Tagesschau: Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich auf erste Schritte für ein mögliches neues NPD-Verbotsverfahren geeinigt.
Korrespondentin: Die Entschlossenheit wächst – quer durch alle Parteien – dass ein NPD-Verbot jetzt kommen muss.
Ruppert: "Ich hab' so das Gefühl, das es so eine leichte Dynamik hin zum Verbotsverfahren gibt. Ich will aber bewusst meine Kollegen verteidigen. Es gibt ganz viele Gespräche auch über die Parteigrenzen hinweg. Ich hab' Gespräche mit Vertretern der Linkspartei, der SPD, der Grünen, und der CDU gehabt. Und es gibt in allen Parteien Leute, die sagen: Ja, das muss man auf jeden Fall machen, so ein Verbot. Und es gibt in allen Parteien auch Leute mit meiner Meinung. Also, wir ringen schon als Demokraten um den richtigen Weg."
Reporterin: Die Bundeskanzlerin gedachte am Morgen der Opfer der Neonazi-Morde.
Merkel: Diese Taten sind nicht mehr und nicht weniger als ein Angriff auf unser demokratisches Gemeinwesen.
Reporterin: Unverkennbar. Ein neuer Anlauf zum NPD-Verbot rückt näher.
"Ich hab mich viele Jahre meines Lebens mit der NPD intensiv befasst."
Stefan Ruppert.
"Sie ist in der Tat viel widerwärtiger, als man gemeinhin vielleicht in der Öffentlichkeit glaubt."
Bundestagsabgeordneter der FDP.
"Aber: Das jeden Tag wieder neu zu sehen, ist viel besser, als wenn man es einmal abbucht und es durch ein Verbotsverfahren beseitigt."
Jurist, Rechtsextremismus-Experte der FDP-Fraktion.
"Also, von daher wäre meine Forderung, lieber gemeinsam überlegen: Wie kann man gemeinsam gegen die NPD vorgehen, wie kann man gegenüber rechtsextremem Denken vorgehen. Und nicht so sehr auf ein staatliches, repressives Mittel alleine setzen."
Im Dezember 2011 hat die Innenministerkonferenz einstimmig entschieden, die Voraussetzungen für ein neues NPD-Verbotsverfahren zu prüfen. Hierfür erarbeitete eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen Kriterienkatalog. Auf ihrer letzen Sitzung vor wenigen Tagen konkretisierten die Innenminister von Bund und Ländern ihr Vorhaben: V-Leute in der Führungsebene der NPD sollen jetzt abgeschaltet werden. Zudem soll in den nächsten sechs Monaten Material gesammelt werden, das gerichtsfeste Beweise für die kämpferisch-aggressive Ausrichtung der Neonazi-Partei liefern soll. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Lorenz Caffier, ist zuversichtlich, nach Abschluss der Materialsammlung eine Verbotsempfehlung geben zu können. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz drückt dagegen aufs Tempo:
"Wir haben da zwei, drei Baustellen. Wir haben die V-Mann-Problematik. Wir haben das Aggressiv-Kämpferische. Darüber muss man jetzt keine Doktorarbeiten schreiben oder so etwas. Sondern das kann man klar und deutlich analysieren. Und wenn man dann der Auffassung ist, das ist eine verbotswürdige Veranstaltung, dann macht man das! Mir fehlt diese Entschlossenheit. Das ist mir alles pflaumenweich und wischi-waschi und unklar, statt eine klare, präzise Haltung, die man dann allerdings auch kraftvoll durchsetzt."
So einfach ist die Sache für andere allerdings nicht. Politisch nicht, weil nicht politisch-grundsätzlich über ein Verbot der NPD diskutiert werde. Und juristisch sowieso nicht: Denn die Hürden, die sich durch das Grundgesetz ergeben, sind hoch. Und an die hat sich das Bundesverfassungsgericht, das über einen Verbotsantrag entscheiden muss, zu halten. Miro Jennerjahn, der für die Grünen im sächsischen Landtag sitzt, engagiert sich schon lange gegen Rechtsextremismus. Dass sich nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen in den vergangenen Monaten mit Verbotsforderungen überbieten, verwundert ihn:
"Insofern ist die NPD-Verbotsdebatte an dieser Stelle auch eher ´ne Ablenkungsdebatte, weil es sich auf ein bestimmtes Teilsegment des Problems konzentriert. Und jetzt etwas zugespitzt formuliert behauptet: Wenn wir die NDP verbieten, erledigen wir auch gleich ´ne ganze Reihe an Folgeproblemen. Viele Leute nehmen an, wenn die NPD verboten wird, gibt's gleich auch ´ne ganze Reihe weniger Nazidemonstrationen. Oder es gibt weniger Gewalt durch Rechtsextremisten. Das wird nicht passieren."
Der Politologe Dierk Borstel, der sich ebenfalls seit Jahren mit dem Problem Rechtsextremismus beschäftigt, spricht gar von einer "medialen Luftnummer":
"Die Gründe, warum das so reflexartig passiert: Nach einem NPD-Verbot zu schreien, schafft sofort Zustimmung. Man kriegt sofort Anerkennung, man hat sofort auch eine gute Presse. Das ist natürlich auch ein sehr, sehr leichtes Pfund. Es ist deutlich schwieriger, komplexe Antworten auf tatsächlich schwierige, ja, schwierige Phänomene auch zu geben. Und von daher macht man sich die Sache populistisch und einfach auch sehr einfach damit."
