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Streit um Raketenabwehrsystem
USA schließen Türkei aus Kampfjet-Programm aus

Seit Monaten streiten die USA und die Türkei wegen eines russischen Raketenabwehrsystems. Jetzt hat Washington Ernst gemacht und Ankara aus ihrem F-35-Kampfjet-Programm geworfen. Die Amerikaner befürchten Spionage.

Von Thilo Kößler |
Ein F-35-Kampfjet der US-Airforce
Ein F-35-Kampfjet der US-Airforce (picture alliance/ZUMA Press/Joshua Dewberry)
Die Entscheidung, der Türkei beim Programm des F-35 Kampfjets den Laufpass zu geben, ist nicht nur ein tiefer Einschnitt in den bilateralen Beziehungen zwischen Washington und Ankara. Sie dürfte auch noch Auswirkungen auf die Beziehungen der NATO zur Türkei und damit auf den inneren Zusammenhalt der Allianz haben.
Das Weiße Haus und das US-Verteidigungsministerium teilten mit, es habe keine Alternative zu dieser Entscheidung gegeben, nachdem die Türkei bereits am vergangenen Freitag die ersten Teile des russischen Raketenabwehrsystems vom Typ S 400 in Empfang genommen hatte. Damit sei die weitere Zusammenarbeit im F-35-Programm nicht mehr möglich gewesen, hieß es. Das sei der türkischen Seite im Vorfeld mehrfach und eindringlich mitgeteilt worden, erklärte Staatssekretärin Ellen Lord im Pentagon.
Die Aufkündigung bringt für beide Seiten Verluste
Staatssekretärin Lord teilte mit, dass der Trennungsprozess bereits eingeleitet worden sei und bis Ende März nächsten Jahres vollzogen sein soll. Türkische Piloten, Auszubildende und Ausbilder, die sich derzeit noch in den USA aufhalten, müssten das Land verlassen.
Das US-Militär befürchtet, dass sich Russland über das moderne Luftabwehrsystem S 400 Zugang zu geheimen Daten des US-Kampfjets F-35 verschaffen könnte – die Gefahr liege auf der Hand, weil beide Systeme in unmittelbarer Nähe operieren sollten, so Ellen Lord.
Für beide Seiten ist die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit erheblichen Verlusten verbunden – für die Türkei, weil sie zum Beispiel die Produktion von 900 Einzelteilen für den Kampfjet verliert, für die USA, weil die gesamte Produktions- und Lieferkette umstrukturiert werden muss.
Trump zeigte Verständnis für Erdogan
Trotz dieses harten Einschnitts betonte die US-Administration den hohen politischen Stellenwert der strategischen Zusammenarbeit mit der Türkei. Die militärische Kooperation und das gemeinsame Training mit der türkischen Armee sollen aufrechterhalten werden. Die Partnerschaft bleibe stark, betonte der politische Staatssekretär im Pentagon, David Trachtenberg.
Noch vor wenigen Tagen hatte Präsident Trump mit der Bemerkung für Irritationen gesorgt, es sei unfair gewesen, dem türkischen Präsidenten lange den Kauf des amerikanischen Luft–Abwehrsystems verweigert zu haben und dem Verkauf von Patriot-Raketen erst zugestimmt zu haben, nachdem sich Erdogan für das russische System entschieden hatte.
Zu den langfristigen politischen und strategischen Folgen der zunehmenden Entfremdung zwischen der Türkei und dem westlichen Verteidigungsbündnis wollte sich das Pentagon nicht äußern. Auch nicht zu der Frage, ob die Türkei noch vollwertiger Partner in der integrierten Luftverteidigung der NATO bleiben könne, wenn sie sich künftig auf ein Luftabwehr-System des strategischen Gegners stützt.