"Also Textwissenschaften, Philosophie, Recht und Religionspädagogik. Wir haben ja vier Professuren nur zu vergeben. Der Wissenschaftsrat hat sechs vorgeschlagen. Die erreichen wir mit der Normalausstattung nicht. Wir haben aber einen Antrag beim Bundesbildungsministerium für Bildung und Forschung gestellt, weitere zwei Forschungsprofessuren besetzen zu können. So dass wir dann auf sechs Professuren kämen."
Sagt der pensionierte Historiker Michael Borgolte, Gründungsbeauftragter des Instituts für Islamische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität. Im Wintersemester 2019/20 könnte es endlich los gehen. Dabei soll nicht nur einseitig sunnitisch-konservative Theologie gelehrt werden, auch wenn die allermeisten Muslime in Deutschland in dieser Tradition aufgewachsen sind. Vielmehr sollen auch neue akademische Wege beschritten werden - als Beitrag zur innerislamischen Pluralität.
"Das tun wir auch deshalb, weil wir in Berlin zum ersten Mal Muslime sunnitischen und schiitischen Glaubens vereinen und deshalb zwingen, dass die zukünftig zu berufenden Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer vergleichend arbeiten müssen. Wir werden also keinen Professor oder Professorin für schiitische Theologie berufen, keinen für sunnitische Theologie, sondern wir werden Professoren berufen, die selbstverständlich ihren eigenen Standpunkt haben, aber in der Lage sein müssen, vergleichend die anderen Konfessionen einzubeziehen."
Welche Rolle spielt die EKD?
Seltsam nur, dass etwa an evangelischen Fakultäten eine solche Vermischung der Konfessionen völlig unüblich ist. Bis heute wird in der Dogmatik klar zwischen lutherischen und reformierten Lehrstühlen unterschieden. Den Muslimen wird abverlangt, was den Christen erspart bleibt. Merkwürdig auch, dass Gründungsbeauftragter Borgolte einzig und allein vom Göttinger Staats- und Kirchenrechtler Hans Michael Heinig beraten wurde. Der gilt zwar als Koryphäe auf seinem Gebiet, ist gleichzeitig aber auch seit 2008 Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD. Schreibt also die Evangelische Kirche in Deutschland nun indirekt vor, wie eine Islamische Theologie in Berlin auszusehen hat? Hans Michael Heinig weist jeden Verdacht weit von sich, er habe
"den Berliner Kolleginnen und Kollegen als Universitätsprofessor und Inhaber eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Göttingen rechtsgutachterliche Auskünfte gegeben. Das Kirchenrechtliche Institut der EKD war in den gesamten Prozess überhaupt nicht involviert, erst recht nicht andere Dienststellen oder Amtsträger der EKD."
Doch losgelöst davon: Die Verärgerung über den gerade einmal fünf Seiten langen und nur neun Paragraphen umfassenden Gründungsvertrag für das neue Berliner Islam-Institut ist groß. Im Beirat seien nur konservative Verbände vertreten, die nicht repräsentativ seien, beschwert sich die liberale Muslimin Seyran Ateş.
"Wenn die konservativen Verbände sich hinstellen und behaupten, sie vertreten die Mehrzahl der Muslime, gibt es weder einen Beleg dafür noch eine Abbildung, dass zum Beispiel der Zentralrat der Muslime nicht mal 0,4% der Muslime vertritt."
Es seien zudem Verbände, die alles andere als einen deutschen Islam vertreten würden, sagt Rechtsanwältin Ateş.
"Hinzu kommt, dass wir hier in Deutschland, in ganz Europa einen Islam haben, der sehr stark vom Ausland finanziert wird. Es sind die Muslimbrüder, die hier aktiv sind, Saudi-Arabien, Katar, Iran und die Türkei an vorderster Front. Deutschland finanziert einen Islam, der ihnen genehm ist. Wir haben einen fundamentalistischen Islam, einen konservativen Islam, nur der wird akzeptiert, nur diese Verbände sitzen am Tisch. Also hab ich nur noch das Problem, dass die Herren nicht Deutsch sprechen."