Das Verbot einer Partei wird durch Artikel 21, Satz 2 des Grundgesetzes geregelt. Die Lehren aus dem Nationalsozialismus sind ursächlich für diese Regelung, die die Demokratie schützen soll, aber zugleich antidemokratisch anmutet. Ein Paradox? Ja, meint der Verfassungsrechtler Ulrich K. Preuß:
"Es geht nämlich darum, dass die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln sich selbst zerstören kann. Das selbstzerstörerische Potenzial der Demokratie: Die Nazis haben ja immer behauptet, sie seien legal zur Macht gekommen. Das stimmt zwar nicht ganz, aber die Grundidee, dass im Grunde genommen mit der Mobilisierung von Massen und deren Organisationen durch eine demokratiefeindliche Partei mit den Mitteln der Demokratie, also durch Wahlen, gleichsam ein Umsturz oder eine Veränderung oder eine Abschaffung der Demokratie möglich ist. Dass gewissermaßen ein Schutz geschaffen werden musste, der natürlich genauso paradox ist, wie das Ereignis, auf das man reagiert, selber: Nämlich dass man im Grunde genommen mit undemokratischen Mitteln die Demokratie schützen muss, sodass wir zwei Paradoxe gleichsam konstatieren: Das erste Paradox ist - ich pointiere jetzt etwas: Die Demokratie schafft sich mit demokratischen Mitteln ab. Und das andere Paradox ist: Die Demokratie schützt sich mit undemokratischen Mitteln. Das ist im Grunde der Kern der Problematik des Parteienverbots."
Beim ersten NPD-Verbotsverfahren, das 2003 an Verfahrensgründen scheiterte – genauer gesagt an der umstrittenen Rolle der V-Leute - war Preuß ein entschiedener Gegner eines solchen Schrittes. Heute steht er einem Verbot offener gegenüber als vor zehn Jahren. Skeptisch ist er immer noch:
"Ein Verbot ist Ultima Ratio. Das ist eine Form des Demokratieschutzes. Sie muss in irgendeiner... sie muss nicht aktuell gefährdet sein. Dann ist es meist zu spät! Ja? Das ist ja das Problem. Das muss man auch wieder sehen: Wenn man eine Partei zu spät verbietet, dann kann man sie nicht mehr verbieten. Wenn sie nämlich erst mal eine gewisse Stärke erreicht hat, dann können Sie sie nicht mehr verbieten, dann ist sozusagen die politische Kraft dieser Partei schon so groß, dass dagegen sich kein Gericht, keine Regierung durchsetzen kann. Man muss sie also bekämpfen, wenn sie klein und schwach ist. Dann aber kommt immer wieder das Prinzip Verhältnismäßigkeit: Ist sie denn wirklich gefährlich? Das ist eine Balance, ja?"
Bundesinnenminister Friedrich argumentiert zwar eher vorsichtig, was ein Verbot der NPD betrifft, hat sich aber bereits grundsätzlich für ein solches ausgesprochen:
"Hat man mit einem Verbot bereits den geistigen Sumpf, der dort herrscht, bereits ausgerottet? Nein, natürlich nicht. Und dennoch, glaube ich, wäre ein Verbot, wenn es denn erreichbar wäre, sinnvoll, weil man zumindest schon mal verhindert hätte damit, dass auch noch aus dem Bereich der Parteienfinanzierung eine solche Partei finanziert wird."
Als vergangenen November die Mordtaten, Brandanschläge und Banküberfälle des "Nationalsozialistischen Untergrunds", kurz NSU, bekannt wurden, dauerte es nur wenige Tage, bis die ersten Rufe nach einem Verbot der NPD laut wurden. Die grausame Blutspur, die der NSU durch Deutschland zog, führte nicht zu einer Debatte über Rechtsextremismus, Rassismus und Hass gegen Migranten und Muslime – die Politik nahm sofort die parteiförmig organisierte Neonazi-Szene in das Visier. Miro Jennerjahn:
"Auffällig an der jetzt geführten NPD-Verbotsdebatte ist aus meiner Sicht, wie schnell der Ruf nach einem NPD-Verbot nach dem Auffliegen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds war. Zum damaligen Zeitpunkt wusste noch keiner, ob die NPD überhaupt Querverbindungen zum NSU hat und wenn ja, wie stark die ausgeprägt sind, aber eine der ersten Forderungen war schon mal: Jetzt verbieten wir die NPD."
Bis heute ist völlig unklar, welche Rolle die NPD bei den Taten des NSU spielte. Fakt ist: Zwei der inhaftierten mutmaßlichen Unterstützer der Neonazi-Zelle waren in der Vergangenheit zeitweise Funktionäre in der Partei. Doch dieser Umstand macht den NSU noch nicht zum paramilitärischen Arm der NPD. Ulrich K. Preuß:
"Wenn die Partei als Ganzes so ´ne Art, so wie... Es gibt ja bestimmte... in Irland war das so, mit der IRA, es gibt so einen politischen Teil und einen militanten Teil. Wenn das so ´ne Art Arbeitsteilung gewesen wäre, es gibt den nach außen, sich so weitgehend legal gebenden politischen Zweig. Und dann gibt es den illegal arbeitenden. Aber die sind irgendwie miteinander verbunden: Das wäre ´ne vollkommen neue Situation. Und dann würde sicherlich das Problem, das man immer wieder hat, ob das Bundesverfassungsgericht einem solchen Antrag überhaupt stattgeben würde, würde es in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen."
