Tumult im kenianischen Parlament. Erboste Abgeordnete schubsen sich gegenseitig, spritzen mit Wasser, setzen die Fäuste ein. "Wieso schlägst Du den alten Mann?", ruft einer aufgebracht. "Das ist Pfefferspray", warnt ein anderer. Die chaotischen Szenen sind nur aus einem wackeligen Smartphone-Video bekannt. Die übliche Live-Übertragung der Sitzung wurde kurzerhand abgeschaltet, die Pressetribüne gesperrt.
"Wir sind nicht sicher, was hier passiert", stammelt der Parlamentsreporter im kenianischen Fernsehen fassungslos. Kurze Zeit später verlässt die Opposition geschlossen den Saal.
"Weil ein Freund in der Regierungskoalition mit gesagt hat, dass Waffen auf uns gerichtet waren", so der Abgeordnete Jakoyo Midiwo. Die Opposition empört sich über eine Wahlgesetzreform, die kurz vor Weihnachten noch durchs Parlament gepeitscht werden sollte. Der wichtigste Streitpunkt: Falls das elektronische System versagt, sollen Wähler und Wahlstimmen manuell registriert werden.
Das Misstrauen ist groß
"Der einzige Grund für eine manuelle Auszählung ist Wahlfälschung zugunsten der Regierungskoalition", wetterte Oppositionsführer Moses Wetangula. Das Misstrauen ist groß, schließlich sind in der Vergangenheit schon mal Tausende längst verstorbene Regierungsanhänger manuell registriert worden und auf dem Papier plötzlich wieder wählen gegangen. Raila Odinga, der wahrscheinliche Präsidentschaftskandidat, versicherte: "Wenn wir verlieren, akzeptieren wir das. Aber wir treten nicht zu einer Wahl an, bloß um pauschal Manipulationen abzusegnen."
Eigentlich war die Wahlgesetzreform nach monatelangen mühsamen Gesprächen zwischen allen Parteien ausgehandelt worden. Die Änderungen in letzter Minute vor der Abstimmung hat die Opposition verbittert.
"Uhuru Kenyatta ist ein Weiberheld, ein Dieb", kreischte die Abgeordnete Millie Odhiambo hysterisch. "Wir respektieren ihn nicht, er ist dämlich." Besorgniserregender als die schlagzeilenträchtigen Beleidigungen des Präsidenten waren die Drohungen ihrer Kollegen.
"Das ist der Beginn eines langen Kampfes. Wir müssen ihn auf die Straße tragen, und wir werden ihn bis zum bitteren Ende kämpfen."
Gewaltausbrüche befürchtet
Das könnte Gewaltausbrüche wie nach den Wahlen 2007 bedeuten oder wie erst im vergangenen Jahr bei den blutigen Protesten gegen die damalige Wahlkommission. Die stellvertretende Parlamentsvorsitzende Joyce Laboso mahnte denn auch: "Wir müssen wirklich nicht bis zu diesem Punkt gehen. Ich möchte den Kenianern persönlich sagen: Bitte orientiert Euch nicht daran, was in diesem Haus passiert."
Immerhin: Die zweite Kammer des Parlaments hat den Konflikt vorerst entschärfen können. Zumindest die Straßenproteste sind bis zur heutigen Debatte abgesagt. Allerdings hat die Regierungskoalition auch im Senat die Mehrheit. Was passiert, wenn sie die reformierte Reform ebenfalls absegnet, ist derzeit noch völlig unklar.