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Streit um Rundfunkbeitrag
CDU-Medienpolitiker Robra fordert neues Verfahren

Der sachsen-anhaltinische Medienpolitiker Rainer Robra hat die Position seiner CDU-Fraktion im Streit um eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags verteidigt - sie lehnt eine Erhöhung ab. Er hoffe, dass das Bundesverfassungsgericht einen Weg ohne "parlamentarischen Nachklapp" festlege, sagte Robra im Dlf.

Rainer Robra im Gespräch mit Christoph Sterz |
Rainer Robra (CDU), Chef der Staatskanzlei und Minister für Kultur von Sachsen-Anhalt, bei einer Pressekonferenz
"Dass immer gekämpft worden ist für Beitragsstabilität, steht sogar im Koalitionsvertrag bei uns. Aber am Ende steht ein Demokratieproblem", so CDU-Politiker Rainer Robra (picture alliance/dpa/Christoph Soeder)
In der Frage des Rundfunkbeitrags ist die CDU in Sachsen-Anhalt gespalten. Die Landtagsfraktion um ihren Vorsitzenden Siegfried Borgwardt lehnt die geplante Erhöhung von 17,50 Euro auf 18,36 Euro ab. Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte nach anfänglicher Kritik im Juni angekündigt, den Staatsvertrag unterzeichnen zu wollen. Bereits im Februar hatte CDU-Medienpolitiker Rainer Robra die gerade vorgestellte Empfehlung der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) als "maßvoll" und den "Erwartungen entsprechend" bezeichnet.
Es dürfe aber "ehrlich gesagt niemanden wundern, dass in einer parlamentarischen Demokratie die Abgeordneten das letzte Wort haben wollen und auch müssen", sagte Robra im Interview mit @mediasres. Ihm wäre es am liebsten, wenn das Verfassungsgericht die Gelegenheit nutze - "um zu sagen, wir haben ein staatsfernes Verfahren, das endet mit der Empfehlung der KEF, die die Anmeldung der Anstalten kritisch prüft. Daran schließt sich eine Runde bei den Ministerpräsidenten an, in der die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten prüfen, ob es Abweichungsgründe gibt."
Rundfunkbeitrag: Streit um 86 Cent
Der Rundfunkbeitrag soll zum 1. Januar 2021 bundesweit auf 18,36 Euro steigen. Doch die Ablehnung von CDU und AfD in Sachsen-Anhalt könnte das verhindern. Warum ist das möglich? Und wie sieht die rechtliche Lage aus? Fragen und Antworten.
Christoph Sterz: Geht es aktuell wirklich um Medienpolitik? Oder geht es auch um Machtpolitik?
Rainer Robra: Also, wer sich ein bisschen länger mit dem Thema beschäftigt, der weiß, dass das Thema Beitragsstabilität in Sachsen-Anhalt seit 2003 so ungefähr auf der Tagesordnung steh. Dass immer gekämpft worden ist für Beitragsstabilität, steht sogar im Koalitionsvertrag bei uns. Aber am Ende steht ein Demokratieproblem. Wenn man eine demokratische Entscheidung in einem Parlament anstrebt, dann muss das mehr sein als ein notarielles Testat der Empfehlung der KEF.
Das hat schon in vielen, vielen Landtagen in den letzten 15, 20 Jahren am Ende noch immer gerade so gereicht. Ich erinnere mich da noch sehr lebhaft an Sachsen in den ersten zehn Jahren nach 2000, wo es immer Wackelpartien gegeben hat.
Jetzt ist es bei uns so, dass das Parlament mit seiner Mehrheit noch keine abschließende Entscheidung hat. Die Koalitionsfraktionen ringen noch um das Ergebnis. Aber es darf ehrlich gesagt niemanden wundern, dass in einer parlamentarischen Demokratie die Abgeordneten das letzte Wort haben – und auch haben wollen und auch haben müssen. Eine andere Frage ist, ob es klug ist, das Verfahren so auszugestalten. Wenn man zwar einen parlamentarischen Rattenschwanz an die Beschlussfassung anhängt, aber doch eigentlich von den Abgeordneten erwarten muss, dass sie alle unbedingt und ausschließlich nur mit Ja stimmen würden. Wo bleibt da die Gewissensfreiheit und die freie Entscheidung des Abgeordneten?
