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Streit um Missbrauchsgutachten
Journalist: Erzbistum Köln ist "mit seiner Kommunikation am Ende"

Medien haben den Umgang des Erzbistums Köln mit einem bisher unveröffentlichten Gutachten zu Fällen sexualisierter Gewalt kritisiert. Das Erzbistum hatte eine teilweise Einsicht an eine Verschwiegenheitserklärung geknüpft - eine "Misstrauenserklärung", findet Journalist Joachim Frank.

Joachim Frank im Gespräch mit Christoph Sterz |
Das Bild zeigt die Spitzen vom Dom in Köln. Ein goldenes Kreuz leuchtet in der Sonne.
Das Erzbistum Köln hatte angekündigt, in einer Untersuchung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt „Ross und Reiter“ zu nennen (dpa / picture alliance / Caroline Seidel)
Seit Monaten gibt es Streit um ein Rechtsgutachten, dass das Kölner Erzbistum in Auftrag gegeben hat und das Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester in den letzten Jahrzehnten beleuchten sollte. Darin sollten auch Namen von Verantwortlichen auftauchen.
Eigentlich sollte diese Untersuchung im März 2020 veröffentlicht werden. Der Termin wurde zunächst wegen äußerungsrechtlicher Probleme verschoben. Im November vermeldete das Erzbistum schließlich, dass das Gutachten gar nicht mehr veröffentlicht werde - wegen methodischer Fehler.
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Das Erzbistum Köln hatte angekündigt, in einer Untersuchung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt "Ross und Reiter" zu nennen. Die Untersuchung ist fertig, bleibt aber unveröffentlicht. Der Psychiater Harald Dreßing kritisiert das Vorgehen.

Journalisten kritisieren Verschwiegenheitserklärung

Reporter sollten am 5. Januar eigentlich bei einem vom Erzbistum anberaumten Gespräch einen Einblick in ein teilweise geschwärztes Exemplar des Gutachtens bekommen, unter ihnen auch Joachim Frank, Chefkorrespondent der Mediengruppe DuMont, Mitglied der Chefredaktion des "Kölner Stadtanzeigers" und Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands. Er wollte sich, wie er in einer Stellungnahme bei Facebook ausführt, ein Urteil über die vom Erzbistum genannten "methodischen Mängel" bilden.
Doch das Gespräch fand nicht statt. Denn Frank und die anderen anwesenden Reporter erklärten sich nicht bereit, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterschreiben. "Das hätte letztlich bedeutet, dass man über nichts mehr berichten darf, was man woanders her bekommen hätte. Denn dann hätte man ja beweisen müssen, dass man es nicht aus diesem Hintergrundgespräch hat", sagte Frank im Dlf.

Rechtsanwalt: Verschwiegenheitserklärungen "gang und gäbe"

Kritik am Vorgehen der Journalisten kam via Twitter vom Rechtsanwalt Carsten Bennecke, der die Verschwiegenheitserklärung im Auftrag des Erzbistums verfasst hatte. Dass Journalisten Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben müssen, um an Hintergrundinformationen zu kommen, sei gang und gäbe und jedem erfahrenen Investigativjournalisten bekannt.
In einem vertrauensvollen Verhältnis mit Journalisten könne man ein Hintergrundgespräch anberaumen und auch vertraulich reden, meint Journalist Frank. Dabei gebe es für Hintergrundgespräche journalistische Standards - "das ist eine Frage des Vertrauens, alles andere ist eine Frage des Presserechts". Hier aber sei dem Gespräch aus seiner Sicht eine "Misstrauenserklärung" vorangestellt worden.
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Hintergrundgespräche gehören für Dlf-Hauptstadtkorrespondent Frank Capellan zum Journalistenalltag. Sie seien vor allem sinnvoll, um Zusammenhänge zu erkennen.

Frank: Erzbistum hat Pressearbeit den Anwälten überlassen

"Wenn eine Verschwiegenheitserklärung, die von einer Institution kommt, die selbst ein Interesse daran hat, dass ihre Sicht der Dinge durchkommt - wenn diese Verschwiegenheitserklärung so verfasst ist, dass man letztlich nur noch über das berichten darf, was das Erzbistum gerne veröffentlicht hätte, dann ist das das Gegenteil von investigativ."
Aus Sicht von Frank zeigt sich hier ein Grundproblem der Pressearbeit des Erzbistums Köln, das auch in der sonstigen Kommunikation mit der Institution bestehe und das er von anderen Erzbistümern so nicht kenne: "Wer seine Pressearbeit Anwälten überlässt, der ist mit seiner Kommunikation am Ende."
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