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Streit um No-Deal-Brexit
Johnson-Gegner erzwingen Abstimmung

Das britische Unterhaus stimmt heute über ein Gesetz ab, mit dem ein Austritt Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen abgewendet werden soll. Sollten die Abgeordneten den No-Deal-Brexit absegnen, will der britische Premierminister Boris Johnson über eine Neuwahl abstimmen lassen.

Von Friedbert Meurer |
Der britische Premierminister Boris Johnson vor Downing Street 10
Der britische Premierminister Boris Johnson droht mit Neuwahlen im Oktober. (picture alliance / dpa / Wiktor Szymanowicz / NurPhoto)
328 zu 301 – das Ergebnis fiel deutlicher als erwartet und es versperrt erst einmal den Weg, dass Großbritannien am 31. Oktober ohne Vertrag die EU verlässt. Das Unterhaus will heute ein entsprechendes Gesetz beschließen.
Es ging emotional zu im Parlament am späten Abend. Premierminister Boris Johnson bedauerte, er verfüge nun über keinen Hebel mehr, die EU zum Einlenken zu bringen.
"Die Konsequenz dieser Entscheidung heute Nacht ist: das Parlament steht kurz davor, jeden Vertrag zu ruinieren, den wir mit der EU aushandeln könnten."
Dann kam die erwartete Ankündigung: Boris Johnson, der britische Premier, will jetzt Neuwahlen. Es wären die dritten Wahlen binnen nur gut vier Jahren in Großbritannien.
"Die Menschen in diesem Land sollen jetzt entscheiden. Der Anführer der Opposition bettelt seit zwei Jahren um Neuwahlen. Ich möchte sie nicht. Aber ich kann Ihnen bestätigen, dass wir noch in der Nacht einen Antrag auf Neuwahlen stellen."
Neuwahlen möglicherweise im Oktober
Premierminister Boris Johnson will voraussichtlich am 14. Oktober wählen lassen, nur drei Tage vor dem EU-Gipfel und zweieinhalb Wochen vor dem geplanten Brexit. Sollte er die Wahl gewinnen, könnte Johnson Ende Oktober Großbritannien doch noch ohne Vertrag aus der EU herausführen. Eine Gefahr, die Labour-Chef Jeremy Corbyn ausschließen will. "Er will Neuwahlen, das ist gut so. Aber beschließt erst das Gesetz, damit es nicht doch noch zu einem ‚No Deal‘ kommen kann."
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Zwei Drittel aller Abgeordneten müssen Neuwahlen zustimmen, Corbyn ist unter Bedingungen dazu bereit. Beobachter verweisen aber darauf, dass ein Wahlsieger Johnson, ausgestattet mit einer neuen Mehrheit, dieses Gesetz auch eilends wieder ändern könnte. Auch die Vorsitzende der Liberaldemokraten Jo Swinson warnt davor.
"Es ist entscheidend, dass das Parlament verantwortungsbewusst handelt. Wir dürfen unser Land nicht in eine Wahl führen, wenn das Risiko besteht, dass wir krachend die EU verlassen - entweder während des Wahlkampfs oder direkt danach."
Johnson will Gegner ausschließen
Dennoch jubelt die Opposition, zumal ein konservativer Abgeordnete gestern zur Fraktion der Liberaldemokraten überlief. Damit verfügt die Regierung Johnson über keine Mehrheit mehr, auch nicht zusammen mit der nordirischen DUP.
Es folgt noch mehr Ungemach. Boris Johnson will ernst machen und die Abgeordneten, die gestern gegen ihn stimmten, aus der Partei ausschließen. Darunter den früheren Schatzkanzler Philip Hammond, den Alterspräsidenten des Unterhauses Ken Clarke und sogar den Enkel Winston Churchills, Nicholas Soames.
"Sie haben das mit der Neuwahl die ganze Zeit geplant. Der parlamentarische Geschäftsführer meiner Fraktion, mit dem ich sehr gut befreundet bin, hat mir gerade gesagt, dass er jetzt die traurige Pflicht hat, mich aus der konservativen Partei auszuschließen - nach 37 Jahren, in denen ich jetzt im Unterhaus sitze."