Das jedoch müssen die Gerichtsverhandlungen rund um die Neonazi-Terrorzelle erst noch klären. Doch bis dahin müsste, abseits der Karlsruher Verfahrensfragen, eine andere Debatte geführt werden – nämlich die grundsätzlich politische, sagt der FDP-Abgeordnete Stefan Ruppert – der von 2001 bis 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht war. Also, in der Zeit, als das erste NPD-Verbotsverfahren verhandelt wurde.
"Ich finde, darüber wird viel zu wenig gesprochen. Wenn Menschen skeptisch sind beim NPD-Verbotsverfahren, dann reden sie immer im nächsten Satz über V-Leute. Kriegen wir das hin? Besteht nicht die Gefahr, dass wir vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe verlieren? Und wäre das nicht viel schlimmer? Diese Frage ist eine juristische Frage. Die muss auch geklärt werden. Und da muss sorgsam mit umgegangen werden. Auf der ersten Ebene ist aber die politische Ermessensfrage: Ist ein Verbotsverfahren das adäquate Mittel, um rechtem Gedankengut entgegenzutreten? Nicht umsonst haben alle alten Demokratien dieser Welt, die sehr erfolgreich und gefestigt sind, die USA, Großbritannien, haben solche Verbotsverfahren nicht."
Ruppert fürchtet gar eine Verbotskultur, wenn der Damm erst einmal gebrochen ist. Schon jetzt wird im Zusammenhang mit einem möglichen NPD-Verbot gelegentlich auch ein Verbot der Partei "Die Linke" im gleichen Atemzug gefordert, vor allem von Politikern der CSU.
"Ja, ich glaube, keiner kann ernsthaft heute noch fordern, dass heute noch die Linkspartei verboten wird. Allerdings gibt's ja auch viele kleine repressive Maßnahmen unterhalb des Verbots. Wir beobachten viele Abgeordnete der Linken durch den Verfassungsschutz. Im Einzelfall ist das, glaub' ich, auch gerechtfertigt, aber in der Breite eher nicht. Und wenn man sich erst mal an das süße Gift gewöhnt, dass man sagt: Na ja, was mir politisch nicht gefällt, dem begegne ich mit Verboten. Oder mit Einschränkungen, oder Beschränkungen, dann verlässt man eigentlich den politischen Wettbewerb, nämlich das Ringen darum, wer das beste politische Angebot hat."
Bisher ist der Einsatz von V-Leuten gängige Praxis der Verfassungsschutzbehörden, um Informationen aus dem Innenleben der NPD abzuschöpfen. Rund 130 dieser Quellen führen die Behörden. Doch um den hohen Anforderungen an ein Parteienverbot gerecht zu werden, einigten sich die Mitglieder der Innenministerkonferenz darauf, diese nun – zumindest – aus den "Führungsgremien" der Partei abzuziehen. Betroffen wären etwa 20 Personen aus der NPD und mit ihr verbundener Organisationen. Auf den grundsätzlichen Einsatz von V-Leuten wird also nicht verzichtet, wie die verbleibenden 110 Verbindungspersonen offenbaren.
Der Politologe Dierk Borstel:
"Wie will der Staat eigentlich seine V-Leute weiterhin schützen, wär´ für mich so ´ne Frage, wo ich sehr gespannt bin auf die Antworten. Kann natürlich auch verstehen, dass man die dann nicht öffentlich und präsent macht."
Jedoch könnte genau das eine Anforderung an ein mögliches Verbot sein. Wie der "Spiegel" berichtete, heißt es im Kriterienkatalog der Innenminister, dass das Bundesverfassungsgericht "die über die bloße Kenntlichmachung hinausgehende Offenlegung (bis hin zur namentlichen Nennung der Quelle) verlangen könnte". Dies würde die V-Leute auch nach dem Abschalten gefährden und stößt auf Protest in den Ländern.
"Die zweite Sache ist: Wenn die V-Leute abgezogen sind. Wie sichern wir dann weiterhin die Beobachtung, die bisher auf den V-Leuten massivst gelegen hat. Also gibt es dann schon alternative Strategien? Bin ich auch sehr gespannt auf die Antworten. Und dann haben wir ja noch das Ding, ob das, was dann übrig bleibt von dieser Partei, ob das dann wirklich auch reicht, um die Verfassungsfeindlichkeit und vor allem auch die kämpferisch-aggressive Art und Weise tatsächlich auch rechtssicher zu dokumentieren. Was das angeht, bin ich noch am zuversichtlichsten, angesichts der Kameraden, die da unterwegs sind. Aber das ist schon ein schweres Stück Arbeit, das die Jungs da vor sich haben."
Apfel: "Man kann gegen demokratische Parteien wie die NPD ein Verbotsverfahren auf den Weg bringen."
Berlin, Potsdamer Platz, am 22. März. Am Rande der Innenministerkonferenz demonstriert die NPD gegen ihr möglicherweise bevorstehendes Verbot. Es spricht Holger Apfel, der Vorsitzende.
Apfel: "Aber eines sollte ihnen klar sein: Eine politische Idee, deren Zeit gekommen ist, lässt sich nicht verbieten! Deutschland, liebe Freunde, lässt sich nicht verbieten. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!"
Miro Jennerjahn, Die Grünen:
"Das Bundesverfassungsgericht ist nicht die einzige Instanz, die wird urteilen müssen. Es gibt noch den Europäischen Gerichtshof der Menschenrechte, den die NPD anrufen könnte. Und der Europäische Gerichtshof der Menschenrechte hat noch mal andere Kriterien für ein Parteienverbot. Und da geht es dann unter anderem darum, ob die NPD eine Gefahr für den Bestand des Staates darstellt. Und das kann ich, so ekelhaft die NPD ist, bei ihr nun beim besten Willen nicht erkennen."