"Wir haben das thematisiert"
Sterz: Es ist ja nicht, was man nun am Schluss eines Verfahrens diskutieren kann, sondern das hätten Sie, als Medienpolitiker, in der Rundfunkkommission der Länder ja in den letzten Jahren besprechen können. Sie hätten das Verfahren ja ändern können.
Robra: Herr Sterz, man kann uns alles Mögliche vorwerfen, aber dass wir das nicht thematisiert haben in der Rundfunkkommission der Länder – das kann man uns nicht vorwerfen. Wir haben das immer wieder warnend hervorgehoben. Und wir haben uns ja auch in der Rundfunkkommission der Länder aufgemacht, ein anderes Verfahren zu finden, nämlich den Beitrag auf einen Index zu stützen, also ein objektives mathematisches Verfahren nach einem bestimmten Algorithmus.
Das ist uns dann leider, und man muss an dieser Stelle sagen, von der FDP in einigen Landesregierungen, in denen sie mitregiert, kaputtgemacht worden. Wir hatten da schon ein, wie ich empfinde, gutes Ergebnis im Kreise der Chefinnen und Chefs der Staatskanzleien und Senatskanzleien. Leider sind die Beratungen da abgebrochen worden, so dass wir auch in diesem kritischen Durchgang – es ist ja die erste Erhöhung seit 2009 – in diesem kritischen Durchgang das nicht wirklich funktionsfähige, in seinen Strukturen insuffiziente Verfahren nach dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag von 2000 irgendwas durchziehen mussten. Das hätten wir uns anders gewünscht.
Wir haben das thematisiert. Wir waren da auch, wie gesagt, in der Rundfunkkommission weit, und dass das jetzt jemanden überrascht aus der Runde der Rundfunkpolitiker in Deutschland, das kann wohl niemand ernsthaft behaupten.
In Folge des Streits in Sachsen-Anhalt wird auch der Rundfunkbeitrag wieder grundsätzlich diskutiert. Ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei "wichtig für die Demokratie", schrieb Marco Wanderwitz (CDU), Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, auf Twitter.

"Die tendenziöse Berichterstattung von ARD und ZDF über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist ein Beleg für die Reformnotwendigkeit des überdimensionierten öffentlichen Rundfunks", kritisierte dagegen der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler.

Mit der AfD stehe der Sieger der Debatte schon jetzt fest, schrieb ZDF-Fernsehratmitglied Leonhard Dobusch im Portal netzpolitik.org. Die AfD verfolge eine Agenda, "die öffentlich-rechtliche Medien nicht besser, vielfältiger oder digitaler machen, sondern sie abschaffen möchte".
"Verfahren, das mit der Empfehlung der KEF endet"
Sterz: Aber was wahrscheinlich auch niemanden überraschen wird, ist, falls ARD, ZDF und Deutschlandradio klagen und sagen, Moment, wir haben Anspruch auf die Erhöhung um 86 Cent, und dann vors Bundesverfassungsgericht gehen? Ich habe mit mehreren Medienrechtlern gesprochen und viel gelesen – und die sagen alle: Die Sache ist relativ klar, die werden ziemlich sicher recht bekommen.
Robra: Da muss man gar nicht so fürchterlich viel lesen. Das liegt auf der Hand, dass sich die Verfassungsfrage stellt, und es ist völlig legitim, dass die Anstalten ihren Rechtsschutz beim zuständigen Bundesverfassungsgericht suchen. Wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird, ob es eine einstweilige Anordnung beispielsweise erlassen wird, die das Defizit bei den Anstalten sehr schnell deutlich verringern wird oder ob sie warten bis zur Entscheidung in der Hauptsache, die ja nun, wie Sie mit Recht sagen, nicht so besonders kompliziert ist, das bleibt abzuwarten. Persönlich habe ich die Hoffnung, dass das Bundesverfassungsgericht – als das Gericht, das ja diese Struktur des Beitragsfestsetzungsverfahrens in seiner Rechtsprechung vorgeprägt hat – sich einmal fragt, ob es dieses parlamentarischen Nachklapps wirklich bedarf.
