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Streit um Presserechte
Demonstranten blockieren polnisches Parlament

In Polen haben in der Nacht Demonstranten stundenlang die Eingänge des Parlamentsgebäudes versperrt. Drinnen, im Plenarsaal, hatten zuvor Oppositionsabgeordnete das Rednerpult blockiert. Auslöser für die Proteste: Die rechtskonservative Regierung will die Arbeit von Journalisten im Sejm deutlich einschränken.

Von Florian Kellermann |
    Demonstranten in Polen tragen eine riesige polnische Fahne
    Hunderte Menschen demonstrierten in Polen vor der Sejm (picture alliance / dpa / PAP)
    Bis in die frühen Morgenstunden blockierten die Demonstranten die Zufahrt zum Sejmgebäude. So konnten auch einige Abgeordnete der rechtskonservativen Regierungspartei PiS das Parlament lange Zeit nicht verlassen. Die Polizei drohte den Demonstranten damit, ihre Versammlung gewaltsam aufzulösen. Mit Gewehren bewaffnete Beamte erschienen in der Nacht am Parlament.
    Seit gestern Abend hat sich die Atmosphäre in und um den Sejm immer mehr hochgeschaukelt. Es begann damit, dass der Parlamentspräsident dem Abgeordneten Michal Szczerba von der Oppositionspartei "Bürgerplattform" nicht nur das Wort entzog. Er verwies ihn auch des Saales. Der Grund: Szczerba hatte, bevor er mit seiner Rede begann, ein Blatt Papier ans Rednerpult geheftet. Darauf war zu lesen: "Freie Medien im Sejm". Der Abgeordnete solidarisierte sich so mit einer Demonstration, die gleichzeitig vor dem Parlamentsgebäude stattfand.
    Keine Tonsaufnahmen außerhalb des Plenarsaals
    Dort erklärte der Fernsehjournalist Andrzej Morozowski: "Jeder Journalist, der in den Sejm gehen will, sollte die Möglichkeit dazu haben. Er sollte den Abgeordneten Fragen stellen dürfen. Nicht, weil es ihm so gefällt, sondern im Namen der Wähler. Aber die Regierung will das Recht der Medien beschränken. Vielleicht hat sie etwas zu verbergen, oder sie hat vor etwas Angst."
    Das Parlamentspräsidium plant, dass vom kommenden Jahr an nur noch jeweils ein Vertreter einer Redaktion im Plenarsaal anwesend sein darf. Dieser sollen außerdem die Parlamentssitzungen nicht filmen, und auch keine Tonaufnahmen machen dürfen. Damit nicht genug: Journalisten sollen sich nicht mehr auf den Gängen des Parlamentsgebäudes bewegen, wo sie die Abgeordneten bisher mit ihrem Abstimmungsverhalten konfrontieren konnten. Dem Protest schlossen sich auch Journalisten von Medien an, die der rechtskonservativen Regierungspartei PiS nahe stehen.
    Die Debatte im Parlament hatte mit dieser Beschränkung der Pressefreiheit eigentlich gar nichts zu tun. Es ging um den Haushalt für das kommende Jahr. Doch als der Oppositions-Abgeordnete Szczerba den Saal verlassen musste, kochten die Emotionen hoch. Katarzyna Lubnauer von der Oppositionspartei "Die Moderne" sagte: "Wir werden protestieren, bis der Parlamentspräsident nachgibt. Er muss die Verfassung achten und Journalisten ihre Arbeit tun lassen."
    Kaczynski spricht von Rowdytum
    Ähnlich große Emotionen im Regierungslager: Der Vorsitzende der rechtskonservativen Partei PiS Jaroslaw Kaczynski sprach von Rowdytum, das sich im Parlament breit gemacht habe. Die Opposition wolle das Parlament lahmlegen, so der Politiker: "Das werden wir nicht zulassen. Wir lassen uns nicht terrorisieren. Wir werden Haushalt verabschieden und auch andere Gesetze, die auf der Tagesordnung stehen."
    Kurz nach dieser Ankündigung versammelten sich die PiS-Abgeordneten in einem Nebensaal. Zunächst hieß es, sie wollten dort eine Fraktionssitzung abhalten. Tatsächlich aber stimmten sie dort alleine, ohne die anderen Abgeordneten zunächst über den Haushalt und dann auch über andere Gesetze ab. Die Opposition bezeichnet dieses Vorgehen als illegal. Denn ihren Abgeordneten sei der Zugang zum Nebensaal verweigert worden. Zudem habe die Abstimmung dort ohne Beobachtung der Presse stattgefunden. Ein Oppositionspolitiker stellte bereits Strafanzeige gegen die Abgeordneten, die an der privaten Abstimmung der PiS teilnahmen. Zwei oppositionelle Parteien beschlossen, die Nacht über im Plenarsaal auszuharren.
    Inzwischen ist die Blockade der Ausgänge des Parlamentsgebäudes beendet worden. Die Polizei setzte dabei nach Angaben eines Oppositionspolitikers Tränengas ein.