Im Zuge der beiden bislang einzigen ausgesprochenen Parteienverbote in der Geschichte der Bundesrepublik – Sozialistische Reichspartei 1952 und KPD 1956 - hat das Verfassungsgericht die Anforderungen an ein Parteienverbot nochmals verschärft. Der Verfassungsrechtler Ulrich K. Preuß benennt die beiden wesentlichen Voraussetzungen für ein Parteienverbot so: Verboten werden kann eine Partei, die – erstens - kämpferisch-aggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung arbeitet, und – zweitens – dabei das Funktionieren der staatlichen Institutionen beeinträchtigt, um sie später zu beseitigen.
"Und wenn Sie mich persönlich danach fragen würden: Die erste Voraussetzung, ein aggressives Vorgehen gegen die verfassungsmäßige Ordnung würde aus meiner Sicht bei der NPD vorliegen, aber nicht aus jedermanns Sicht. Und die zweite Voraussetzung, die genannt wird, dass das dann sozusagen auch das Funktionieren des Staates beeinträchtigen muss, da würde sogar ich Zweifel haben. Da müsste man schon einiges aufwenden an Argumenten. Vor allem müssten sie davon sechs Richter überzeugen."
Denn ein Parteienverbot benötigt eine Zweidrittelmehrheit der Verfassungsrichter. Und selbst, wenn die zustande kommt - Dierk Borstel:
"Also, die ersten, die merken würden, dass das Problem damit nicht beseitigt ist, sind alle potenziellen Opfergruppen. Das heißt alle diejenigen, die halt durchs enge Raster rechtsextremen Denkens fallen, die werden weiter verfolgt werden, weiterhin nicht geschützt, vielleicht erleben die aber auch ´ne zusätzliche Entsolidarisierung in der Gesellschaft, weil es heißt: Wir haben doch das Problem jetzt eigentlich beseitigt. Das ist ´ne ganz starke Befürchtung, die ich hab´."
Demokratiefördernde zivilgesellschaftliche Organisationen beklagen schon jetzt, dass sie nur projektbezogen und befristet finanziert werden. Und fordern eine dauerhafte Unterstützung, um dort zu intervenieren, wo die NPD als "Kümmerer" auftritt, dort, wo Neonazis versuchen, Freiräume zu besetzen. Der Verfassungsrechtler Ulrich K. Preuß:
"Das ist ´ne sehr ambivalente Situation, denn natürlich verstehen die Leute nicht, wenn man ihnen irgendwie eine Organisation, die ihnen also in ihrem Lebensalltag hilft, und irgendwie Orientierung auch bietet, wenn man die dann verbietet, ja? Und zerschlägt. Und auch da würd´ ich sagen: Eigentlich ist das mehr ´ne Aufgabe der anderen Kräfte in der Gesellschaft, ihrerseits eben sich zu kümmern, ja? Wenn das also Wölfe im Schafspelz sind, dann müssen wir denen den Schafspelz mal wirklich abziehen, aber nicht durch Gewalt und durch Verbot, sondern Demokratie - ist anstrengend! Ja? Ist ´ne Herausforderung. Wenn man die Menschen gewinnen will, dann muss man etwas für sie tun."
Riskant, das glauben viele Beobachter, dürfte ebenfalls sein, dass das Vakuum am rechten Rand schnell gefüllt werden wird. Und dass die Strategen sich ein Beispiel nehmen an wesentlich erfolgreicheren Rechtsaußenparteien im europäischen Ausland. Stefan Ruppert, Rechtsextremismus-Experte der FDP-Fraktion:
"Also, ich glaube, wenn man sich die Positionen der NPD anguckt, kommt danach nichts Schlimmeres. Die NPD ist schon eine sehr rechtsextreme, teilweise auch nationalsozialistisch denkende Partei. Aber vielleicht kommt danach was, was deutlich mehr Zuspruch gewinnt. Vielleicht etwas weicher auftritt, vielleicht auch tiefer in bürgerliche Milieus vordringt. Politisch viel erfolgreicher damit ist, dass man nicht diesen "Igitt-Faktor" dieser, in Anführungszeichen, NPD mehr ins Feld führt, sondern eher sich anders gibt. Und vielleicht tritt dann eine Partei, die wir ja dann auch im Ausland sehen, Front National in Frankreich nur als ein Beispiel, stärker in den Vordergrund, das kann ich mir schon vorstellen."
Ideologie lässt sich nicht verbieten. Zwar kann man die Neonazi-Szene organisatorisch schwächen und sie finanziell beschneiden, doch in den Köpfen wird sich nichts ändern. Dazu bedarf es – ob mit oder ohne Verbot – einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit rechtsextremem und rassistischem Gedankengut. Hier ist vor allem auch die Politik gefragt. Politiker müssen sich mit unbequemen Fragen der Bürger auseinandersetzen und zwar auch dort, wo das Rampenlicht fern ist. Miro Jennerjahn:
"Insofern ist es aus meiner Sicht schon ´ne Ablenkung, wenn man sagt: Die NPD ist, wieder zugespitzt, eine böse Partei, deswegen muss sie verboten werden. Aber eigentlich läge die Macht an der Stelle in der Hand der Wählerinnen und Wähler. Also, die Wählerinnen und Wähler haben die NPD in den Landtag gewählt. Und die Wählerinnen und Wähler haben auch die Möglichkeit, die NPD wieder aus dem Landtag rauszukriegen. Insofern wäre es aus meiner Sicht das stärkere demokratische Zeichen, wenn man die NPD nicht über ein Verbot erledigt, sondern das über den Stimmzettel macht."
