Archiv

Streitfall Möritz in der CDU
"Abgrenzung zur AfD ist für die CDU eine Existenzfrage"

Die CDU müsse sich von Robert Möritz trennen, sagte Ex-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz im Dlf. Dessen Abkehr von seiner rechtsradikalen Vergangenheit sei nicht glaubhaft. Dass sich der Landesverband in Sachsen-Anhalt nicht distanziere, sei "wirklich beunruhigend".

Ruprecht Polenz im Gespräch mit Martin Zagatta |
AfD-Anhänger bei einer Kundgebung in Potsdam am 9. September 2017, unter ihnen Neonazis, die Patrioten Cottbus oder die sog. Schwarze Sonne , ein Zeichen der SS, auf ihren Jacken trugen
AfD-Anhänger bei einer Kundgebung in Potsdam am 9. September 2017, unter ihnen Neonazis, die Patrioten Cottbus oder die sog. Schwarze Sonne , ein Zeichen der SS, auf ihren Jacken trugen (imago / Christian Ditsch)
Martin Zagatta: Rechtsextremisten in den eigenen Reihen, das bringt nicht nur die Polizei oder die Bundeswehr in Verruf, sondern jetzt auch die CDU. Denn die Entscheidung der Union in Sachsen-Anhalt, an einem Politiker mit rechtsradikaler Vergangenheit festzuhalten, die gefährdet nicht nur die Koalition mit der SPD und den Grünen in Magdeburg; dieses Vorgehen treibt jetzt auch die Bundes-CDU um, die da offenbar aber nicht einschreiten will.
Mitgehört hat Ruprecht Polenz, der ehemalige CDU-Generalsekretär, der als einer von ganz wenigen in der Partei eine Klarstellung vom CDU-Bundesvorstand gefordert hat. Hallo, Herr Polenz.
Ruprecht Polenz: Hallo, Herr Zagatta.
Zagatta: Herr Polenz, jetzt hat der Bundesgeschäftsführer Hennewig gestern Abend in einem Schreiben an die Landesverbände betont, Nazis haben keinen Platz in der CDU. Wieso reicht Ihnen das nicht aus? Oder reicht Ihnen das aus?
Polenz: Wenn sich alle danach richten, reicht mir das völlig aus. Die CDU darf unter gar keinen Umständen beispielsweise auch mit der AfD zusammenarbeiten. Und anders, als das offensichtlich in Teilen von Sachsen-Anhalt gesehen wird, bedeutet das eben auch, dass im Falle einer CDU-Minderheitsregierung man sich nicht um Absprachen mit der AfD bemühen darf – auch dann nicht, wenn man dadurch eigene Anträge durchbekommen will. Das wäre eine wichtige Klarstellung des Unvereinbarkeitsbeschlusses, den die Partei in Hamburg gefasst hat. Vielleicht sollte der Bundesverband das noch mal auch den Kolleginnen und Kollegen in Sachsen-Anhalt deutlich machen.
"Kann eigentlich nicht in der CDU bleiben"
Zagatta: Das will man ja offensichtlich mit dem Appell. – Wenn wir kurz bei dieser Personalentscheidung bleiben, dass in Sachsen-Anhalt entschieden wurde, ein Politiker mit rechtsradikaler Vergangenheit darf in der Partei bleiben. Dazu hat die Bundes-CDU ja jetzt gesagt, sie wolle sich da, wenn ich das richtig verstehe, nicht einmischen, und wer politisch radikal gewesen sei und sich einer Szene entziehe, den sollten wir bei diesem Weg auch unterstützen, heißt es ja offenbar in diesem Brief, der gestern verschickt worden ist. Das entspricht doch den Grundwerten der CDU, das ist doch christlich.
Ruprecht Polenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde
Ruprecht Polenz war im Jahr 2000 Generalsekretär der CDU (imago / Oryk Haist)
Polenz: Ja, sicher hat jeder eine zweite Chance verdient. Aber die Frage ist ja: Hat Herr Möritz tatsächlich sich verändert? Wenn man eine zweite Chance haben will, darf man ja den alten Irrweg nicht weitergehen, und da gibt es Zweifel. Es geht ja nicht so sehr nur um die Demonstration von 2011, wo er als Ordner bei einer rechtsradikalen Demonstration tätig war, sondern es geht vor allen Dingen um seine Mitgliedschaft bei dem paramilitärischen und, man kann sagen, auch in Teilen rechtsradikalen Verein Uniter – ich weiß nicht, wie die sich aussprechen. Die hat er jetzt gekündigt.
Allerdings gibt es jetzt von Uniter eine interessante Stellungnahme. Uniter sagt, er sei mit dieser Kündigung einem Ausschluss vorweggekommen, weil man in Uniter keine extremistischen Mitglieder dulde. Das, denke ich, müsste jetzt für die CDU wirklich Grund genug sein, sich von Herrn Möritz zu trennen, denn wenn Uniter sagt, für uns ist er zu extrem, dann kann er eigentlich nicht in der CDU bleiben. Ganz abgesehen davon, dass es natürlich auch ein gewagtes Stück von diesem Verein ist, sich jetzt hier so zu positionieren.
Sven Schulze (CDU Sachsen-Anhalt): "Lassen uns nicht von Rechten unterwandern"
Robert Möritz habe der rechten Szene abgeschworen und eine zweite Chance verdient, sagte Sven Schulze, CDU-Landesgeneralsekretär, im Dlf. Rechte würden in der CDU aber nicht geduldet.
"Herr Möritz hat dieses Nazi-Tattoo immer noch"
Zagatta: Jetzt fragen sich ja viele in der Union – so zumindest höre ich und lese ich das –, warum die Parteivorsitzende schweigt, warum Annegret Kramp-Karrenbauer da nicht eingreift oder sich äußert. Wäre das überfällig?
