Im gerade laufenden Wahlkampf in Polen dreht das polnische Staatsfernsehen richtig auf: Der Oppositionskandidat Donald Tusk kommt kaum vor, und wenn, dann negativ. Etwa wird ihm eine allzu große Nähe zu Deutschland unterstellt. Er vertrete nicht die Interessen Polens, so berichtet das Staatsfernsehen immer wieder. Derart krasse Verzerrungen in den Medien kommen nicht nur in Polen vor, auch in Ungarn, etwas weniger stark in der Slowakei oder in Tschechien.
Lutz Kinkel, Geschäftsführer des European Centre for Press and Media Freedom war unlängst in Polen und hat mit über 20 Experten und Medienmacherinnen gesprochen – das Bild, das sich seinem Team bot, war düster. Die Medienstrukturen in Polen böten keinerlei Schutz, so Kinkel:
„Es gibt drei Regulierungsbehörden, die eigentlich für das Staatsfernsehen oder ursprünglich öffentlich-rechtliche Fernsehen zuständig sein sollten: Das eine ist der nationale Regulierer KRIT, das Zweite ist ein ausgegründetes Gremium, was speziell nur für die Personalpolitik zuständig ist. Dieser Regulierer, dieses Gremium bestimmt alle leitenden Posten im Staatsfernsehen, das heißt also Vorstand, Aufsichtsrat, etc. Und alle Gremien sind mehrheitlich mit PiS-Politikern besetzt - also was ist davon zu erwarten? Definitiv nichts.“
EU-Kommission: Gesetz soll Redaktionen schützen
Gegen derartige Zustände wie in Polen richtet sich das neue Medienfreiheitsgesetz, das mehr Transparenz und Schutz vor Eingriffen staatlicher Stellen bieten soll. In der liberalen Öffentlichkeit osteuropäischer Staaten kommt der Gesetzentwurf gut an – sind doch viele östliche Länder mit einem Phänomen namens „Media Capture“ konfrontiert, und das heißt: Die Übernahme von Medien durch regierungsfreundliche Investoren – aber auch Gängelung des staatlichen Rundfunks. Daneben auch: der gezielte Missbrauch von staatlichen Geldern, etwa indem man Regierungsinserate gezielt nur noch an genehme Medien verteilt.
Renate Nikolay, Stellvertretende Generaldirektorin für Kommunikation, Inhalte und Technologien der EU-Kommission sagt, dass man mit dem „Medienfreiheitsgesetz“ Redaktionen vor genau solchen staatlichen Eingriffen schützen will, auch, wenn etwa Medienkonzentration zu weit gehe:
„Wenn es Medienkonzentration-Bewegungen gibt, dann soll das Board, also die Medienaufsichtsstelle, wo alle europäischen unabhängigen Medienbehörden aus den verschiedenen Mitgliedsstaaten künftig zusammenarbeiten sollen, stärker zusammenarbeiten wollen, die sollen darüber informiert sein. Die können dann auch eine Meinung dazu abgeben, dann kann immer noch die nationale Stelle sich nicht daranhalten und dagegen argumentieren, aber zumindest gibt es eine Diskussion darüber. Ein bisschen Peer-Pressure, den wir, glaube ich, in diesem Bereich brauchen.“
Unzufriedenheit mit dem Gesetzesentwurf
Doch wer darf in das neu zu schaffende Medienboard einziehen? Auch jene Akteure aus Polen und Ungarn etwa, die die Zustände in ihren Ländern gerade nicht verändern wollen? Zufrieden sind viele Seiten nicht mit dem Gesetzesentwurf, der vielerlei Schwächen habe, so kritisiert es etwa der emeritierte Medienrechtler Dieter Dörr:
„Es gibt einen Grundsatz: Die Union darf das regeln, was ihr ausdrücklich von den Mitgliedsstaaten zugestanden ist. Und ausdrücklich zugestanden ist ihr die Binnenmarktskompetenz. Ausdrücklich nicht zugestanden ist ihr eine kulturelle Regelungskompetenz. Da gibt es sogar ein Harmonisierungsverbot. Und wir müssen bei einer Regelung immer gucken, wo ist der Schwerpunkt einer solchen Regelung? Und der Schwerpunkt beim Medienfreiheitsgesetz liegt ganz eindeutig im demokratisch-kulturellen Bereich."
Überzieht die EU also ihre Kompetenzen? Sigrun Albert, Geschäftsführerin des deutschen Verlegerverbands BDZV, meint, ja – und sagt, dass es zumindest in Deutschland für das neue Medienfreiheitsgesetz kaum Bedarf gebe, sicherlich aber in anderen Ländern, etwa in Osteuropa: „Wir denken nur, dass das nicht auf Kosten beispielsweise unserer bewährten Grundsätze im Grundgesetz geschehen kann, und auch die mangelnde Rechtsstaatlichkeit in gewissen europäischen Mitgliedsstaaten nicht über Medienregulierung gelöst werden kann."
Widerstand aus der EU, auch in Detailfragen
Problem ist sicherlich, so sind sich viele Beobachter einig, dass die EU-Länder zu unterschiedlich in ihrer medialen Entwicklung sind, und sich die Kommission daher schwer tut mit einem Gesetz, das für alle 27 Mitgliedsstaaten passen soll. Wie zu erwarten, sind Ungarn und Polen schon jetzt strikt gegen den gesamten Entwurf – aber auch in anderen Detailfragen gibt es Uneinigkeit innerhalb der EU.
Etwa sollte ursprünglich enthalten sein, dass Journalisten besser geschützt werden vor staatlichen Ermittlungen, wie Abhörmaßnahmen. Dieser Passus wurde aber auf Druck von Frankreich wieder gestrichen, man argumentiert mit „nationalen Sicherheitsinteressen“.
Der Gesetzentwurf geht nun in den sogenannten „Trilog“ und wird dort weiterdebattiert. Mit dabei sind dann die EU-Kommission, das Parlament und der Ministerrat. Der Ausgang der Debatten um das neue Medienfreiheitsgesetz ist derzeit noch völlig offen.