Korrespondentin: Die Entschlossenheit wächst – quer durch alle Parteien – dass ein NPD-Verbot jetzt kommen muss.
Ruppert: "Ich hab' so das Gefühl, das es so eine leichte Dynamik hin zum Verbotsverfahren gibt. Ich will aber bewusst meine Kollegen verteidigen. Es gibt ganz viele Gespräche auch über die Parteigrenzen hinweg. Ich hab' Gespräche mit Vertretern der Linkspartei, der SPD, der Grünen, und der CDU gehabt. Und es gibt in allen Parteien Leute, die sagen: Ja, das muss man auf jeden Fall machen, so ein Verbot. Und es gibt in allen Parteien auch Leute mit meiner Meinung. Also, wir ringen schon als Demokraten um den richtigen Weg."
Reporterin: Die Bundeskanzlerin gedachte am Morgen der Opfer der Neonazi-Morde.
Merkel: Diese Taten sind nicht mehr und nicht weniger als ein Angriff auf unser demokratisches Gemeinwesen.
Reporterin: Unverkennbar. Ein neuer Anlauf zum NPD-Verbot rückt näher.
"Ich hab mich viele Jahre meines Lebens mit der NPD intensiv befasst."
Stefan Ruppert.
"Sie ist in der Tat viel widerwärtiger, als man gemeinhin vielleicht in der Öffentlichkeit glaubt."
Bundestagsabgeordneter der FDP.
"Aber: Das jeden Tag wieder neu zu sehen, ist viel besser, als wenn man es einmal abbucht und es durch ein Verbotsverfahren beseitigt."
Jurist, Rechtsextremismus-Experte der FDP-Fraktion.
"Also, von daher wäre meine Forderung, lieber gemeinsam überlegen: Wie kann man gemeinsam gegen die NPD vorgehen, wie kann man gegenüber rechtsextremem Denken vorgehen. Und nicht so sehr auf ein staatliches, repressives Mittel alleine setzen."
Im Dezember 2011 hat die Innenministerkonferenz einstimmig entschieden, die Voraussetzungen für ein neues NPD-Verbotsverfahren zu prüfen. Hierfür erarbeitete eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen Kriterienkatalog. Auf ihrer letzen Sitzung vor wenigen Tagen konkretisierten die Innenminister von Bund und Ländern ihr Vorhaben: V-Leute in der Führungsebene der NPD sollen jetzt abgeschaltet werden. Zudem soll in den nächsten sechs Monaten Material gesammelt werden, das gerichtsfeste Beweise für die kämpferisch-aggressive Ausrichtung der Neonazi-Partei liefern soll. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Lorenz Caffier, ist zuversichtlich, nach Abschluss der Materialsammlung eine Verbotsempfehlung geben zu können. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz drückt dagegen aufs Tempo:
"Wir haben da zwei, drei Baustellen. Wir haben die V-Mann-Problematik. Wir haben das Aggressiv-Kämpferische. Darüber muss man jetzt keine Doktorarbeiten schreiben oder so etwas. Sondern das kann man klar und deutlich analysieren. Und wenn man dann der Auffassung ist, das ist eine verbotswürdige Veranstaltung, dann macht man das! Mir fehlt diese Entschlossenheit. Das ist mir alles pflaumenweich und wischi-waschi und unklar, statt eine klare, präzise Haltung, die man dann allerdings auch kraftvoll durchsetzt."
So einfach ist die Sache für andere allerdings nicht. Politisch nicht, weil nicht politisch-grundsätzlich über ein Verbot der NPD diskutiert werde. Und juristisch sowieso nicht: Denn die Hürden, die sich durch das Grundgesetz ergeben, sind hoch. Und an die hat sich das Bundesverfassungsgericht, das über einen Verbotsantrag entscheiden muss, zu halten. Miro Jennerjahn, der für die Grünen im sächsischen Landtag sitzt, engagiert sich schon lange gegen Rechtsextremismus. Dass sich nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen in den vergangenen Monaten mit Verbotsforderungen überbieten, verwundert ihn:
"Insofern ist die NPD-Verbotsdebatte an dieser Stelle auch eher ´ne Ablenkungsdebatte, weil es sich auf ein bestimmtes Teilsegment des Problems konzentriert. Und jetzt etwas zugespitzt formuliert behauptet: Wenn wir die NDP verbieten, erledigen wir auch gleich ´ne ganze Reihe an Folgeproblemen. Viele Leute nehmen an, wenn die NPD verboten wird, gibt's gleich auch ´ne ganze Reihe weniger Nazidemonstrationen. Oder es gibt weniger Gewalt durch Rechtsextremisten. Das wird nicht passieren."
Der Politologe Dierk Borstel, der sich ebenfalls seit Jahren mit dem Problem Rechtsextremismus beschäftigt, spricht gar von einer "medialen Luftnummer":
"Die Gründe, warum das so reflexartig passiert: Nach einem NPD-Verbot zu schreien, schafft sofort Zustimmung. Man kriegt sofort Anerkennung, man hat sofort auch eine gute Presse. Das ist natürlich auch ein sehr, sehr leichtes Pfund. Es ist deutlich schwieriger, komplexe Antworten auf tatsächlich schwierige, ja, schwierige Phänomene auch zu geben. Und von daher macht man sich die Sache populistisch und einfach auch sehr einfach damit."