Polenz: Zunächst einmal ist es sicherlich richtig. Es ist der Kreisverband zuständig und wenn der nicht hinreichend agiert, dann muss sich der Landesverband darum kümmern. Auf der Ebene ist es jetzt. Die Bundespartei hat sicherlich in Telefonaten nachgefragt, wie sieht es aus, was macht ihr da, und ich finde, das Ergebnis bisher ist nicht befriedigend. Das zeigt ja auch das anhaltend kritische Medienecho, was ich völlig berechtigt finde.
Zu den Punkten, um die es ja auch noch geht: Wenn man sich von seiner Nazi-Vergangenheit überzeugend distanzieren möchte, was macht man dann eigentlich mit einem Nazi-Tattoo auf seinem Arm? Lässt man das einfach so stehen, oder – Dermatologen können einem ja helfen, dass das wieder verschwindet – lässt man es verschwinden? Herr Möritz hat dieses Tattoo immer noch, diese sogenannte schwarze Sonne, und ich sage mal, mit so einem Tattoo auf dem Arm dürfte er wahrscheinlich keine Kinder unterrichten.
Zagatta: Die Landes-CDU in Sachsen-Anhalt scheint, ihm das ja zu verzeihen. So hat man den Eindruck, so die Stellungnahmen. Die Frage ist aufgetaucht, auch im Beitrag unseres Korrespondenten: Welche Möglichkeiten hätte denn die Bundes-CDU, da überhaupt einzugreifen? Kann man es dabei Worten überlassen, überprüft das noch mal, oder gäbe es da irgendwelche Möglichkeiten einzugreifen?
Polenz: Mir geht es weniger um die juristischen Möglichkeiten, sondern um die politischen. In einem solchen Fall müsste die Bundespartei sicherlich ganz deutlich machen, dass sie auch zu anderen Entscheidungen gekommen wäre und dass sie die CDU Sachsen-Anhalt für eine solche Entscheidung auch kritisiert.
Denn es geht doch in einem größeren Blick um folgendes: Alle Demokraten in diesem Land wollen vermeiden, dass die AfD irgendeinen Regierungseinfluss gewinnt. Und wenn eine demokratische Partei auch nur den leisesten Anschein erweckt, als sei das mit ihr möglich, dann werden ihr ganz viele Wähler, auch Stammwähler den Rücken kehren, und sie wird auch Mitglieder verlieren.
"Die Lage ist ja auch wirklich beunruhigend"
Zagatta: Herr Polenz, das ist doch schon mehr als ein Anschein. Der Landesverband in Sachsen-Anhalt, da hat doch offenbar schon ein Parteitag, glaube ich, sogar beschlossen, man ist offen für die Zusammenarbeit unterhalb einer Koalition, man ist offen für die Zusammenarbeit mit der AfD.
Polenz: Deshalb ist die Lage ja auch wirklich beunruhigend, jedenfalls für mich beunruhigend und brisant. Ich glaube, dass man nicht unterschätzen sollte, wie aufmerksam auch CDU-Wählerinnen und Wähler diese Frage der notwendigen Abgrenzung verfolgen. Und sie wollen sicher sein, wenn sie das nächste Mal bei der CDU ein Kreuz machen, dass wie in der Vergangenheit eine wie auch immer – ich wiederhole noch mal –, wie auch immer geartete Zusammenarbeit – das schließt irgendwelche Absprachen ein, die es nicht geben darf. Wenn man das nicht ausgeschlossen sieht im Hinblick auf die AfD, dann wird die CDU massive Wählerzahlen verlieren und sie wird auch Parteimitglieder verlieren. Das ist das, was auf dem Spiel steht, und deshalb muss jetzt hier auch Klarheit geschaffen werden, und zuallererst ist jetzt natürlich der Landesverband Sachsen-Anhalt gefordert, das endlich zu tun.
Zagatta: Aber wenn dort schon beschlossen worden ist, man stellt sich gegen den Beschluss der Bundes-CDU und hält sich eine Zusammenarbeit mit der AfD offen, hält das für möglich, dann ist dieser Konflikt doch schon da. Müsste das nicht einen großen Aufschrei in der CDU geben auf Bundesebene?
Polenz: Der Konflikt ist da. Es gibt auch Kritik, auch aus meiner Partei zum Glück und auch sehr verständlicherweise an dieser Beschlusslage in Sachsen-Anhalt, und wir müssen das politisch austragen. Wir müssen politisch darüber diskutieren, damit die Menschen in Deutschland wissen, das was da in Sachsen-Anhalt von einigen, ja auch nicht von der gesamten Partei in Sachsen-Anhalt getrieben wird, das ist gefährlich, das will die übergroße Mehrheit der CDU nicht.
Zagatta: Machen Sie sich Sorgen um Ihre Partei?
Polenz: Ich mache mir jedenfalls um die Dinge, die jetzt in Sachsen-Anhalt gelaufen sind und offensichtlich weiterlaufen, Sorgen – ja.
Zagatta: Aber die Bundesvorsitzende kann dazu weiter schweigen?
Polenz: Das wird sie selber entscheiden, wie sie sich dazu positioniert. Ich glaube aber, dass Frau Kramp-Karrenbauer sehr genau weiß, dass die notwendige Abgrenzung zur AfD für die CDU auch eine eigene Existenzfrage ist.
Zagatta: Würden Sie ihr das raten, da jetzt mal ein paar deutliche Worte zu sagen?
Polenz: Wenn ich ihr einen Ratschlag geben würde, würde ich ihr das unter vier Augen machen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.