus erinnert. Wenn man genau hinschaut wird man auch in der Farbgebung auch expressive Dinge finden. Aber ansonsten ist es auf gar keinen Fall ein avantgardistisches Werk."
    Kurator hält Vorwürfe für ein Missverständnis
    Klahn griff mit dem Ulenspiegel ein in faschistischen Kreisen beliebtes Thema auf, da sich mit ihm völkische Ideologie verbreiten ließ. So sorgte Klahns Freund Asmus Jessen, Kreisbeauftragter der Reichskammer der Bildenden Künste und Mitglied der SS, für die Publizierung von Aquarellen. In NS-Publikationen wie dem Völkischen Beobachter erschienen Besprechungen. Man lobte, das Klahn den Ulenspiegel als Niederdeutschen und Flamen zugleich zeige. 1940 setzte ein Schreiber den historischen Freiheitskampf der Belgier gegen die Spanier mit der "Befreiung" Belgiens 1940 durch die Wehrmacht gleich.
    Die Ausstellung schweigt auch darüber. Und der Kurator hält das ohnehin alles für ein Missverständnis.
    "Es ist richtig, das Klahn in den 40er-Jahren Beifall, wie wir sagen würden, aus falscher Stelle bekommt. Das will auch niemand weg diskutieren. Im Moment ist ja der Stand der, das Klahn sich da nicht angebiedert hat, aber auch nichts dagegen hatte, in Anspruch genommen zu werden."
    Als sei das völlig in Ordnung. Als wären nicht gleichzeitig jüdische und kommunistische Künstler verfolgt und umgebracht worden. Als müssten nicht sie den Maßstab bilden für eine Ausstellung aus dieser Zeit. Als könnte ein neues Gutachten etwas an den Forschungsergebnissen ändern, die belegen, wie eng Klahn mit den Parteioberen in Lübeck verbunden war, und wie er seine Arbeit in den Dienst der faschistischen Ideologie stellte.
    In den 1980er-Jahren gab es ein Lied, in dem es hieß: "Wer schweigt, stimmt zu!" Nämlich den herrschenden Verhältnissen. Was auch immer die Macher zu dieser Ausstellung verleitet haben mag: Ein Nazi-Künstler ist nicht nur einer, der Hakenkreuze malt!