Das Verbot einer Partei wird durch Artikel 21, Satz 2 des Grundgesetzes geregelt. Die Lehren aus dem Nationalsozialismus sind ursächlich für diese Regelung, die die Demokratie schützen soll, aber zugleich antidemokratisch anmutet. Ein Paradox? Ja, meint der Verfassungsrechtler Ulrich K. Preuß:
"Es geht nämlich darum, dass die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln sich selbst zerstören kann. Das selbstzerstörerische Potenzial der Demokratie: Die Nazis haben ja immer behauptet, sie seien legal zur Macht gekommen. Das stimmt zwar nicht ganz, aber die Grundidee, dass im Grunde genommen mit der Mobilisierung von Massen und deren Organisationen durch eine demokratiefeindliche Partei mit den Mitteln der Demokratie, also durch Wahlen, gleichsam ein Umsturz oder eine Veränderung oder eine Abschaffung der Demokratie möglich ist. Dass gewissermaßen ein Schutz geschaffen werden musste, der natürlich genauso paradox ist, wie das Ereignis, auf das man reagiert, selber: Nämlich dass man im Grunde genommen mit undemokratischen Mitteln die Demokratie schützen muss, sodass wir zwei Paradoxe gleichsam konstatieren: Das erste Paradox ist - ich pointiere jetzt etwas: Die Demokratie schafft sich mit demokratischen Mitteln ab. Und das andere Paradox ist: Die Demokratie schützt sich mit undemokratischen Mitteln. Das ist im Grunde der Kern der Problematik des Parteienverbots."
Beim ersten NPD-Verbotsverfahren, das 2003 an Verfahrensgründen scheiterte – genauer gesagt an der umstrittenen Rolle der V-Leute - war Preuß ein entschiedener Gegner eines solchen Schrittes. Heute steht er einem Verbot offener gegenüber als vor zehn Jahren. Skeptisch ist er immer noch:
"Ein Verbot ist Ultima Ratio. Das ist eine Form des Demokratieschutzes. Sie muss in irgendeiner... sie muss nicht aktuell gefährdet sein. Dann ist es meist zu spät! Ja? Das ist ja das Problem. Das muss man auch wieder sehen: Wenn man eine Partei zu spät verbietet, dann kann man sie nicht mehr verbieten. Wenn sie nämlich erst mal eine gewisse Stärke erreicht hat, dann können Sie sie nicht mehr verbieten, dann ist sozusagen die politische Kraft dieser Partei schon so groß, dass dagegen sich kein Gericht, keine Regierung durchsetzen kann. Man muss sie also bekämpfen, wenn sie klein und schwach ist. Dann aber kommt immer wieder das Prinzip Verhältnismäßigkeit: Ist sie denn wirklich gefährlich? Das ist eine Balance, ja?"
Bundesinnenminister Friedrich argumentiert zwar eher vorsichtig, was ein Verbot der NPD betrifft, hat sich aber bereits grundsätzlich für ein solches ausgesprochen:
"Hat man mit einem Verbot bereits den geistigen Sumpf, der dort herrscht, bereits ausgerottet? Nein, natürlich nicht. Und dennoch, glaube ich, wäre ein Verbot, wenn es denn erreichbar wäre, sinnvoll, weil man zumindest schon mal verhindert hätte damit, dass auch noch aus dem Bereich der Parteienfinanzierung eine solche Partei finanziert wird."
Als vergangenen November die Mordtaten, Brandanschläge und Banküberfälle des "Nationalsozialistischen Untergrunds", kurz NSU, bekannt wurden, dauerte es nur wenige Tage, bis die ersten Rufe nach einem Verbot der NPD laut wurden. Die grausame Blutspur, die der NSU durch Deutschland zog, führte nicht zu einer Debatte über Rechtsextremismus, Rassismus und Hass gegen Migranten und Muslime – die Politik nahm sofort die parteiförmig organisierte Neonazi-Szene in das Visier. Miro Jennerjahn:
"Auffällig an der jetzt geführten NPD-Verbotsdebatte ist aus meiner Sicht, wie schnell der Ruf nach einem NPD-Verbot nach dem Auffliegen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds war. Zum damaligen Zeitpunkt wusste noch keiner, ob die NPD überhaupt Querverbindungen zum NSU hat und wenn ja, wie stark die ausgeprägt sind, aber eine der ersten Forderungen war schon mal: Jetzt verbieten wir die NPD."
Bis heute ist völlig unklar, welche Rolle die NPD bei den Taten des NSU spielte. Fakt ist: Zwei der inhaftierten mutmaßlichen Unterstützer der Neonazi-Zelle waren in der Vergangenheit zeitweise Funktionäre in der Partei. Doch dieser Umstand macht den NSU noch nicht zum paramilitärischen Arm der NPD. Ulrich K. Preuß:
"Wenn die Partei als Ganzes so ´ne Art, so wie... Es gibt ja bestimmte... in Irland war das so, mit der IRA, es gibt so einen politischen Teil und einen militanten Teil. Wenn das so ´ne Art Arbeitsteilung gewesen wäre, es gibt den nach außen, sich so weitgehend legal gebenden politischen Zweig. Und dann gibt es den illegal arbeitenden. Aber die sind irgendwie miteinander verbunden: Das wäre ´ne vollkommen neue Situation. Und dann würde sicherlich das Problem, das man immer wieder hat, ob das Bundesverfassungsgericht einem solchen Antrag überhaupt stattgeben würde, würde es in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen."
Das jedoch müssen die Gerichtsverhandlungen rund um die Neonazi-Terrorzelle erst noch klären. Doch bis dahin müsste, abseits der Karlsruher Verfahrensfragen, eine andere Debatte geführt werden – nämlich die grundsätzlich politische, sagt der FDP-Abgeordnete Stefan Ruppert – der von 2001 bis 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht war. Also, in der Zeit, als das erste NPD-Verbotsverfahren verhandelt wurde.