Dagegen würden andersdenkende Muslime unter Druck gesetzt. Sie selbst muss, seitdem sie die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee gegründet hat, in ständiger Angst und unter Polizeischutz leben. Dass ihr Moschee-Verein derzeit nur wenige Dutzend Mitglieder hat, liege nicht an mangelnder Zustimmung.
"Wir als liberale und zeitgemäße Muslime, wir müssen gegen diese Aggression ankämpfen. Das muss man erst mal schaffen, so mutig zu sein, so eine Gemeinde zu gründen. Und dass so eine Gemeinde erst mal nur aus 30 Leuten besteht, liegt nur daran, dass man diffamiert wird, bedroht wird, dass man mit Gewalt konfrontiert ist."
Vertrag auf der Kippe
Im Beirat vorgesehen sind bislang: Die deutsch-türkische Ditib, der Zentralrat der Muslime, der schiitische Dachverband, die Islamische Föderation und der Verband der islamischen Kulturzentren. Noch aber steht die Zusammensetzung des Beirates für das neue Berliner Islam-Institut nicht unwiderruflich fest. Die Unterzeichnung des Vertrages steht auf der Kippe, verrät Gründungsbeauftragter Michael Borgolte. Der Zentralrat der Muslime habe Zustimmung signalisiert, andere wie die deutsch-türkische Ditib Ablehnung.
"Die Vorbehalte sind begründet in der Zusammensetzung des Beirates, der eben nicht nur bestehen soll aus Vertretern der islamischen Verbände, sondern auch aus Hochschullehrern muslimischen Glaubens, dass die als Experten hinzugezogen werden. Anstößig ist für die Verbände auch die Frage einer Revisionsklausel, auch was die Zusammensetzung des Beirates betrifft. Und schließlich sind anstößig die Regularien der Abstimmung, die Zwei-Drittel-Mehrheit-Modalitäten vorsehen und die deshalb verhindern, dass eine Partei sich ohne Absprachen mit den anderen durchsetzen kann."
Wer die Muslime im Beirat vertritt, soll also aus Universitätssicht an die Verhältnisse angepasst, also "revisionsfähig" gehalten werden. Ditib erklärte dazu schriftlich, es gebe "noch erhebliche Bedenken hinsichtlich inhaltlicher Fragen" und "verfassungsrechtlicher Themen" – ohne diese genauer zu benennen. Der Islamverband habe nicht näher beschriebene "Alternativvorschläge" gemacht. Kommt es also bis zum 1. April nicht zur Vertragsunterzeichnung, so könnten im zweiten Anlauf auch die bisher nicht berücksichtigten Muslime im Beirat vertreten sein.
"Es gibt mehr als nur fünf Verbände"
Seyran Ateş hat da schon eine Wunschliste: "Dazu gehören Nord-Afrikaner, dazu gehört die Ahmaddyia-Gemeinde, dazu gehören liberale Stimmen wie der Bund der liberalen Muslime. Das Muslimische Forum gehört da eventuell rein, und wir gehören da rein."
Nicht zu vergessen die Aleviten, Bosnier, Sufis bis hin zur nicht erst seit dem Putschversuch in der Türkei umstrittenen Gülen-Bewegung. Aus Sicht der liberalen Muslimin Ateş braucht es eine ganz neue Rechts-Konstruktion für das künftige Berliner Islam-Institut.
"Und deshalb würde ich eher plädieren für einen Rat, nicht einen Beirat, wie er jetzt existiert nur mit den Verbänden, sondern einen Rat der muslimischen Gemeinschaft. Und in einem 'Rat der muslimischen Gemeinschaft' gehören nicht nur fünf Verbände, sondern mindestens zehn bis zwölf oder zwanzig Vertreter der verschiedensten Ausrichtungen, soweit es geht, abzubilden."