Mir wäre es persönlich am liebsten, wenn das Verfassungsgericht die Gelegenheit nutzte, um zu sagen, wir haben ein staatsfernes Verfahren, das endet mit der Empfehlung der KEF, die die Anmeldung der Anstalten kritisch prüft. Daran schließt sich eine Runde bei den Ministerpräsidenten an, in der die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten prüfen, ob es Abweichungsgründe gibt. Es gibt ja nur zwei legitime Abweichungsgründe. Und dann ist das Verfahren abgeschlossen, wenn sich alle 16 Länder einig sind, dass das Ergebnis so sein soll, dann wird’s in 16 Amtsblättern verkündet. Und wir bringen nicht die 16 Landtage in die Verlegenheit, eine scheinbare Entscheidung treffen zu sollen, die am Ende eindeutig nur mit Ja beantwortet werden darf. Wichtig ist, dass sie Auftrag und Struktur debattieren, und darüber dann auch natürlich Staatsverträge geschlossen werden. Denn damit werden am Ende die Bedarfe der Rundfunkanstalten festgelegt.
"Kontinuierliche Diskussion über Auftrag und Struktur"
Sterz: Wir haben eben davon gesprochen, dass die Landesparlamente die Möglichkeit haben, den Auftrag zu ändern der Öffentlich-Rechtlichen. Sie hatten als Medienpolitiker viele Jahre lang diese Möglichkeit, und das ist ja auch vielfach besprochen worden, Auftrag und Struktur zu reformieren. Ist das nicht das Problem, dass auch da es nicht so richtig einen Durchbruch gegeben hat und keine große Einigung, was dann wiederum dazu geführt hat, dass es jetzt so eine verfahrene Situation wie in Sachsen-Anhalt gibt?
Robra: Auch das Verfahren leidet bisher darunter, dass die Meinungsbildung unter den Ländern zu Auftrag und Struktur immer wieder durch die Beitragsfragfestsetzungsfrage überlagert wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die Beitragsfestsetzung als solche durch rundfunkpolitische Entscheidungen überlagert werden. Das führt in gewisser Weise dazu, dass man in einem gewissen Zeitfenster Auftrag und Struktur verhandelt. Dann schließt sich das Zeitfenster dafür, weil jetzt wieder die Beitragsdebatte zu führen ist. Dann geht es wieder auf.
Wir brauchen mal eine kontinuierliche Diskussion über Auftrag und Struktur, die auch in erster Linie nicht von Standortinteressen geprägt ist, sondern die uns die Frage beantwortet: Was ist der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im 21. Jahrhundert im digitalen Zeitalter? Was müssen sie machen? Was sollen sie machen? Was können sie auch besser machen, definitiv besser machen als zum Beispiel die zweite Säule, die privaten Rundfunkanstalten, oder die vielen, vielen Angebote, die es mittlerweile weltweit im digitalen Spektrum gibt? Es hat darüber Debatten gegeben, aber mit jeweils dem Ergebnis, dass der Berg ein Mäuschen gekreist hat. Ich wünsche mir das.
Ich bin der festen Überzeugung, wenn auch die Länder sich wirklich ausschließlich und schwerpunktmäßig auf Auftrag und Struktur der Kernkompetenzen besinnen können und konzentrieren können. Und nicht alle vier Jahre noch wieder die Beitragsdebatte führen müssen, weil diese Beitragsdebatte dann in dem staatsfernen Verfahren der KEF im Wesentlichen abschließend behandelt wird. Dass das auch die Debatte um Auftrag und Struktur ganz wesentlich befruchten wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.