"Ich finde, darüber wird viel zu wenig gesprochen. Wenn Menschen skeptisch sind beim NPD-Verbotsverfahren, dann reden sie immer im nächsten Satz über V-Leute. Kriegen wir das hin? Besteht nicht die Gefahr, dass wir vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe verlieren? Und wäre das nicht viel schlimmer? Diese Frage ist eine juristische Frage. Die muss auch geklärt werden. Und da muss sorgsam mit umgegangen werden. Auf der ersten Ebene ist aber die politische Ermessensfrage: Ist ein Verbotsverfahren das adäquate Mittel, um rechtem Gedankengut entgegenzutreten? Nicht umsonst haben alle alten Demokratien dieser Welt, die sehr erfolgreich und gefestigt sind, die USA, Großbritannien, haben solche Verbotsverfahren nicht."
Ruppert fürchtet gar eine Verbotskultur, wenn der Damm erst einmal gebrochen ist. Schon jetzt wird im Zusammenhang mit einem möglichen NPD-Verbot gelegentlich auch ein Verbot der Partei "Die Linke" im gleichen Atemzug gefordert, vor allem von Politikern der CSU.
"Ja, ich glaube, keiner kann ernsthaft heute noch fordern, dass heute noch die Linkspartei verboten wird. Allerdings gibt's ja auch viele kleine repressive Maßnahmen unterhalb des Verbots. Wir beobachten viele Abgeordnete der Linken durch den Verfassungsschutz. Im Einzelfall ist das, glaub' ich, auch gerechtfertigt, aber in der Breite eher nicht. Und wenn man sich erst mal an das süße Gift gewöhnt, dass man sagt: Na ja, was mir politisch nicht gefällt, dem begegne ich mit Verboten. Oder mit Einschränkungen, oder Beschränkungen, dann verlässt man eigentlich den politischen Wettbewerb, nämlich das Ringen darum, wer das beste politische Angebot hat."
Bisher ist der Einsatz von V-Leuten gängige Praxis der Verfassungsschutzbehörden, um Informationen aus dem Innenleben der NPD abzuschöpfen. Rund 130 dieser Quellen führen die Behörden. Doch um den hohen Anforderungen an ein Parteienverbot gerecht zu werden, einigten sich die Mitglieder der Innenministerkonferenz darauf, diese nun – zumindest – aus den "Führungsgremien" der Partei abzuziehen. Betroffen wären etwa 20 Personen aus der NPD und mit ihr verbundener Organisationen. Auf den grundsätzlichen Einsatz von V-Leuten wird also nicht verzichtet, wie die verbleibenden 110 Verbindungspersonen offenbaren.
Der Politologe Dierk Borstel:
"Wie will der Staat eigentlich seine V-Leute weiterhin schützen, wär´ für mich so ´ne Frage, wo ich sehr gespannt bin auf die Antworten. Kann natürlich auch verstehen, dass man die dann nicht öffentlich und präsent macht."
Jedoch könnte genau das eine Anforderung an ein mögliches Verbot sein. Wie der "Spiegel" berichtete, heißt es im Kriterienkatalog der Innenminister, dass das Bundesverfassungsgericht "die über die bloße Kenntlichmachung hinausgehende Offenlegung (bis hin zur namentlichen Nennung der Quelle) verlangen könnte". Dies würde die V-Leute auch nach dem Abschalten gefährden und stößt auf Protest in den Ländern.
"Die zweite Sache ist: Wenn die V-Leute abgezogen sind. Wie sichern wir dann weiterhin die Beobachtung, die bisher auf den V-Leuten massivst gelegen hat. Also gibt es dann schon alternative Strategien? Bin ich auch sehr gespannt auf die Antworten. Und dann haben wir ja noch das Ding, ob das, was dann übrig bleibt von dieser Partei, ob das dann wirklich auch reicht, um die Verfassungsfeindlichkeit und vor allem auch die kämpferisch-aggressive Art und Weise tatsächlich auch rechtssicher zu dokumentieren. Was das angeht, bin ich noch am zuversichtlichsten, angesichts der Kameraden, die da unterwegs sind. Aber das ist schon ein schweres Stück Arbeit, das die Jungs da vor sich haben."
Apfel: "Man kann gegen demokratische Parteien wie die NPD ein Verbotsverfahren auf den Weg bringen."
Berlin, Potsdamer Platz, am 22. März. Am Rande der Innenministerkonferenz demonstriert die NPD gegen ihr möglicherweise bevorstehendes Verbot. Es spricht Holger Apfel, der Vorsitzende.
Apfel: "Aber eines sollte ihnen klar sein: Eine politische Idee, deren Zeit gekommen ist, lässt sich nicht verbieten! Deutschland, liebe Freunde, lässt sich nicht verbieten. Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!"
Miro Jennerjahn, Die Grünen:
"Das Bundesverfassungsgericht ist nicht die einzige Instanz, die wird urteilen müssen. Es gibt noch den Europäischen Gerichtshof der Menschenrechte, den die NPD anrufen könnte. Und der Europäische Gerichtshof der Menschenrechte hat noch mal andere Kriterien für ein Parteienverbot. Und da geht es dann unter anderem darum, ob die NPD eine Gefahr für den Bestand des Staates darstellt. Und das kann ich, so ekelhaft die NPD ist, bei ihr nun beim besten Willen nicht erkennen."
Im Zuge der beiden bislang einzigen ausgesprochenen Parteienverbote in der Geschichte der Bundesrepublik – Sozialistische Reichspartei 1952 und KPD 1956 - hat das Verfassungsgericht die Anforderungen an ein Parteienverbot nochmals verschärft. Der Verfassungsrechtler Ulrich K. Preuß benennt die beiden wesentlichen Voraussetzungen für ein Parteienverbot so: Verboten werden kann eine Partei, die – erstens - kämpferisch-aggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung arbeitet, und – zweitens – dabei das Funktionieren der staatlichen Institutionen beeinträchtigt, um sie später zu beseitigen.
"Und wenn Sie mich persönlich danach fragen würden: Die erste Voraussetzung, ein aggressives Vorgehen gegen die verfassungsmäßige Ordnung würde aus meiner Sicht bei der NPD vorliegen, aber nicht aus jedermanns Sicht. Und die zweite Voraussetzung, die genannt wird, dass das dann sozusagen auch das Funktionieren des Staates beeinträchtigen muss, da würde sogar ich Zweifel haben. Da müsste man schon einiges aufwenden an Argumenten. Vor allem müssten sie davon sechs Richter überzeugen."
Denn ein Parteienverbot benötigt eine Zweidrittelmehrheit der Verfassungsrichter. Und selbst, wenn die zustande kommt - Dierk Borstel:
"Also, die ersten, die merken würden, dass das Problem damit nicht beseitigt ist, sind alle potenziellen Opfergruppen. Das heißt alle diejenigen, die halt durchs enge Raster rechtsextremen Denkens fallen, die werden weiter verfolgt werden, weiterhin nicht geschützt, vielleicht erleben die aber auch ´ne zusätzliche Entsolidarisierung in der Gesellschaft, weil es heißt: Wir haben doch das Problem jetzt eigentlich beseitigt. Das ist ´ne ganz starke Befürchtung, die ich hab´."
Demokratiefördernde zivilgesellschaftliche Organisationen beklagen schon jetzt, dass sie nur projektbezogen und befristet finanziert werden. Und fordern eine dauerhafte Unterstützung, um dort zu intervenieren, wo die NPD als "Kümmerer" auftritt, dort, wo Neonazis versuchen, Freiräume zu besetzen. Der Verfassungsrechtler Ulrich K. Preuß:
"Das ist ´ne sehr ambivalente Situation, denn natürlich verstehen die Leute nicht, wenn man ihnen irgendwie eine Organisation, die ihnen also in ihrem Lebensalltag hilft, und irgendwie Orientierung auch bietet, wenn man die dann verbietet, ja? Und zerschlägt. Und auch da würd´ ich sagen: Eigentlich ist das mehr ´ne Aufgabe der anderen Kräfte in der Gesellschaft, ihrerseits eben sich zu kümmern, ja? Wenn das also Wölfe im Schafspelz sind, dann müssen wir denen den Schafspelz mal wirklich abziehen, aber nicht durch Gewalt und durch Verbot, sondern Demokratie - ist anstrengend! Ja? Ist ´ne Herausforderung. Wenn man die Menschen gewinnen will, dann muss man etwas für sie tun."
Riskant, das glauben viele Beobachter, dürfte ebenfalls sein, dass das Vakuum am rechten Rand schnell gefüllt werden wird. Und dass die Strategen sich ein Beispiel nehmen an wesentlich erfolgreicheren Rechtsaußenparteien im europäischen Ausland. Stefan Ruppert, Rechtsextremismus-Experte der FDP-Fraktion:
"Also, ich glaube, wenn man sich die Positionen der NPD anguckt, kommt danach nichts Schlimmeres. Die NPD ist schon eine sehr rechtsextreme, teilweise auch nationalsozialistisch denkende Partei. Aber vielleicht kommt danach was, was deutlich mehr Zuspruch gewinnt. Vielleicht etwas weicher auftritt, vielleicht auch tiefer in bürgerliche Milieus vordringt. Politisch viel erfolgreicher damit ist, dass man nicht diesen "Igitt-Faktor" dieser, in Anführungszeichen, NPD mehr ins Feld führt, sondern eher sich anders gibt. Und vielleicht tritt dann eine Partei, die wir ja dann auch im Ausland sehen, Front National in Frankreich nur als ein Beispiel, stärker in den Vordergrund, das kann ich mir schon vorstellen."
Ideologie lässt sich nicht verbieten. Zwar kann man die Neonazi-Szene organisatorisch schwächen und sie finanziell beschneiden, doch in den Köpfen wird sich nichts ändern. Dazu bedarf es – ob mit oder ohne Verbot – einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit rechtsextremem und rassistischem Gedankengut. Hier ist vor allem auch die Politik gefragt. Politiker müssen sich mit unbequemen Fragen der Bürger auseinandersetzen und zwar auch dort, wo das Rampenlicht fern ist. Miro Jennerjahn:
"Insofern ist es aus meiner Sicht schon ´ne Ablenkung, wenn man sagt: Die NPD ist, wieder zugespitzt, eine böse Partei, deswegen muss sie verboten werden. Aber eigentlich läge die Macht an der Stelle in der Hand der Wählerinnen und Wähler. Also, die Wählerinnen und Wähler haben die NPD in den Landtag gewählt. Und die Wählerinnen und Wähler haben auch die Möglichkeit, die NPD wieder aus dem Landtag rauszukriegen. Insofern wäre es aus meiner Sicht das stärkere demokratische Zeichen, wenn man die NPD nicht über ein Verbot erledigt, sondern das über den Stimmzettel macht."