Archiv

Streit um UN-Migrationspakt
Belgiens Regierungs-Aus live im TV

Belgiens Regierung ist am Streit über den UN-Migrationspakt zerbrochen. Der Rückzug seiner flämischen Nationalisten-Partei N-VA sei beschlossene Sache, ließ Innenminister Jan Jambon am Sonntag verlauten. Fünf Monate vor den Wahlen hat Premier Charles Michels Koalition keine Mehrheit mehr im Parlament.

Von Peter Kapern |
    Belgiens Premierminister Charles Michel
    Belgiens Premier Charles Michel hatte angekündigt, gegen den Willen des Partners N-VA zur UN-Konferenz nach Marokko zu reisen - die flämischen Nationalisten verließen die Regierung. (dpa / Belga / N. Maeterlinck)
    Sondersendung der Nachrichtenredaktion des flämischen Fernsehsenders VRT gestern Abend. In einer Live-Übertragung aus dem Amtssitz von Regierungschef Charles Michel erfuhren die Belgier, dass ihre Regierung gerade auseinandergebrochen war. Das Regierungsende hatte sich seit Tagen angekündigt.
    Einer der Koalitionspartner, die flämisch-nationalistische N-VA, wollte den Premierminister daran hindern, in der kommenden Woche nach Marrakesch zu reisen, um dort den Migrationspakt der Vereinten Nationen zu unterzeichnen. Michel aber holte sich die Rückendeckung des belgischen Parlaments, wo eine überwältigende Mehrheit für die Unterzeichnung des Pakts stimmte. Und er erinnerte daran, dass er vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September das Versprechen abgegeben habe, dem Migrationspakt in Marrakesch zuzustimmen. Ein Wort sei ein Wort, ließ er die Belgier gestern Abend dann wissen.
    "Und das bedeutet, dass ich morgen abreise, um bei der internationalen Konferenz der UN dabei zu sein, im Namen der Regierung und um Belgien zu verteidigen."
    Streit um den Migrationspakt lähmt die Regierung
    Der Pressekonferenz von Premier Michel war eine kurze Kabinettssitzung vorausgegangen, die damit endete, dass die Minister und Staatssekretäre der N-VA aufstanden und den Raum verließen. Der Streit um den Migrationspakt lähmt die belgische Regierung seit Tagen. Die N-VA hatte ihre Bedenken gegen den Pakt erst kürzlich formuliert, obwohl das Dokument im Rahmen der Regierungsarbeit in den letzten Jahren ausführlich diskutiert worden war.
    Anfang letzter Woche hatten die flämischen Nationalisten, die sechs Monate vor den nächsten regulären Wahlen in den Umfragen auf dem absteigenden Ast sind, wohl die Möglichkeit gewittert, sich dieses Thema zunutze machen zu können. In Windeseile starteten sie eine Facebook-Kampagne gegen den Pakt, gespickt mit Fotos arabisch aussehender Männer und verschleierter Frauen.
    Damit zeigte die N-VA, dass es ihr nicht um das Thema Migration, sondern um das Anstacheln von Rassismus und Islamophobie ging. Nach massiven Protesten stoppte die Partei die Facebook-Kampagne. Ihre Minister zog sie nun aber dennoch aus der Regierung zurück. Bart de Wever, der Vorsitzende der N-VA
    "Wenn der Premierminister nach Marrakesch fährt, um dem Pakt zuzustimmen, dann kann er das als Premier tun, aber wenn er zurückkommt, sind wir nicht mehr in der Koalition. Er ist dann nur noch Premier einer Marrakesch-Koalition."
    Österreichs Kanzler in der Kritik
    Premierminister Charles Michel wird nun versuchen, die restlichen sechs Monate bis zum regulären Wahltermin mit einer Minderheitsregierung zu überstehen. Die Grünen und die flämischen Sozialisten könnten ihm in Einzelfragen zu Mehrheiten verhelfen. Und selbst die N-VA hat ihre Unterstützung im Bereich der Sozial-und Wirtschaftspolitik signalisiert.
    Die belgische Regierung ist die erste innerhalb der EU, die am Streit um den Migrationspakt zerbricht. Anfangs hatten nur Polen und Ungarn entschieden, dem Pakt nicht zuzustimmen. Als sich Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz diesen beiden Ländern anschloss, wirkte das wie ein Dammbruch. Mittlerweile lehnt eine ganze Reihe osteuropäischer Länder den Pakt ab. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz steht deshalb innerhalb der EU massiv in der Kritik. Dass er ausgerechnet als derzeitiger Ratspräsident, dessen Aufgabe es eigentlich ist, die Mitgliedstaaten beisammen zu halten, für die Spaltung der Union gesorgt hat, sei ein Desaster für die EU, sagte zum Beispiel der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok.